Grundlegend sind Schriften Geschichten die erzählt werden. Unsere Buchstaben transportieren eine Botschaft, während sie selbst als Botschafter dienen.
besonders spannend und deutlich wird diese Simultanität bei Plakaten, Spruchbändern und anderen Fragmenten die Menschen zum Protest mit auf die Straße nehmen.
Nur die wenigsten von diesen Menschen werden sich beim bemalen dieser Plakate wohl selbst als Grafikdesigner*innen bezeichnen. Doch zu diesen werden sie in dem Moment, wenn der Pinsel den Untergrund berührt. Jedes Banner erzählt eine persönliche Geschichte und gleichzeitig die Position einer gesamten Bewegung. Oft werden sie mit Wut, Trauer aber auch voller Hoffnung auf Veränderung verfasst und gestaltet.
Seit der Entwicklung von Druck- und Satztechnik wird diese auch zum Verbreiten von politischen Meinungen genutzt. Durch neue Entwicklungen in diesem Bereich gelang eine Verbindung aus Kunst und Aktivismus.
Die meisten der Bürgerinnen und Bürger, die Schilder für Protestmärsche oder Demos anfertigen, betrachten sich wohl nicht als Grafikdesigner, aber sie werden es, sobald sie den ersten Buchstaben auf ihr Spruchband malen.
Es ist allerdings nicht immer sinnvoll und hilfreich, den Kommunikationsmittel der Protestbewegung das Etikett
”Design” anzuhängen. Die Wissenschaftlerin Dori Tunstall hat untersucht, wie das Prinzip Design anthropologisch auf gesellschaftliche Organisationen angewandt werden kann.
Sie veröffentlichte im Jahr 2016 im WCCW’s Feminist Organisation Handbook einen Aufsatz, in dem sie zu dem Schluss kam, dass es für Protestbewegungen von entscheidender Bedeutung sei, auf die “irrelevante Unterscheidung zwischen Kunst, Handwerk und Design zu verzichten” und so Hierarchien aufzulösen, die es geschafft hätten , sich in den gesellschaftlichen Aktivismus einzuschleichen.
Künstlerische Proteste stoßen laut Tunstall am häufigsten auf Interesse und finanzielle Unterstützung. Einem Designorientieren Protest wird währenddessen “zu viel Professionalität” zugeschrieben.
Gesellschaft statt Marketing
Politisches Design bedient sich zunehmend der Open-Source-Idee, das heißt Entwürfe stehen nun zu freien Verfügung. Ein Beispiel dafür ist Shepard Faireys Plakatserie ”We the People”, die auf den Kampf gegen “die zunehmende Ausbreitung von Nationalsozialismus, Bigotterie und Intoleranz” zielt. Die Poster Reihe kann von jedem umsonst heruntergeladen werden und genutzt werden.
“Engagierte Designprofis verzichten zunehmend auf den materiellen Wert ihres geistigen Eigentums und den Schutz durch das Urheberrecht, da sie eine viel größere Wirkung erziehen, wenn sich ihr Werk frei verbreitet – angefeuert von der digitalen Technologie und einem breiten Protest”, sagt die Kuratorin des Design Museums, Margaret Cubbage. “Da hat sich einiges Verändert, und so zeigt sich auf einmal glasklar die Wirkung von Grafikdesigner für die Weitergabe und die Verbreitung einer Botschaft. Die Menschen sollen das Werk der Designer tatsächlich nutzen.
Ein weiteres Beispiel dafür ist das Plakatprojekt “Now You See Me Moria”, das Bewusstsein für die humanitäre Krise der EU schärft. Das Projekt hat über 422 Antworten von Designern zusammengestellt, die Poster eingereicht haben – von denen jedes heruntergeladen, gedruckt und im öffentlichen Raum platziert werden kann.Das Projekt wurde vom niederländischen Fotografen und Fotoredakteur Noemí initiiert und sah dann Qutaeba aus Syrien und Ali und Amir aus Afghanistan – Amir ist ein Flüchtling, der in Camp Moria lebt – zusammenkommen, um das Bewusstsein für die Situation zu schärfen. Seit August 2020 sammelt die Gruppe Geschichten und Fotos, um das Leben im Lager zu dokumentieren. Dies wurde jetzt zu einem Instagram-Account zusammengefasst, alles mit dem Ziel, das Bewusstsein in ganz Europa zu verbreiten.
Von Alltagskunst zum Museumsstück
Plakate und Spruchbänder, welche für Proteste entstehen, werden meist nur für eine kurze Dauer erschaffen. Sie sind nicht für den längeren Gebrauch gedacht. Trotzdem entstand nun eine Ausstellung welche diese Plakate und Schilder ausstellt. Alltagskunst wird hier zum Museumsstück.
Viele dieser Stücke bestehen rein aus typografischen Elementen. So auch die Flagge des Künstlers Dread Scott zur Unterstützung von Black lives matter. Das Werk erinnert an die Fahnen, welche zwischen 1920 und 1838 am Hauptplatz der Bürgerrechtsorganisation National Association for the Advancement of Colored People anlässlich der Lynchmorde an Schwarzen in den USA gehisst wurde. Die Flagge welche von Scott gestaltet wurde arbeite mit den gleichen sehr markanten weißen Versalien auf schwarzem Grund.
Fokus auf die Basics
Die leichte Verfügbarkeit von Materialen ermöglicht es immer mehr Menschen und auch Nicht-Designer*innen möglich immer mehr Protest Plakate und Poster zu erstellen.
Doch wie bereits erwähnt kann ein handgeschriebenes Plakat oft viel mehr aussagen als ein besonders perfektioniertes Werk aus dem Bereich des Grafikdesigns welches durch Technik und außergewöhnliche Schriften glänzt. Denn was die die Leidenschaft eines Protests am besten einfängt sind handgeschriebene Plakate.
Der Fotograf David Holbrook, welcher die Black Lives Matter Proteste in London fotografiert hat sagt, dass Schilder, die komplett handgemacht sind auch zeigen, dass jemand Zeit und Mühe in sein Anliegen investiert hat. Auch das macht es ausdrucksstark.
“Ein fetter Textblock garantiert, dass man ihn wirklich sehen kann”, fügt er hinzu. “Alles in Großbuchstaben gestezt….das will gehört werden; die typografische Form dafür, dass man seine Forderung herausschreit.”
Quellen:
itsnicethat.com/news/now-you-see-me-moria-graphic-design-100221
paradox.nl/product/now-you-see-me-moria/
kurier.at/politik/ausland/trump-black-lives-matter-schriftzug-ist-symbol-des-hasses/400959026
amplifier.org/free-downloads/
monotype.com/de/resources/expertise/typography-and-modern-protest