Zum Ende dieses Semesters möchte ich mit meinen bisherigen Erkenntnissen des Kurses zum Thema Gendersensibles Design im Employer Branding gerne zu einem Zwischenfazit kommen. Aus diesen möchte ich Schlüsse für die weitere Bearbeitung der Thematik ziehen.
Zu Beginn habe ich mich grundlegend mit einigen Begriffen der Gender Studies beschäftigt. Eine wichtige Erkenntnis hieraus war, dass mit „Gender“ keinen Falls eine natürliche Gegebenheit gemeint ist. Unterschiede zwischen den Geschlechtern haben sich aufgrund von gesellschaftlichen Strukturen und Zuschreibungen entwickelt und verfestigt. Biologische Merkmale sind dabei nicht die Grundlage von Gender, sondern bloß ein Teil dessen Entwicklung.
So wie jede Person von gesellschaftlichen Vorerfahrungen geprägt ist, die ihr Handeln bestimmen, sind es auch Designer*innen. In ihre Gestaltungen fließen immer, wenn auch unbewusst, Rollenbilder, Klischeevorstellungen und Vorurteile. So konnte bereits beobachtet werden, dass Frauen* und Männer* unterschiedliche Designansätze hervorbringen. Hinzu kommt, dass die Verteilung der Geschlechter in den unterschiedlichen Designdisziplinen sehr unausgeglichen ist. Während meiner Recherche habe ich mich verstärkt mit Literatur von Dr. Uta Brandes auseinandergesetzt. Sie ist Professorin für Gender und Design und stellt die These auf, dass es, bezogen auf Design so etwas wie Genderneutralität nicht geben kann, solange soziale Unterscheidungen von Geschlechtern bestehen. Der Ansatz des sogenannten gendersensiblen Designs als Gegenentwurf hat einen kritischen und sozial anspruchsvollen Charakter, in dem Wissen, dass Genderneutralität (fast) nicht zu erreichen ist. Für die Designpraxis bedeutet er zum Beispiel, dass möglichst in gemischt-geschlechtlichen Teams gearbeitet werden sollte sowie, dass Designschaffende eine gewisse Kritikfähigkeit und die Bereitschaft ihre eigene Arbeit zu hinterfragen mit bringen müssen.
Schon früh kam für mich die Frage auf, inwiefern es, wenn genderneutrales Design tatsächlich nicht möglich ist, vertretbar wäre, ein bestimmtes Geschlecht direkt anzusprechen. Eine Herangehensweise wie diese könnte zum Beispiel dann in Erwägung gezogen werden, wenn es darum geht, mit Stellenanzeigen gezielt Frauen* anzusprechen, weil sie bisher in einem Unternehmen stark unterrepräsentiert sind. Wenn allerdings gendersensibles Design bedeutet, davon abzusehen klischeehafte Darstellungen zu verwenden, man allerdings bestimmte Gender-Design-Codes für eine konkrete Ansprache nutzt, kann diese dann überhaupt nicht-klischeehaft sein?
Dazu habe ich mir im Laufe meiner Recherche einige Beispiele und Umsetzungen aus der Praxis angeschaut und schnell gemerkt, dass es tatsächlich zwei unterschiedliche Herangehensweisen zu geben scheint. Da wären einmal Design-Teams, die versuchen mit ihrer Gestaltung möglichst neutral zu wirken, wie zum Beispiel beim Branding für das Unternehmen Mylo und auf der anderen Seite beispielsweise der US-Mietwagenservice True Car, welcher in seinem Branding feminine und Maskuline Design-Codes kombiniert. Da gibt es eine harte, technische Seite, die sich eher männlich liest und eine weiche, farbenfrohe Seite, die einen weiblichen Eindruck macht. Mir persönlich haben die Designs am besten gefallen, die einen möglichst hohen Grad an Neutralität anstreben.
Bei der Themenvorstellung in meinem ersten Blogbeitrag habe ich eine Kampagne von VW vorgestellt, mit der konkret Frauen* überzeugt werden sollten, sich bei dem Unternehmen zu bewerben. Dabei nutzen sie Slogans wie z.B. „Think Tank Girl“ und verwensen Rosa- bzw. Lila-Töne. Bei Gestaltungen wie diesen ließe sich die Frage stellen, ob sich Personen, die sich als Frauen* identifizieren, angesprochen fühlen oder möglicherweise nicht ernst genommen. Um Fragen wie diese zu beantworten, könnte man innerhalb einer weiteren Erarbeitung des Themas qualitativ oder quantitativ abfragen, wie Stellenanzeigen wie diese auf die Zielgruppe wirken und inwiefern sie von diesen wirklich abgeholt werden. Wichtig wäre es hier, im Hinterkopf zu behalten, dass mit Forschungen, für die das Verhalten bestimmter Geschlechter untersucht wird, immer eine, meistens binäre, Unterscheidung dieser vorgenommen und weitergegeben wird. Die Gender-Forschung ist sich dieses Paradoxes schon lange bewusst, allerdings gibt es bisher noch keine einheitlichen und wirklich zufriedenstellenden Lösungsansätze. Deswegen gilt es bisher, reflektiert an die Thematik heranzugehen und Fragestellungen bzw. Ergebnisse jederzeit zu hinterfragen. Wie bereits eingangs festgehalten, möchte ich mich konkret mit dem Thema Gendersensibles Design im Bereich des Employer Brandings auseinandersetzen. Weil es dazu in einem sehr geringen Umfang Literatur gibt, habe ich mir zunächst genauer angeschaut, wie es generell mit dem Thema Gendersensibilität im Employer Branding aussieht. Insgesamt findet man auch hier nur wenige Forschungen, trotzdem lässt sich aus der vorhandenen Literatur herauslesen, dass Arbeitnehmer*innen von Genderawareness und Gleichbehandlung in Unternehmen nur überzeugt werden können, wenn diese Werte innerhalb der Organisation auch tatsächlich gelebt und umgesetzt werden. Es reicht also nicht, sich diese bloß „auf die Fahne zu schreiben“. Unternehmen, die sich wiederrum nachhaltig mit der Thematik auseinandersetzen, wirken nachweislich vor allem auf Frauen* als attraktivere Arbeitgeber*innen.
Ich habe mich außerdem konkret mit dem Thema Gender in Stellenanzeigen auseinandergesetzt und hier schnell gemerkt, dass sich Untersuchungen in dem Bereich vermehrt auf das Wording und weniger auf die Gestaltung der Anzeigen beziehen. Allerdings gibt es bereits bei den verwendeten Formulierungen noch immer Luft nach oben. Untersuchungen zeigen, dass Jobtitel (in Deutschland) zwar in den meisten Fällen durch ein „(m/w/d)“ ergänzt werden, trotzdem werden die Stellenbezeichnungen selbst nur in wenigen Fällen gegendert, bzw. geschlechtsneutral Formuliert. Studien zeigen, dass letzteres vor allem Frauen* von einer Bewerbung abhalten kann. Hinzu kommt, dass häufig Adjektive bzw. Charaktereigenschafften genannt werden, die als geschlechtsspezifisch wahrgenommen werden. So werden Begriffe wie „durchsetzungsstark“ als eher maskulin verstanden und solche wie „kommunikationsfreudig“ als eher feminin. Erneut kommt es dazu, dass Frauen* bei einer Verwendung männlicher Adjektive eher davon absehen, sich auf eine Stelle zu bewerben.
Insgesamt zeigt sich, dass Gendersensibles Design im Employer Branding ein Thema ist, welches bisher nicht nur unzureichend erforscht wurde, sondern auch in der Praxis, trotz großer Relevanz, noch nicht ausreichend mitgedacht bzw. umgesetzt wird. Es lässt sich auch feststellen, dass es eine sensible und reflektierte Vorgangsweise bedarf.