Kritische Bewertung zweier Masterarbeiten

Erläuterung zur Abgabe

Wer sinnerfassend lesen kann, ist klar im Vorteil – so heißt es im zynischen Spaß. Mir erging es im Falle dieser Aufgabe nicht ganz so; jedenfalls nicht, was das Lesen der Aufgabenstellung betrifft. Aus diesem Grund analysierte ich zwei Masterarbeiten anstelle von einer. Tatsächlich haben sich im Vergleich aber spannende Aspekte herauskristallisiert, weshalb ich beide Analysen präsentieren möchte. 

In meiner eigenen Masterarbeit möchte ich die Methoden der Konkrete Poesie in der typografischen Arbeit behandeln und selbst ausprobieren. In der Konkreten Poesie verlässt das Wort den poetischen Vers und wird zur visuellen Konstellation. Diese Handhabung von Inhalt und Schrift begann bereits bei den Futuristen und setzte sich in der Konkreten Poesie vor allem ab den 1950er-Jahren fort. Gerade in der zuletzt genannten Zeit wurde der Ansatz des Konkreten auch häufig für die Werbetypografie verwendet. In meiner Recherche nach Literatur zum Thema kam mir eine Masterarbeit am Institut für Germanistik an der Karl-Franzens-Universität Graz unter: „Leerstellen und Konkrete Poesie. Eine Analyse der Verwendungs- und Wirkfaktoren von Zwischenräumen im poetischen Werk von Franz Mon“, verfasst von Karin Bachmayer. Dass die Konkrete Poesie sowohl Gegenstand der visuellen Gestaltung als auch ein Forschungsthema der Literaturwissenschaft ist, liegt in der Natur ihrer Form. Als Texterin und Grafikdesignerin ist es genau diese Schnittstelle zwischen Inhalt und Form, die für mich so spannend ist. Aus diesem Grund wählte ich die Masterarbeit von Karin Bachmayer als (ersten) Gegenstand der Bewertung einer wissenschaftlichen Arbeit. 

Da diese Masterarbeit aber nicht aus meinem Fachbereich stammte, sich aber thematisch für mein Thema eignete, wollte ich noch eine zweite Masterarbeit aus dem Bereich des Communication Designs analysieren. Diese zweite Arbeit mit dem Titel „The Spoken Word in Typography“ von Ondrej Jelinek beschäftigt sich inhaltlich mit einem ähnlichen Thema wie die erste Arbeit, jedoch unterscheidet sie sich aufgrund des Fachbereichs hinsichtlich einiger Aspekte doch sehr. 

Ich möchte die nachfolgende Präsentation mit der Analyse der Arbeit aus meinem eigenen Fachbereich beginnen und hänge die Analyse der zweiten Arbeit aus dem Bereich Germanistik an. 

Masterarbeit aus dem Fachbereich Communication Design

Diese Masterarbeit von Ondrej Jelinek beschäftigt sich mit den gestalterischen Möglichkeiten, nonverbale Aspekte gesprochener Sprache in geschriebener bzw. gedruckter Form darzustellen. Zunächst behandelt die Arbeit semiotische und linguistische Theorien zur Verbindung von gesprochener und geschriebener Sprache. Daraufhin werden Beispiele aus der Konkreten Poesie bzw. aus Wort-Klang-Kompositionen analysiert. Anhand unterschiedlicher typografischer Werkzeuge wird im praktischen Teil der Arbeit erforscht, wie nun nonverbale Aspekte grafisch dargestellt werden können. Das Ziel der Arbeit ist, das gesammelte theoretische Wissen praktisch anzuwenden und durch die vorliegenden Experimente einen Nährboden für weitere Diskussion zu bieten.

Titel: The Spoken Word in Typography

Autor: Ondrej Jelinek

Universität: University of Applied Science and Arts Northwestern Switzerland

Fachbereich: Master of Arts in Visual Communication and Iconic Research

Publikationsjahr: 2013

Gestaltungshöhe

Die Gestaltungshöhe dieser Arbeit ist – meiner Meinung nach – als relativ hoch einzuschätzen. Dies ist der Fall, da der Verfasser es schafft, Typografie und Layout einer wissenschaftlichen Arbeit entsprechend in Einklang zu bringen. Die Gestaltung ist sehr klar und strukturiert, nimmt sich aber zurück. Dies vermittelt Ruhe und gibt dem textlichen Inhalt genügend Bühne. Die Wahl des Verfassers fiel auf Blocksatz mit eingerückten Absätzen. Für Titel und Navigation (Kolumnentitel, Inhaltsverzeichnis) wurde eine moderne Grotesk verwendet, für den Fließtext eine Serifenschrift. Die Schriftwahl zeugt vom Wissen des Verfassers, welche Schrift sich für lange Body Copies eignet und inwiefern trotzdem ein gewisser visuell auffallender Stil erreicht werden kann.

Innovationsgrad

Die Typografie setzt sich in der Regel mit dem geschriebenen Wort und seiner Anordnung auf einer Fläche auseinander. Diese Arbeit geht auf die Darstellung des gesprochenen Wortes ein, was vor allem in Grundlagenwerken der Typografie selten bis niemals Beachtung findet (Ich selbst kenne kein solches Werk.) Anhand von experimenteller Arbeit möchte der Verfasser versuchen, die nonverbalen Aspekte des gesprochene Wortes grafisch darzustellen. Es gibt Literatur im Bereich der experimentellen/expressiven Typografie bzw. Artikel über Typografie, die nach Willberg und Forssmann als „inszenierend“ klassifiziert werden kann, die auf Darstellung der Augenblicklichkeit gesprochener Sprache eingehen. Jedoch konnte innerhalb der Recherche keine Masterarbeit ausfindig gemacht werden, die sich anhand von Experimenten diesem Thema so eingehend widmet.

Selbstständigkeit

Der Verfasser setzt sich im ersten Teil der Arbeit mit den theoretischen Grundlagen auseinander und lässt diesen anhand praktischer Experimente Taten folgen. Diese praktische Arbeit erfolgt reflektiert und dokumentiert. Durch die Abbildung des Rechercheprozesses sowie die Entwicklung seiner Ergebnisse zeigt der Verfasser, dass er selbstständig an seinen Experimenten gearbeitet hat. Zudem schreibt er immer wieder, was und inwiefern sein Interesse für die Fragestellung der Arbeit geweckt wurde, womit er seine Eigeninitiative zu verdeutlichen versucht. Somit ist davon auszugehen, dass der Verfasser selbstständig gearbeitet hat. Inwiefern die betreuende Person Hilfestellungen gegeben hat, ist nicht beurteilbar.  


Gliederung und Struktur

Die Arbeit ist logisch aufgebaut bzw. gegliedert, folgt jedoch keiner Nummerierung. Die Kapitel tragen lediglich Titel, das Inhaltsverzeichnis führt diese Titel an und die Seite, auf der sie beginnen (siehe Abb. 1). Auf die Einleitung folgen einige Kapitel zur Theorie, deren Inhalte im praktischen Teil eine Verbindung erfahren. Da sich der Verfasser mit der Darstellung des gesprochenen Wortes auseinandersetzt, findet er unterschiedliche wissenschaftliche Bereiche, sich dem Thema zu nähern: Sprachwissenschaft, Kommunikationswissenschaft und typografische Theorien. 

Abb. 1 // Inhaltsverzeichnis ohne Nummerierung

Anhand der theoretischen Grundlagen erarbeitet der Verfasser konkrete Fragen, die er innerhalb des Kapitel „The Design Process“ beantworten möchte: What can be transmitted to the reader within the letterform? It is possible to visually represent the sound image of a word and thus narrow down its possible explanations? Where is the boundary between phonetic and visual? Can a form be articulated? Etc. Der Designprozess gliedert sich eigentlich in weitere Unterkapitel, die sich den unterschiedlichen Aspekten im Design widmen („Coding“, „Composition“, „Expression“). Diese werden jedoch im Inhaltsverzeichnis nicht angeführt, was für Leser:innen irreführend ist. Die (Nicht-)Strukturierung bzw. Nicht-Nummerierung der Arbeit mag gestalterisch ansprechend sein, ist aber für Lesende unpraktisch und unübersichtlich. 

Auf die Darstellung des Designprozess folgt die Zusammenfassung. In dieser fasst der Verfasser zusammen, welche theoretischen Ergebnisse seine Recherche erzielt hat. Seinen eigenen Designprozess nennt er „a journey without a certain ending, aiming to visually capture some of the invisible concepts we know.” und lässt eine Bewertung seiner praktischen Arbeit aus eigener Sicht völlig offen. Auf die Zusammenfassung folgen das Literaturverzeichnis sowie eine sehr umfangreiche Dokumentation des Designprozesses. In der gesamten Prozessdokumentation wird keinerlei Kommentar vorgenommen. Die Dokumentation ist eine reine Aneinanderreihung von titellosen Bildern. Aus meiner Sicht benötigt man nach Lektüre der Arbeit auch keinen Kommentar, jedoch wäre eine Art Navigation innerhalb der Dokumentation doch hilfreich um Querverbindungen zum Kapitel „Designprozess“ herstellen zu können. 

Kommunikationsgrad

Obwohl es sich um eine Arbeit an einer Schweizer Hochschule für Gestaltung handelt, wurde die Arbeit auf Englisch verfasst. Der Verfasser verfügt dennoch über das notwendige sprachliche Niveau, in englischer Sprache eine wissenschaftliche Arbeit zu verfassen und seine Beobachtungen innerhalb des Designprozesses verständlich beschreiben zu können. Der Text liest sich flüssig und logisch, auch wenn manchmal deutlich wird, dass es sich nicht um das Englisch eines Native Speakers handeln kann. Die Formulierungen sind jedoch – wie es das Englische vorsieht – kurz und aussagekräftig gehalten. Der Verfasser beherrscht es, mit wenigen Worten viel zu sagen und distanziert sich vom häufigen Gebrauch des „I“ oder „my“. Vielmehr wird oft das Passiv verwendet, was der wissenschaftlichen Tonalität gerecht wird. Lediglich die klare Kommunikation des inhaltlichen Aufbaus (siehe Gliederung) lässt zu wünschen übrig. 

Umfang der Arbeit

Die Arbeit umfasst insgesamt 230 Seiten, wobei 88 Seiten die eigentliche Arbeit darstellen und der Rest die Prozessdokumentation. 54 Seiten sind der Theorie gewidmet, 18 Seiten beschreiben den Designprozess selbst. Obwohl sich das Kapitel des Designprozesses eher kurz hält (ist er doch so maßgeblich für diese Arbeit), zeigt die Dokumentation des Prozesses, dass eingehende Recherche und Experimentieren vonstatten gegangen war. Damit ist der Umfang der Arbeit für den Abschluss eines Masterstudiums sicherlich in Ordnung. 

Orthografie sowie Sorgfalt und Genauigkeit

Orthografisch konnten keine Mängel festgestellt werden. Theorie und auch praktisches Experiment zeigen Sorgfalt in der Erarbeitung. Was nochmals festzuhalten gilt, ist die Prägnanz, mit der Gedanken wiedergegeben werden. Dies ist gerade im Vergleich zu einer auf Deutsch verfassten Arbeit sehr auffallend. Es bedurfte hier nicht vieler Worte, um doch viel Inhalt wiederzugeben. 

Literatur 

Die verwendete Literatur ist eine Mischung aus gedruckten Werken und Weblinks, wobei im Vergleich zu anderen aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten wenige Quellen aus dem Internet verwendet wurden (23 Printmedien versus 5 Webquellen). Die Bibliografie umfasst ältere Werke (vor 2006) sowie neuere Werke (nach 2006). Hinsichtlich der Tatsache, dass die Arbeit 2013 publiziert wurde, ist es jedoch auffallend, dass kein Werk in den letzten drei Jahren vor Publikation der Arbeit erschienen ist. Zwei Jahre stammen aus 2010 bzw. 2009, alle anderen sind älter. 

Die Zitationsweise, mit der der Verfasser arbeitete, beinhaltet keine Fuß-, sondern Endnoten: Zitate wurden mit Nummern versehen, die in einem Register von „Endnotes“ gelistet wurden. Dort findet man die Quelle, aus der das Zitat stammt. In einem separaten Literaturverzeichnis, das in „Bibliography“ und „Internet Sources“ gegliedert ist, findet sich die alphabetische Liste der Quellen. Bei den Endnoten sowie dem Literaturverzeichnis wurde sorgfältig gearbeitet.


Masterarbeit aus dem Fachbereich Germanistik

In ihrer Arbeit behandelt Karin Bachmayer die Leerstelle als gestalterisches Mittel in literarischen bzw. poetischen Texten. Das Augenmerk der Analyse liegt im Weiteren auf den Texten von Franz Mon. Bachmayer stuft die Leerstelle als Teil der Konkreten Poesie ein. Durch Betrachtung und Vergleich erläutert sie zunächst den Begriff der Leerstelle und leitet auf die Konkrete Poesie über. Sie stellt sich die Frage, welche Rolle das Wort und die Fläche auf der semantischen Ebene von Texten bzw. in der Konkreten Poesie spielt. Bachmayer möchte mit ihrer Arbeit darlegen, wie die Verbindung von Wort und Fläche auf Leser:innen wirken kann und soll. Sie betrachtet diese Verbindung zunächst im Allgemeinen und dann im Konkreten anhand der Poesie von Franz Mon. 

Titel: Leerstellen und Konkrete Poesie

Untertitel: Eine Analyse der Verwendungs- und Wirkfaktoren von Zwischenräumen im poetischen Werk von Franz Mon

Autorin: Karin Bachmayer 

Universität: Karl-Franzens-Universität Graz

Fachbereich: Germanistik

Publikationsjahr: 2018

Gestaltungshöhe

Die Arbeit liegt als digitales PDF vor, ist im Bestand der Universitätsbibliothek jedoch auch in gedruckter Version verfügbar. Am Institut für Germanistik gibt es formale Richtlinien, wie eine wissenschaftliche Arbeit zu gestalten ist. Die Arbeit entspricht diesen Richtlinien. Die Masterarbeit von Karin Bachmayer ist gut strukturiert und übersichtlich gestaltet. Die Arbeit wurde mit einer Serifen-Schrift (vermutlich Times New Roman) verfasst, die in unterschiedlichen Schnitten und Größen zur Anwendung kommt. Diese formale Gestaltung dient jedoch lediglich der hierarchischen Strukturierung und Übersichtlichkeit und scheint keine weiteren gestalterischen Ambitionen zu verfolgen. Die einzige Ausnahme hinsichtlich des Schrifteneinsatzes bildet die Seitenzahl, die in Calibri gesetzt ist. Dies hätte – auch innerhalb des vorgegebenen formalen Rahmens – an die ansonsten verwendete Schrift angeglichen werden können, ist vermutlich aus Gründen der Unachtsamkeit aber nicht erfolgt. Grundsätzlich zielt die Arbeit in ihrer Gestaltungshöhe vorrangig auf die klare Präsentation des Inhalts ab. Der Großteil der Arbeit besteht aus einem textlichen Layout. Abbildungen wurden integriert, um Inhalte oder konkrete Beispiele zu veranschaulichen. Dabei erfüllt die gestalterische Anordnung völlig ihren Zweck. Die Gestaltungshöhe bleibt demnach über das gesamte Dokument hinweg auf einem Grundniveau, das den Anforderungen an eine wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Literaturwissenschaftlich entspricht und das – aufgrund der vorgegebenen Richtlinien der Universität Graz bzw. des Instituts für Germanistik – wohl nicht hätte überschritten werden können. Zugleich zeigt die Inkonsistenz zwischen Fließtext und Seitenzahl aber, dass die Verfasserin der Gestaltung wohl auch wenig Beachtung geschenkt hat. 

Innovationsgrad

Im Zuge meiner Recherche stieß ich auf einige Aufsätze, die darauf hinweisen, dass die Konkrete Poesie in der Literaturwissenschaft oftmals vernachlässigt wird, da diese ja mehr der typografischen Gestaltung von Worten zuzuordnen sei. Alleine aus diesem Aspekt heraus, kann der Arbeit von Karin Bachmayer ein gewisser Innovationsgrad innerhalb ihres Fachgebietes zugeschrieben werden, da dieses in der Masse an Forschungsarbeit eher marginale Betrachtung erfährt. Dem gegenüber steht das Grafikdesign, das sich in Publikationen immer wieder mit der Konkreten Poesie als prägende Methode für die (Werbe-)Typografie auseinandersetzt. Ende 2021 erschien hier, zum Beispiel, das Buch „worte formen sprache. Über konkrete Poesie, Typografie und die Arbeit von Eugen Gomringer“, herausgegeben von Simon Mager. Karin Bachmayer setzt sich vor allem mit der Wirkung der Leerstelle innerhalb eines Textes auseinander – also einem eigentlich gestalterischen Detail, das jedoch auch inhaltliche Wirkung hat. Im Grafikdesign gibt es seit jeher Beiträge zur Bedeutung des Weißraumes, jedoch konnte ich keine Aufsätze aus der Designforschung finden, die sich konkret mit der Leerstelle als Weißraum innerhalb des Textes auseinandersetzen. Mit ihrer sehr spezifischen Fragestellung widmet sich Karin Bachmayer meiner Meinung nach einem Thema, das sowohl für die Literatur als auch das Grafikdesign von Bedeutung und deshalb durchaus innovativ ist. 

Selbstständigkeit

Die Arbeit gliedert sich in drei größere Themenbereiche: die Leerstelle und ihre Definition, die Leerstelle innerhalb der Konkreten Poesie und die Analyse der Leerstelle in den Texten von Franz Mon. Karin Bachmayer stützt ihre eigene Analyse im dritten Teil zunächst auf die Theorie, die sie in den vorangegangenen zwei Kapiteln darlegt. Unterschiedliche theoretische Grundlagen und Gedanken wurden darin auf eine verständliche Art und Weise zusammengetragen. Zudem erarbeitet sie einen Kriterienkatalog für ihre eigene Analyse. Dieser basiert zwar durchaus auch auf Beobachtungen und Beurteilungen aus anderen Schriften, jedoch schien die konkrete Auswahl der Kriterien und Konzeption des Kataloges selbstständig erfolgt zu sein. Auch die Analyse im dritten Teil der Arbeit erfolgt schlussendlich selbstständig. (Inwiefern die Betreuungsperson in dieser Analyse leitend war, ist aus externer Sicht nicht zu beurteilen). Bachmayer greift immer wieder auf analysierende Gedanken des Dichters selbst zurück, um Rückschlüsse auf konkrete Beispiele ziehen zu können. Auch dies scheint mir aus eigenständiger Recherche heraus passiert zu sein. Die Selbstständigkeit der Arbeit ist aus meiner Sicht also aus hoch einzustufen.

Gliederung und Struktur

Die Gliederung der Arbeit folgt einem logischen und verständlichen Aufbau. Auffällig ist, dass keine Abstracts inkludiert wurden, wobei davon auszugehen ist, dass dies wohl nicht aus Unachtsamkeit geschah, sondern keine formale Anforderung des Instituts für Germanistik war, an dem die Arbeit verfasst wurde. 

Ab der Einleitung werden alle Kapitel mit lateinischen Ziffern nummeriert. Zwei Kapitel widmen sich den theoretischen Grundlagen, ein drittes der Analyse. Das erste der Theorie-Kapitel verfügt über eine weitere hierarchische Ebene (2.1. bis 2.7.), das zweite Theorie-Kapitel sowie das Analyse-Kapitel werden um eine weitere hierarchische Ebene ergänzt (siehe Foto). Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über die inhaltlich relevanten Kapitel gegeben werden. 

Kapitel 1 – Einleitung

In der Einleitung legt Karin Bachmayer den Inhalt ihrer Arbeit sowie die Überlegungen zum Aufbau sehr detailliert dar – meiner Meinung nach, fast schon zu detailliert. Grundsätzlich gilt es ja, die Einleitung am Ende des Verfassungsprozess einer wissenschaftlichen Arbeit zu schreiben, da man nur zu diesem Zeitpunkt wirklich weiß, was im Weiteren folgen wird. Das hat Bachmayer definitiv getan, ist dabei aber etwas ausufernd geworden. Zu Beginn wird dargelegt, warum sich die Verfasserin mit Leerstellen befasst, welche Literatur verwendet wird und welches Ziel mit der Arbeit verfolgt wird. In der Folge gibt die Einleitung noch einen ausgedehnten inhaltlichen Überblick über die nachfolgenden Kapitel. Die Einleitung konzentriert sich damit weit mehr auf die inhaltliche Angabe als auf eine Herleitung der Relevanz der Arbeit oder spannende Aspekte/Resultate, die Leser:innen zum Weiterlesen animieren sollen. Diese inhaltliche Ausrichtung der Einleitung kann bewusst entschieden worden oder aus einem Mangel an Reflexion über die Relevanz der Arbeit entstanden sein. 

Kapitel 2 – Leerstellen: Definition und Konkretisierung

In diesem Kapitel wird auf die unterschiedlichen Arten von Leerstellen und die Rolle der Leser:innen in der Rezeption von Leerstellen eingegangen. Dies soll einerseits Lesenden einen Überblick über die Einteilungen geben, im Weiteren aber auch der Verfasserin die Möglichkeit bieten, die analysierten Leerstellen in Kapitel 3 einer Kategorie zuzuordnen.  

Kapitel 3 – Leerstellen und Konkrete Poesie

Dieses Kapitel befasst sich mit der Rolle der Leerstelle in der Konkreten Poesie. Die Verfasserin zeigt auf, wieso Leerstellen ein maßgeblicher Teil der Konkreten Poesie sind und warum Letztere oftmals aufgrund der Leerstelle erst funktioniert. Die Verfasserin geht in der Folge auch auf den Begriff des „Konkreten“ ein. Hierfür zieht sie Definiitonen unterschiedlicher konkreter Lyriker heran. Das Konkrete äußerst sich einerseits im Worte, andererseits in der Fläche, die das Wort umgibt und damit zum essentiellen Teil dieser Poesie wird. Über die Bedeutung der Fläche wird die Verbindung zur Leerstelle im Text hergestellt, deren semantische, syntaktische und materielle Wichtigkeit damit untermauert wird. Die bis dato erschlossene Theorie wird am Ende dieses Kapitel dazu verwendet, einen Kriterienkatalog für die weitere Analyse zu erstellen. 

Kapitel 4 – Leerstellen in poetischen Texten von Franz Mon

Karin Bachmayer analysiert die Bedeutung und Wirkung von Leerstellen anhand von sechs Poesie-Beispielen von Franz Mon. Sie erarbeitet hier einen zentralen Aspekt von Mons Texten: die grafische Darstellung. Die Anordnung des Textes, also seine Typografie, hat für die Verfasserin maßgeblichen Einfluss darauf, inwiefern die Leerstellen in den Texten nach Bedeutung und Wirkung den Kategorien zugeordnet werden können. 

Kapitel 5 – Zusammenfassung

In ihrer Zusammenfassung führt die Verfasserin aus, was das Ziel der Arbeit war, inwiefern sie dieses Ziel erreichen konnte und wo Probleme bei der aussagekräftigen Interpretation der Analyseergebnisse auftraten. Sie betont nochmals die Rolle der Leser:innen im Schaffen von Bedeutung und Wirkung von Leerstellen, bleibt den Lesenden jedoch einen Ausblick hinsichtlich weiterer Forschungsmöglichkeiten schuldig.

Kommunikationsgrad

Die Verfasserin beherrscht das literarische Jargon und die wissenschaftliche Tonalität, sodass die die Sprache ihrer Arbeit absolut angemessen ist. Ihr Formulierungen sind schlüssig – weder zu prägnant, noch zu verschachtelt. Obwohl die Erläuterungen teilweise kurzweiliger sein könnten, erschließt sich den Leser:innen stets, wovon die Rede ist. Inhaltliche Wiederholungen gibt es kaum. Die Verfasserin stellt zudem Bezüge zwischen den Kapiteln her, verweist auf bereits Erwähntes, was zu einem guten Verständnis ihrer Vorgehensweise führt.

Umfang der Arbeit

Die Arbeit umfasst insgesamt 94 Seiten. Sie enthält 44 Seiten Theorie sowie einen Analyse-Teil zu 31 Seiten. Die Analyse umfasst sechs unterschiedliche Werke, denen sich die Verfasserin eingehend widmet. Dadurch schafft sie eine gute Balance zwischen theoretischen Grundlagen und Überlegungen (Erstellung des Kriterienkatalogs) und ihrer praktischen Arbeit.

Orthografie sowie Sorgfalt und Genauigkeit

In der Lektüre der Arbeit ließen sich keine orthografischen Fehler feststellen. Auch das Literaturverzeichnis in seiner Gesamtheit sowie die einzelnen Zitationen bzw. Fußnoten am unteren Seitenrand scheinen sehr akkurat und sorgfältig erstellt worden zu sein. Hinsichtlich der Sorgfalt soll hier nochmals kurz auf die Gestaltung eingegangen werden: Es wurde bereits erwähnt, dass für den gesamten Inhalt eine Schrift verwendet wurde, die lediglich bei den Seitenzahlen nicht zum Einsatz kam. Da anzunehmen ist, dass dies keine gestalterische Entscheidung war, ist diese Inkonsistenz im Erscheinungsbild wohl auf eine Ungenauigkeit in der Schriftwahl zurückzuführen. Im Gesamten ist anzumerken, dass die Verfasserin inhaltlich und strukturell sehr sorgfältig gearbeitet hat, der Gestaltung über die formalen Anforderungen hinaus aber keine Bedeutung beimaß.

Literatur

Die Verfasserin verwendete unterschiedliche Primärliteratur für ihre Analyse. Die verwendete Sekundärliteratur setzt sich aus einer ausgewogenen Mischung aus Druckwerken und Online-Ressourcen zusammen. Auffallend ist die Verwendung vieler älterer Werke. Nur drei Werke stammen aus den letzten fünf Jahren vor der Publikation der Arbeit 2018. Viele Werke stammen aus den 1960er- und 1970er-Jahren, teilweise aus den 1990er-Jahren. Dies ist womöglich darauf zurückzuführen, dass die Konkrete Poesie von 1950 bis 1970 ihre Hochphase erlebte und vor allem in dieser Zeit auch Beachtung genoss. Am Anfang dieser Analyse wurde bereits angemerkt, dass die Erforschung der Konkreten Poesie innerhalb der Literaturwissenschaft eher eine Randerscheinung darstellt. Aus diesem Grund kann auch ein Mangel an fundierter zugänglicher Literatur entstanden sein.