«Mit Design die Welt verbessern ?!»

Natürlich ist der Titel sehr plakativ und vielleicht auch etwas vermessen. Mit Design die Welt verändern? So ein Quatsch! Oder vielleicht doch nicht?

Design ist ein fester Bestandteil der modernen Welt. Lebens- und Kommunikationsmittel, Räume, Möbel, Kleider… Obwohl so ziemlich alles, was uns im Alltagsleben begegnet, gestaltet ist, sind theoretische Auseinandersetzungen mit dem Thema Gestaltung im deutschsprachigen Raum rar. Dabei gewinnt die Thematik nicht nur an Präsenz, sondern auch an Bedeutung, Verantwortung und Komplexität. 

Zuerst sollten wir einen Blick auf das Wort „Design“ werfen. Mittlerweile hat es nämlich einen negativen Beigeschmack bekommen und wird als Aufwertung für vermeintliche Premium-Produkte oder -Dienstleistungen verwendet. Es wird eine umgangssprachliche Assoziation von Design im Sinne von oberflächlichen Styling hervorgerufen, die dem Begriff aber in keiner Weise gerecht wird. Dabei ist Design keine Aufwertung der Oberfläche sondern vielmehr ein vielschichtiger Begriff, der über die reine Gestaltung hinausgeht. Design ist ein wechselseitiger Prozess. Es steht immer im Austausch mit der Welt, der Kultur, der Gesellschaft.

Der Designprozess vereint Kultur, (visuelle) Kunst, Handwerk, Kommunikation, Technisches Know-how und Sozialwissenschaft und drückt sich durch Gestaltung bzw. Formgebung aus. Als Designer*in brauche ich also immer ein Verständnis der Zusammenhänge und Strukturen um mich herum. Dabei sollte der Designer nicht nur die gegenwärtige Lage im Blick haben, sondern braucht auch eine gewisse Kenntnis über Ereignisse der Vergangenheit und kulturell gewachsene Symbolik. 

Letztendlich sind alle Farben, Formen, Symbole oder auch Schriftarten mit irgendeiner Bedeutung aufgeladen. Jedoch unterscheiden sich die Interpretationen von Kulturkreis zu Kulturkreis. Was in der westlichen Welt gilt, kann z.B. im asiatischen Raum eine ganz andere Bedeutung haben.Der Designer sollte mit Fingerspitzengefühl vorgehen, welche Botschaft er vermittelt. Kommunikationsdesign spricht das Unterbewusstsein an, wirkt mit Emotionen und lenkt durch eine bestimmte Haltung.Schon allein mit dieser Erkenntnis wird klar, welche Verantwortung (Kommunikations-) Designer haben und wie sie damit ein Werkzeug in der Hand haben, die Welt zu verändern.

Überflutung im Alltag

Wir leben in einer Gesellschaft in der es viel gibt: Viel Information, viel Werbung, viel Lärm und viele Produkte. Täglich werden wir von Inhalten und Reizen überflutet. Durchschnittlich sind wir 10.000-13.000 Werbekontakten pro Tag ausgesetzt.

Damit wir mit dieser Reizüberflutung umgehen können, besitzt unser Gehirn Filtersysteme, die unwichtige Reize aussortieren können, bevor sie unser Bewusstsein erreichen. Die Gefahr, dass bestimmte Nachrichten einfach aussortiert werden und erst gar nicht in unsere Wahrnehmung gelangen, führt zwangsläufig zu einem Problem im (Kommunikations-) Design. Denn wie können wir unsere Botschaft vermitteln, wenn sie aufgrund unserer gesellschaftlichen Gegebenheiten nicht richtig aufgenommen werden kann? Die aktuelle Lösung für viele Unternehmen lautet bunter, lauter, kontroverser und schriller. Je mehr, desto besser. Doch mehr bedeutet auch weniger Aufmerksamkeit seitens der Konsumenten. Das Fachwort dafür lautet „Werbeblindheit“ und tritt vermutlich schon bei 3.000 bis 5.000 täglichen Werbebotschaften auf. Wie oft klicken wir Werbebanner ungesehen einfach weg?

Plakate und Flyer nehmen wir teilweise gar nicht mehr wahr, weil sie wie selbstverständlich auf so ziemlich jeder freien Fläche kleben bzw. liegen.

In unserer Welt müssen wir als verantwortungsbewusste Designer kontinuierlich das Gute hervorheben, Informationen leicht verständlich vermitteln, Klarheit bringen und Qualität erzeugen. Designer können einen Informationsfluss ermöglichen, der zur Lebensqualität und einer besseren Gesellschaft beitragen kann. Denn Werbung ist letztendlich ein Produkt des Kommunikationsdesigns und diese Erkenntnis sollten wir uns zu Nutze machen.

Design

  • beeinflusst maßgeblich unsere Kultur und unsere Werte.
  • prägt unseren Lebensstil und unser Erscheinungsbild.
  • steuert Entscheidungen.
  • entscheidet, wie soziale Rollenbilder definiert werden.
  • definiert Sprachräume innerhalb einer Gesellschaft.
  • bestimmt, wie kultureller Konsens geschlossen werden sollte.

Kommunikationsdesign wirkt im Unterbewusstsein – auf der Gefühlsebene – der Menschen und verankert sich dadurch nachhaltiger im Gehirn.

Und nun? 

Mit dieser Erkenntnis gewappnet, braucht der Designer nicht nur Fingerspitzengefühl und handwerkliche Fähigkeiten, sondern auch tiefer greifende Kompetenzen, um die Menschen auf einer unterbewussten Ebene erreichen zu können:

Achtsamkeit: Das eigene Bewusstsein schärfen. Aufmerksamkeit gegenüber unserer Gesellschaft und gegenwärtige Vorgänge verstehen bzw. verfolgen.

Differenziertheit: Unterschiede erkennen und anerkennen. Verstehen, dass ich selbst nicht das Maß aller Dinge bin, dass jeder Mensch individuell ist und hat seine ganz eigen Sicht auf die Dinge hat. Design kann niemals allem gerecht werden. Stichwort: subjektive Wahrnehmung.

Reflexion: Meine eigene Rolle und meine Arbeit reflektieren und daraus Schlüsse ziehen können.

Flexibles Denken: Out-of-the-box denken und sich an die komplexe, sich schnell ändernde Welt anpassen.

Analytische Stärke: Zusammenhänge analysieren und verstehen, um daraus Schlüsse für die Gestaltung zu ziehen.

Soziale Kompetenz: Respekt und Menschlichkeit im Umgang mit anderen Menschen, Kulturen und Meinungen. Mit Human Centered Design Mensch-gerechte Produkte gestalten.

Empathie: Sich in andere Menschen einfühlen und deren Emotionen nachempfinden können, um die Wirkung von Kommunikation zu verstehen und einzuschätzen.

Schrift als Mittel des Protest

© EPA/JUSTIN LANE

Grundlegend sind Schriften Geschichten die erzählt werden. Unsere Buchstaben transportieren eine Botschaft, während sie selbst als Botschafter dienen.  
besonders spannend und deutlich wird diese Simultanität bei Plakaten, Spruchbändern und anderen Fragmenten die Menschen zum Protest mit auf die Straße nehmen.  
 
Nur die wenigsten von diesen Menschen werden sich beim bemalen dieser Plakate wohl selbst als Grafikdesigner*innen bezeichnen. Doch zu diesen werden sie in dem Moment, wenn der Pinsel den Untergrund berührt. Jedes Banner erzählt eine persönliche Geschichte und gleichzeitig die Position einer gesamten Bewegung. Oft werden sie mit Wut, Trauer aber auch voller Hoffnung auf Veränderung verfasst und gestaltet.  

Seit der Entwicklung von Druck- und Satztechnik wird diese auch zum Verbreiten von politischen Meinungen genutzt. Durch neue Entwicklungen in diesem Bereich gelang eine Verbindung aus Kunst und Aktivismus.  
 

Die meisten der Bürgerinnen und Bürger, die Schilder für Protestmärsche oder Demos anfertigen, betrachten sich wohl nicht als Grafikdesigner, aber sie werden es, sobald sie den ersten Buchstaben auf ihr Spruchband malen. 

Es ist allerdings nicht immer sinnvoll und hilfreich, den Kommunikationsmittel der Protestbewegung das Etikett
”Design” anzuhängen. Die Wissenschaftlerin Dori Tunstall hat untersucht, wie das Prinzip Design anthropologisch auf gesellschaftliche Organisationen angewandt werden kann.  
Sie veröffentlichte im Jahr 2016 im WCCW’s Feminist Organisation Handbook einen Aufsatz, in dem sie zu dem Schluss kam, dass es für Protestbewegungen von entscheidender Bedeutung sei, auf die “irrelevante Unterscheidung zwischen Kunst, Handwerk und Design zu verzichten” und so Hierarchien aufzulösen, die es geschafft hätten , sich in den gesellschaftlichen Aktivismus einzuschleichen.  
Künstlerische Proteste stoßen laut Tunstall am häufigsten auf Interesse und finanzielle Unterstützung. Einem Designorientieren Protest wird währenddessen “zu viel Professionalität” zugeschrieben.  
 

Gesellschaft statt Marketing  

Politisches Design bedient sich zunehmend der Open-Source-Idee, das heißt Entwürfe stehen nun zu freien Verfügung. Ein Beispiel dafür ist Shepard Faireys Plakatserie ”We the People”, die auf den Kampf gegen “die zunehmende Ausbreitung von Nationalsozialismus, Bigotterie und Intoleranz” zielt. Die Poster Reihe kann von jedem umsonst heruntergeladen werden und genutzt werden.  

“Engagierte Designprofis verzichten zunehmend auf den materiellen Wert ihres geistigen Eigentums und den Schutz durch das Urheberrecht, da sie eine viel größere Wirkung erziehen, wenn sich ihr Werk frei verbreitet – angefeuert von der digitalen Technologie und einem breiten Protest”, sagt die Kuratorin des Design Museums, Margaret Cubbage. “Da hat sich einiges Verändert, und so zeigt sich auf einmal glasklar die Wirkung von Grafikdesigner für die Weitergabe und die Verbreitung einer Botschaft. Die Menschen sollen das Werk der Designer tatsächlich nutzen.  
 

Ein weiteres Beispiel dafür ist das Plakatprojekt “Now You See Me Moria”, das Bewusstsein für die humanitäre Krise der EU schärft. Das Projekt hat über 422 Antworten von Designern zusammengestellt, die Poster eingereicht haben – von denen jedes heruntergeladen, gedruckt und im öffentlichen Raum platziert werden kann.Das Projekt wurde vom niederländischen Fotografen und Fotoredakteur Noemí initiiert und sah dann Qutaeba aus Syrien und Ali und Amir aus Afghanistan – Amir ist ein Flüchtling, der in Camp Moria lebt – zusammenkommen, um das Bewusstsein für die Situation zu schärfen. Seit August 2020 sammelt die Gruppe Geschichten und Fotos, um das Leben im Lager zu dokumentieren. Dies wurde jetzt zu einem Instagram-Account zusammengefasst, alles mit dem Ziel, das Bewusstsein in ganz Europa zu verbreiten.

Now You See Me Moria: Erik Schöfer (Copyright © Erik Schöfer, 2021)

Von Alltagskunst zum Museumsstück 

Plakate und Spruchbänder, welche für Proteste entstehen, werden meist nur für eine kurze Dauer erschaffen. Sie sind nicht für den längeren Gebrauch gedacht. Trotzdem entstand nun eine Ausstellung welche diese Plakate und Schilder ausstellt. Alltagskunst wird hier zum Museumsstück.  
Viele dieser Stücke bestehen rein aus typografischen Elementen. So auch die Flagge des Künstlers Dread Scott zur Unterstützung von Black lives matter. Das Werk erinnert an die Fahnen, welche zwischen 1920 und 1838 am Hauptplatz der Bürgerrechtsorganisation National Association for the Advancement of Colored People anlässlich der Lynchmorde an Schwarzen in den USA gehisst wurde. Die Flagge welche von Scott gestaltet wurde arbeite mit den gleichen sehr markanten weißen Versalien auf schwarzem Grund.

Fokus auf die Basics

Die leichte Verfügbarkeit von Materialen ermöglicht es immer mehr Menschen und auch Nicht-Designer*innen möglich immer mehr Protest Plakate und Poster zu erstellen.  
Doch wie bereits erwähnt kann ein handgeschriebenes Plakat oft viel mehr aussagen als ein besonders perfektioniertes Werk aus dem Bereich des Grafikdesigns welches durch Technik und außergewöhnliche Schriften glänzt. Denn was die die Leidenschaft eines Protests am besten einfängt sind handgeschriebene Plakate.  
 

Der Fotograf David Holbrook, welcher die Black Lives Matter Proteste in London fotografiert hat sagt, dass Schilder, die komplett handgemacht sind auch zeigen, dass jemand Zeit und Mühe in sein Anliegen investiert hat. Auch das macht es ausdrucksstark.  
 “Ein fetter Textblock garantiert, dass man ihn wirklich sehen kann”, fügt er hinzu. “Alles in Großbuchstaben gestezt….das will gehört werden; die typografische Form dafür, dass man seine Forderung herausschreit.” 
 

Quellen:

itsnicethat.com/news/now-you-see-me-moria-graphic-design-100221
paradox.nl/product/now-you-see-me-moria/
kurier.at/politik/ausland/trump-black-lives-matter-schriftzug-ist-symbol-des-hasses/400959026
amplifier.org/free-downloads/
monotype.com/de/resources/expertise/typography-and-modern-protest

Politische Gestaltung und Auswirkungen auf die Gesellschaft-„Ich mach doch nur so ein paar schöne Objekte, was hat das denn mit Politik zu tun?“

Ist Design politisch? Und wie können Designs die Politik beeinflussen?

In letzter Zeit sind Design und Politik mehr denn je kollidiert. Diese Designs können und beschränken sich nicht darauf, politische Kampagnengrafiken, Poster, Satire (Cartoons), Social-Media-Nachrichten und Propaganda zu erstellen. Wir werden überall, wo wir uns umdrehen, absichtlich bombardiert, so dass viele dieser Wege unterschwellig sind und unbemerkt bleiben. Wenn Sie jedoch anfangen, über das Verhältnis zwischen Politik und Design nachzudenken, können Sie die Kraft sehen, die Design in unserem Alltag spielt.

Es ist faszinierend für mich, dass Grafikdesign in der Politik genau wie Branding und Werbung verwendet wird, wenn man in einen Laden geht. Entworfene Bilder können Ihre Denkweise beeinflussen, was beeinflussen kann, welches Produkt Sie in Ihrem täglichen Leben wählen. Nehmen wir an, Sie gehen in ein Geschäft und können sich nicht entscheiden, welches Bier Sie von Typ A bis Typ B wollen. Neben dem Preis können Ihre endgültige Entscheidung Ihre endgültige Entscheidung beeinflussen, die Farben, Grafiken oder „Vibes“, die auf der Dose verwendet werden. Sie werden dies vielleicht nicht bemerken, wenn Sie Ihre Entscheidung treffen, aber tief im Inneren wirkt sich dies auf Sie auf eine Handvoll Arten aus. Dasselbe gilt für Design in der politischen Szene. Grafikdesign kann immer verwendet werden, damit die Dinge gut aussehen, aber es gibt auch eine tiefere Ebene. Es wird tatsächlich getan, um Sie auf die eine oder andere Weise zu beeinflussen.

Friedrich von Borries: Politics of Design, Design of Politics. (Bild: PD). 

Der VW Käfer und sein politisches Moment

Der VW Käfer ist laut dem Kurator Friedrich von Borries ein gutes Beispiel dafür, wie ein Design politisch angeeignet wurde – und zwar aus verschiedenen Richtungen und Bewegungen: Als Symbol im Nationalsozialismus, als Symbol für das Wirtschaftswunder der Bundesrepublik Deutschland, für Hippietum in den USA und für Wohlstandsstreben in Mexiko. Der Käfer stand laut von Borries „in unterschiedlichen politischen Systemen für Mobilisierung, für Wachstum, für Aufbruch, für Veränderung“.

Friedrich von Borris. Politik des Design der Politik

Der Architekt, Designer und Designtheoretiker Friedrich von Borries unterrichtet seit 2009 Designtheorie an der Hochschule der Bildenden Künste (HFBK) Hamburg. Aus der Sicht eines erweiterten Designkonzepts, das Produktdesign, Grafik, Architektur, die Gestaltung städtischer Räume und künstlerischer Praktiken umfasst, befasst sich die Ausstellung mit der Hauptfrage der Art von Welt, in der wir leben wollen, und wie wir sie gestalten können.

In einer Reihe von Interaktionen mit und Interventionen im Design Museum zeigt von Borries, inwieweit Design ein politisches Element mit sich bringt. Er weist in Bezug auf „Politik des Designs“ darauf hin, dass Designobjekte auch immer in einem politischen Kontext entstanden sind und dass in vielen Fällen eine gesellschaftspolitische Absicht hinter ihrer Entwicklung steckte. Mit Theorien wie „Design sexualisiert“, „Design kolonialisiert“ und „Design manipuliert“ wirft er einen neuen Blick auf Cola-Werbung, Sony Walkmans und modernistische Möbel. Diese Diskussion über das politische Element im Design wird auf den Bereich der Politik ausgedehnt. Der Fokus auf die Objekte wird dem „Design of Politics“ gegenübergestellt, das die Möglichkeiten der Gestaltung und Veränderung der Politik untersucht. Welche Rolle kann Design bei der sozialen und kulturellen Entwicklung einer Gesellschaft spielen?

Friedrich von Borries. Politics of Design, Design of Politics. Installation view, 2018. Photo: Anna Seibel

friedrichvonborries.de/de

Die Pflicht des Designers

Politische Gestaltung kann eine weitere Möglichkeit sein, Wähler für eine bestimmte Haltung zu einem Thema zu rekrutieren. Dies kann durch die Erstellung eines verachtenden Cartoons erfolgen, der sich auf die Kritik an einer politischen Figur oder die Erstellung von Postern konzentriert, die zum Aktivismus zu bestimmten Themen inspirieren sollen. Diese Objekte winken mit einer Flagge, die möglicherweise unbemerkt bleibt, aber es dem Betrachter auch ermöglichen kann, mehr in das hervorgehobene Thema einzutauchen. Auswirkungen und Macht wie diese können große Vorteile für die Gesellschaft haben, können aber auch aus heimtückischen Gründen genutzt werden. Es ist unsere Aufgabe als Grafikdesigner, uns auf die Erhöhung und Weiterentwicklung der Gesellschaft zu konzentrieren, anstatt sie sich verschlechtern zu lassen.

Da Design die Gefahr in sich berge, für politische Zwecke instrumentalisiert zu werden, sei es die „Pflicht darüber nachzudenken, wie kann denn das, was ich gemacht habe, genutzt werden“, meinte der Kurator Friedrich von Borris im Deutschlandfunk.

Quellen:

dnstdm.de/en/politics-of-design/
cicero.de/kultur/wie-politisch-ist-design/37157
aufbauhaus.de/veranstaltungen/politik-und-design-ueber-die-politische-dimension-von-gestaltung
margit-nowotny.de/kann-design-politisch-sein/

Verantwortung im öffentlichen Raum

Zu Beginn des Jahres 2007 schockte der Bürgermeister von São Paulo, Gilberto Kassab, die PR-Branche seiner Stadt, indem er jede Werbung im Stadtbild verbieten ließ. Seither ist São Paulo die weltweit erste Metropole ohne Banner, Poster und Plakate. 

© Tony de Marco, São Paulo No Logo, flic.kr/s/aHsiNbzBRE

Wie wirkt sich Werbung eigentlich bei uns auf StadtbewohnerInnen und ihre Lebensqualität aus?
Wer entscheidet über das Erscheinungsbild unserer Städte – wie könnte öffentlicher Raum alternativ aussehen?Einige Meinungen sagen Werbung im öffentlichen Raum sei undemokratisch. Wer das nötige Kleingeld hat, könne sich das Stadtbild nach seinen Wünschen formen. Alle anderen können sich nicht wehren oder „zurückschreien“, denn Reklame sei purer Monolog.
Verhindert Werbung im öffentlich raum also zum Beispiel Nachhaltigkeit anstatt sie zu fördern? Erfüllt Werbung im öffentlichen Raum ihren ursprünglichen Zweck als neutrale Produktinformation? Geht es überhaupt noch um die gezeigten Produkte? Oder setzt sie alle Tricks des Neuromarketings und der Verführung ein, und verschweigt bewusst, wie viel CO2 so ein Kurzstreckenflug nach Rom verursacht oder unter welchen Bedingungen die Näherin in Bangladesch unsere Kleidung herstellen und nähen? 

Stadt der Zukunft – werbefrei?, Liv Preßer, https://www.startnext.com/doku-werbung

Pappschilder mit Porträts der Politiker*innen sind in Deutschland nun schon seit einigen Wochen verschwunden. Die Kampagnen der einzelnen Parteien halten in der Zeit vor der Wahl gern als Small-Talk-Aufhänger her, aber mehr noch die Umdeutungen und Kommentare durch Sprayer. Dagegen ist die übliche Außenwerbung, die ganze Gebäude überzieht, kaum und selten ein Thema. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir diese aufgrund der alltäglichen Bilderflut schon nicht mehr bewusst wahrnehmen. In den 20er/30er Jahren stand beleuchtete Fassadenreklame noch für Fortschritt. Doch wofür stehen sie heute und welche Auswirkungen haben sie auf unsere Stadtgestaltung? 
Störung und Belästigung sieht die Initiative „Amt für Werbefreiheit und gutes Leben“ in der Plakatierung des öffentlichen Raums und engagiert sich für dessen gemeinschaftliche Umgestaltung im Sinne eines nachhaltigeren Lebens ohne ständige Konsumverführung. 
In São Paulo sind laut Umfragen zwei Drittel der Bevölkerung damit zufrieden, auch weil die Architektur wieder stärker in den Vordergrund tritt. Auch anderswo, wie in Zürich, wird darüber debattiert, ob weniger Werbung den öffentlichen Raum stärken würde. 

„Plakatflächen werden zu kulturellen Konzeptflächen, zu künstlerischen Leinwänden oder fotografischen Landschaften. Die Stadt zum öffentlichen Museum. Reclaim ersetzt Werbung auf Großflächen durch deine Kunst.“
Reclaim Kollektiv

Wird die Stadt ohne Werbung schöner? Oder verliert sie dadurch einen Teil ihrer Identität? Wäre der New Yorker Times Square nicht wieder zu erkennen wenn das Licht nachts aus bliebe? Auch bei Tageslicht  wäre er wohl nicht mehr ein großer Anziehungspunkt und Touristen Hotspot. Inwieweit wäre ein Werbeverbot im öffentlichen Raum oder zumindest eine stärkere Reglementierung eine Freiheitsbeschneidung des Marktes oder gar Verlust an Information? 
Tragen Gestalter*innen die Verantwortung dafür, womit die Gesellschaft im Alltag konfrontiert wird?
Gibt es überhaupt Alternativen für eine kreative und ethische Gestaltung der Stadt durch Design? Wofür können Designer*innen die Flächen nutzen welche im Moment durch Werbung gefüllt werden? Und wer hat ein Recht darauf zu entscheiden womit die Bewohner*innen einer Stadt täglich konfrontiert werden?

Werbepause, Sao Paulo hängt Plakate ab, 17. Mai 2010, 21:06 Uhr, Alex Rühle (Abgerufen     
am 42. Oktober.21) https://www.sueddeutsche.de/kultur/sao-paulo-haengt-plakate-ab- 
werbepause-1.225638

Stadt der Zukunft – werbefrei?, Liv Preßer, https://www.startnext.com/doku-werbung
Wunschtraum Werbefreiheit? Warum die Vision von Städten ohne Außenwerbung so  
schwer umzusetzen ist, bund.net

„Braucht die Stadt Werbung?“ Diese Debatte führt BKULT in Zusammenarbeit mit der Initia  
tive „Amt für Werbefreiheit und Gutes Leben“.,10. SEPTEMBER 2013, (Abgerufen     
am 42. Oktober.21) https://bkult.de/de_DE/1130.braucht_die_stadt_werbung/

Die Verantwortung der Designer*innen im Laufe der Zeit

Die Frage nach Verantwortung im Design gibt es schon lange.  Die ersten Proteste gegen die vorherrschende Designpraxis führten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zur „Arts and Crafts“-Bewegung unter William Morris. Kritisiert wurde vor allem die maschinelle Massenproduktion, mit ihrem Verlust an Qualität und Schönheit. „Morris machte die seelenlose Maschinenarbeit und die Profitinteressen der Unternehmer und Industriellen für die zunehmende Umweltverschmutzung sowie die verheerenden Lebensumstände der Arbeiterklasse verantwortlich. Deshalb forderte er eine Rückbesinnung zum verantwortungsvollen Kunsthandwerk“. Doch gegen die Vorteile der Serienfertigung und Massenproduktion hatten die Designer:innen, welche diese kritisierten keine Chance. 

Weiter gehts im Jahr 1919. Das von Walter Gropius gegründete Bauhaus setzte sich für einen „sozialen Funktionalismus“ ein. Mit Funktionalismus wird eine Gestaltung, die durch den Verwendungszweck bestimmt wird, und bei der rein ästhetische Gestaltungsprinzipien in den Hintergrund treten, beschriebenen. 
Unter Einfluss der De-Stijl-Gruppe der 20er Jahre, deren Merkmal die „Neue Sachlichkeit“ war, entstanden funktionale, einfache Formen. Die diesen Ansprüchen gerecht werdenden Gegenstände sollten effizient und preiswert produziert werden können, damit jeder sich diese leisten könne. „Das Bauhaus wollte für eine klassenlose Gesellschaft produzieren und folgte einem sozial ausgerichteten, funktionalistischen Ideal.“

Diese neuen Formen und Verantwortungen wurden viel kritisiert und nicht überall stoß das Bauhaus auf Verständnis. Durch den Nationalsozialismus gelang es dem Bauhaus nicht sich selbst mit seinen Grundverständnissen als Gesamtkonzept zu verwirklichen. 

Wieder aufgenommen wurde dieser soziale Gedanke von der 1953 gegründete Hochschule für Gestaltung in Ulm. Diese prägte den Begriff der „Guten Form“. Damit bezeichnete man eine „einfache, funktionale und materialgerechte Form von zeitloser Gültigkeit mit hohem Gebrauchswert, langer Lebensdauer, guter Verständlichkeit, Verarbeitung und Technologie, ergonomischer Anpassung und ökologischer Nachhaltigkeit.“Die Ulmer Schule trennte Gestaltung von rein kommerziellen Zielen. Im Fokus lag dabei vor allem die Kritik am sogenannten „Styling“, einem Design, das ausschließlich dem Zweck der stetigen Neuerschaffung von Konsumwünschen diente. Die wirtschaftlich denkende Realität übernahm diese funktionalistischen Prinzipien allerdings nur dann,„wenn daraus eine effizientere Produktion und ein rationalistischerer Einsatz von Material erfolgte. Die sozialen Gedanken dahinter wurden jedoch so gut wie immer ignoriert.“

Weiter gehts mit den 50er und 60er Jahren – eine Zeit in der die Konsumkritik an ganz unterschiedlichen Stellen auftauchte und laut wurde. 1963, verfasste der Grafikdesigner Ken Garland sein Manifest „First Things First“. Darin prangerte er die Verantwortungslosigkeit unter Designern an und forderte eine Reflexion der Profession. Es wurde von zahlreichen namhaften Designern unterzeichnet.

First Things First:
„Wir, die Unterzeichnenden, sind Grafikdesigner, Fotografen und Studenten, die in einer Welt aufgewachsen sind, in der man die moderne Werbemaschinerie beharrlich als die lukrativste, effektivste und erstrebenswerteste Möglichkeit präsentiert hat, unsere Talente zu nutzen. Wir wurden mit Publikationen bombardiert, die sich diesem Glauben widmeten und die Arbeit derer hochjubelten, die ihre Fähigkeiten und ihre Kreativität darauf verschwendeten, Dinge zu verkaufen, wie:

Katzenfutter, Körperpuder, Waschmittel, Haarwuchsmittel, gestreifte Zahncreme, Rasierwasser, Rasierschaum, Diäten zum Zu- oder Abnehmen, Deodorants, Sprudelwasser, Zigaretten, Kosmetik, Windeln und Slipper.

Mit Abstand die meiste Zeit und der größte Aufwand derjenigen, die im Bereich der Werbeindustrie arbeiten, wird für derart triviale Zwecke verschwendet, die nichts oder nur sehr wenig zu unserem nationalen Wohlstand beitragen.

Gemeinsam mit einem immer größer werdenden Teil der Bevölkerung haben wir den Sättigungspunkt erreicht, an dem die schrillen Schreie der Konsumwerbung nur noch purer Lärm für unsere Ohren sind. Wir denken, dass es andere Dinge gibt, für die es sich eher lohnt, unsere Fähigkeiten und Erfahrungen einzusetzen. Das sind Schilder für den Straßenverkehr oder für Gebäude, Bücher und Zeitschriften, Kataloge, Gebrauchsanweisungen, Industriefotografie, pädagogische Förderungsmittel, Filme, Fernsehbeiträge, wissenschaftliche und wirtschaftliche Publikationen und all die anderen Medien, durch die wir unsere Branche, unsere Erziehung, unsere Kultur und unser größeres Bewusstsein für die Welt voranbringen können.

Wir befürworten nicht die Abschaffung der auf Hochtouren laufenden Endverbraucherwerbung: Das ist nicht möglich. Genauso wenig wollen wir dem Leben irgendeinen Spaß entziehen. Aber wir beabsichtigen eine Umkehr der Prioritäten zugunsten nützlicher und lang überdauernder Formen der Kommunikation. Wir hoffen, dass unsere Gesellschaft Werbeleuten, ranghohen Geschäftsmännern und geheimen Verführern überdrüssig wird, und dass der Bedarf an unseren Fähigkeiten vorrangig für erstrebenswerte Zwecke angefordert wird. Das alles im Hinterkopf, wollen wir unsere Erfahrungen und Ansichten teilen und sie somit Kollegen, Studenten und allen anderen Interessenten zugänglich machen.“

Das Manifest beschreibt vor allem einen wichtigen Punkt: Ohne ein Umdenken der Auftraggeber und Konsumenten, wird es schwierig, als Designer etwas zu verändern. „Wir hoffen, […] dass der Bedarf an unseren Fähigkeiten vorrangig für erstrebenswerte Zwecke angefordert wird“, heißt es im Manifest. Was fordert es also? Es fordert ein Umdenken der Gesellschaft. Für Designer beschreibt es mehr ein gemeinsames Warten und Hoffen auf eine „bessere Zeit“.

1970 erschien „Design for the Real World“ von Viktor Papanek, eine anklagende Streitschrift für sozial und ökologisch verantwortungsbewusstes Design. Papanek wollte  damit aufrütteln und ein Zeichen setzten. Er sieht dabei alles aus dem Blickwinkel des Designers. Er attackiert ihn, „weil dieser seine Dienste der Industrie zur Verfügung stellt und sinnlose Produkte entwickelt und gestaltet.“

Er macht damit den Designer, die Designerin verantwortlich für den sozial und ökologisch unverantwortlichen Handel. Besonders wird dabei die Ausbildung der Designer*innen kritisiert. „Er brandmarkte die Design-Universitäten als Ausbildungsstätten von gewissenlosen Erfüllungsgehilfen der Wirtschaft.“

In den 80er Jahren entstanden durch das neue Bewusstsein für die Verantwortung des Menschen gegenüber der Umwelt die Begriffe „Green Design“ und „Eco-Design“. Dabei ging es darum durch intelligenten Einsatz der verfügbaren Ressourcen einen möglichst großen Nutzen bei minimaler Belastung für die Umwelt zu erzielen. Dieses nachhaltige Design hat den Anspruch materialeffizient, materialgerecht, energieeffizient, Abfall vermeidend und recyclinggerecht und logistikfreundlich zu sein. 

Im Jahr 1999 wurde Ken Garlands Manifest in einer überarbeiteten Version unter dem Titel „First Things First 2000“ im Adbusters-Magazin veröffentlicht. Es sollte zeigen, dass die Forderungen des Originalmanifestes nicht an Aktualität verloren haben.

Wie das Manifest in der Realität umgesetzt werden sollte war leider kein Teil der Publikation. In der Realität sahen die meisten in der Unterzeichnung wahrscheinlich eher einen symbolischen Akt, denn eine direkte Verpflichtung. 

Erik Spiekermann sagte dazu: „First things first ist meine Theorie. Meine Praxis ist, dass ich nicht zehn Leute entlassen werde, wenn ich vor der Wahl stehe, entweder für den Teufel zu arbeiten oder meine Mitarbeiter zu feuern.“

First Things First 2000:
„Wir, die Unterzeichnenden, sind Grafikdesigner, Art-Direktoren und Kommunikationsdesigner, die in einer Welt aufgewachsen sind, in der man die moderne Werbemaschinerie beharrlich als die lukrativste, effektivste und erstrebenswerteste Möglichkeit präsentiert hat, unsere Talente zu nutzen. Viele Designdozenten und Mentoren fördern diesen Glauben und der Markt belohnt ihn; eine Flut an Büchern und Veröffentlichungen bestärkt ihn zusätzlich.

Dahingehend ermuntert, nutzen Designer ihre Fähigkeiten und ihre Kreativität, um Hundekuchen, Designer-Kaffee, Diamanten, Waschmittel, Haargel, Zigaretten, Kreditkarten, Turnschuhe, Fitnessgeräte, light-Bier und Hochleistungswohnmobile zu verkaufen. Weil kommerzielle Arbeit stets die Rechnungen der Designer bezahlt hat, ließen viele Grafikdesigner es zu, dass Kommerz das Wesen der Arbeit eines Grafikdesigners ausmacht. Daraus resultiert wiederum, wie die Welt Design wahrnimmt. Die Zeit und Energie der Profession wird benutzt um künstliche Nachfrage für Dinge zu kreieren, die bestenfalls sinnlos sind.

Mit dieser Auffassung von Design haben sich viele von uns zunehmend schwer getan. Designer, deren Bemühungen sich vor allem auf Werbung, Marketing und Marken-Entwicklung konzentrieren, unterstützen und befürworten ausdrücklich ein Umfeld, das mit Werbebotschaften so gesättigt ist, dass sich die Sprache, das Denken, das Fühlen, das Reagieren und Interagieren der konsumierenden Bürger verändert. In gewisser Weise fördern wir damit alle einen unglaublich schlechten Diskurs mit der Öffentlichkeit.

Es gibt allerdings Ansätze, die unsere Problemlösungskompetenz viel mehr benötigen: Beispiellose ökologische, soziale und kulturelle Krisen fordern unsere Aufmerksamkeit. Es gibt zahllose kulturelle Interventionen, Sozial-Marketing-Kampagnen, Bücher, Zeitschriften, Ausstellungen, pädagogische Hilfsmittel, TV-Sendungen, Filme, Aktionen für gemeinnützige und mildtätige Zwecke und anderes, die dringend unser Know-how benötigen und Design-Handlungsbedarf erfordern.

Wir beabsichtigen eine Umkehrung der Prioritäten zu Gunsten von mehr nützlichen, dauerhaften und demokratischen Formen der Kommunikation – ein Umdenken, weg vom Produkt-Marketing, hin zu einer Entwicklung und Produktion von neuen Zeichen. Der Umfang der öffentlichen Debatten schrumpft, er muss erweitert werden. Das Konsumverhalten läuft unbestritten weiter, daher muss es durch andere Sichtweisen herausgefordert und in Frage gestellt werden; zum Teil eben durch die visuelle Sprache und das Design.

Im Jahre 1964 unterzeichneten 22 Kommunikationsdesigern die ursprüngliche Aufforderung, unsere Fähigkeiten sinnvoller zu nutzen. Mit dem explosiven Wachstum der globalen kommerziellen Kultur, ist ihre Botschaft nun noch dringlicher geworden. Heute erneuern wir ihr Manifest in der Erwartung, dass nicht noch weitere Jahrzehnte vergehen, bis man es sich zu Herzen nimmt.“

Es liegt auf der Hand, warum es so schwer ist, eine Lösung zu entwicklen, an der sich Designer*innen in ihrem Handeln orientieren können. Es ist die verstrickte Rolle der Designer im Kontext. „Design ist eine der kompliziertesten, komplexesten und bedeutsamsten Entwicklungen im Kontext von Kultur, Ökonomie und Sozialität. Mit Design hat man nicht die Chance auszubüchsen, wie in der freien Kunst, Musik und Literatur. Man hängt mitten in den Widersprüchen.“

Quelle – Literaturhinweise

Küenzeln, Bjoern: Designhelps – Design und Verantwortung, Merz Akademie, HfG Stuttgart, 2007, S. 18
Wikipedia (DE): Funktionalismus (Design) wiki http://de.wikipedia.org/wiki/Funktionalismus_(Design) 
Schneider, Beat: Design – Eine Einführung, Birkhäuser Verlag, Basel, Schweiz 2005, S. 114
Garland, Ken: First Things First, http://www.kengarland.co.uk/KG%20published%20writing/first%20things%20first/index.html
Stuiber, Peter: Victor Papanek: Der Designer als Missionar, in: diepresse.com, 20.06.2009, http://diepresse.com/home/leben/kreativ/488912/index.do Stand 05.01.2010
Wikipedia (DE): Ecodesign http://de.wikipedia.org/wiki/Ecodesign
Erik Spiekermann in: Baldwin, Jonathan / Roberts, Lucienne: Visuelle Kommunikation in Theorie und Praxis, Stiebner Verlag, München, 2007, S. 62
Frederic C. Erasmus, no no position: die Designer, der Designer, das Design, BoD – Books on Demand, 11. April 2012

“Design ist niemals unschuldig” Verantwortung im Design

Eine Notärztin rettet Menschenleben, ein Erzieher kümmert sich um unsere Kinder, wenn wir es nicht können, und ein Bäcker versorgt uns täglich mit frischen Backwaren. Aber welche Aufgabe übernehmen eigentlich Designer*innen in unserem komplexen Gesellschaftssystem? Wie relevant ist das, was sie tun? Und wichtiger noch: Welche Verantwortung tragen sie dabei?

Design macht unseren Alltag einfacher, bequemer und visuell ansprechender. Ein fataler Nebeneffekt: Das Design macht sich dabei oftmals zum Handlanger des Kapitalismus. Innovationswettbewerb und Nachfragestimulation befeuern nicht nur das Wirtschaftswachstum, sondern auch den Ressourcenverbrauch. Design ist damit einer der wichtigsten Verursacher der heutigen globalen Herausforderungen.
Die Disziplin kann aber auch Lösungen für diese Herausforderungen anbieten und intelligent sowie nachhaltig auf Bedürfnisse reagieren.

Neu sind diese Ansätze nicht. Bereits in den 90er Jahren sind Manifeste geschrieben worden, wie das »First Things First«, in dem sich namhafte Designer*innen zu einem verantwortungsvollen Umgang innerhalb ihrer Disziplin verpflichteten.  Ebenfalls warnte in den 1970ern Victor Papanek vor Produkten, die auf Kosten der Umwelt im Überfluss hergestellt werden. „Der […] Designer, Hochschullehrer und Autor sprach von der Verantwortung der Designer*innen der Gesellschaft und der Umwelt gegenüber, und sein ganzes Leben lang wurde er nicht müde, diese Verantwortung einzufordern. »Es gibt Berufe, die schädlicher sind als der des Industriedesigners, aber viele sind es nicht«, schrieb Papanek in seinem Buch “Design for the Real World

Es ist genau dieses Verständnis von Design als ein Mittel für gesellschaftlichen und politischen Wandel, das wir heute angesichts der Probleme, der sich die Welt gegenüber sieht, dringend brauchen. Soziale Ungerechtigkeit, Umweltverschmutzung und Konsumwahn sind seit Papaneks Zeiten nicht nur weitgehend ungelöst geblieben, sie haben sich zum Teil sogar noch zugespitzt. Die Frage, wie wir an diese Probleme herangehen wollen, kann nicht beantwortet werden, ohne Design in die Pflicht zu nehmen. Es ist die ureigenste Rolle von Design zu vermitteln – zwischen Mensch und Umwelt, Mensch und Technologie sowie zwischen Menschen untereinander.
Weder unsere materielle noch unsere digitale Welt lässt sich ohne Design verändern. Deshalb sind Designer*innen stets politische Akteur*innen. 

Ich lebe in einer Generation, die mit den Vorzügen der Globalisierung einer Konsumgesellschaft aufgewachsen ist, aber auch in Zukunft mit den Folgen dieser leben muss. Spargel im Winter, tropische Früchte im Müsli und Fernreisen nach dem Abitur habe ich lange Zeit wenig hinterfragt. Es war für mich und meine Generation nun mal schon immer so. Als ich damit begann mich mit den Folgen meines eigenen Konsums auseinanderzusetzen, begann auch ein Zweifel an der Wahl meines Studiums. Sind wir als Gestalter*innen nicht immer zwanghaft Teil des Konsums? Oder sogar die Auslöser und Verstärker? Ist ein Buch, dass über Müll in privaten Haushalten aufklärt aber nach dem einmaligen Durchblättern nur im Regal steht die Lösung oder gar Teil des Problems? 

Welche Antworten bietet die zeitgenössische Designpraxis auf drängende Fragen wie Ressourcenverschwendung, Umweltzerstörung und Klimawandel? Wie kann Design dazu beitragen, die Probleme der Welt, die es zum Großteil mit verursacht hat, zu lösen? Was kann, was soll Kommunikationsdesign erreichen? Wo verlaufen Grenzen, die regeln, was man im Kommunikationsdesign nicht sagen, zeigen, andeuten und bewirken sollte/darf? Hat der Designer, die Designerin nun die Möglichkeit die Welt zu verändern? Oder hat er sie nicht? Hätte er/sie die Pflicht, die Welt zu verändern? (Wenn er/sie denn könnte?)

Quellen:

Olga Petrenko, Design ist niemals unschuldig, Baumeister, 04.05.2021 (Abgerufen am  23. Oktober)

Ethik im Design, Potential und Wege für einen modernen, verantwortungsvollen Design Begriff und deren Umsetzung, Issu, Published on Dec 3, 2014 (Abgerufen am 23. Oktober. 21)

Design macht vielleicht das Leben schön – aber es gefährdet die Welt, Susanna Koeberle, nzz, 20.04.2018 (Abgerufen am 23.Oktober. 2021)

Curator‘s Statement, Amelie Klein, Co-Kuratorin der Ausstellung »Victor Papanek: The Politics of Design«,
design-museum, Reinhild Dettmer-Finke, „Design ist niemals unschuldig“, SWR, (Abgerufen am 23. Oktober. 2021) 

no no position: die Designer, der Designer, das Design von Frederic C. Erasmus (Abgerufen am 23. Oktober. 2021)