Stylistic Categories for Found Footage Style Media – Structuring my Findings

Nach der Analyse zahlreicher Filme und auch Videospiele, die von diversen Gestaltungsmitteln im Found-Footage-Stil Gebrauch machen, versuchte ich eine gewisse Strukturierung zu erstellen oder Gemeinsamkeiten in Kategorien zu unterteilen. Ich stellte mir die Frage, wie diese diversen visuellen Effekte verwendet wurden, um einzigartige und immersive Erzählungen zu vermitteln und welche dramaturgische Funktion sie erfüllen könnten. Viele der spezifischen Einsatzmöglichkeiten wurden bereits in der vorhergehenden Analyse der einzelnen Filme behandelt.
Das sollte mir bei meinen weiteren Vorhaben helfen, diese Stilmittel gezielter und effektiver einzusetzen, da ich eine praktische Anwendung nach wie vor im Hinterkopf behalte.

#1 Immersion und Partizipation

  • Die Kamera existiert innerhalb der Erzählung des Films / Spieles, kein unsichtbarer Kameramann, wie in konventionellen Filmen
  • Durchbrechen der vierten Wand: direktes Sprechen in die Kamera oder zu potenziellen Finder des Materials.
  • Präsentation des „wiedergefundenen“ Filmmaterials als etwas “Reales”, vorgaukeln von Authentizität ( Texteinblendungen, Kamera Interface etc.)
  • Erleben der Erzählung aus der Perspektive des Kamerahalters / Ego-Perspektive: als Zuschauer sind wir hautnah dabei
  • filmische Zeit ist die erlebte Zeit des Geschehens, Schnitt ist deutlich erkennbar und filmische Ellipsen klar auszumachen, Desorientierung für Zuschauer (kann gezielt eingesetzt werden)

#2 Die Kamera als Protagonist – samt Charakter und Persönlichkeit

  • Effekte, die das Aufnahmemedium in den Vordergrund rücken oder das was dem Kameraträger zustößt widerspiegeln: Glitch-Effekte, Sensorschäden, Artefakte, Körnung, Flackern, Linsenschmutz, Lens Flare …
  • Kamera als Grund für Streit und Dialog (kann genutzt werden um Handlungen und Entscheidungen von Protagonisten in der Narrative zu steuern)
  • Praktische Werkzeuge und Anwendungsmöglichkeiten des Aufnahmegerätes: Nachtsicht, Taschenlampe, Infrarot, Blitzlicht, Sichtbar machen des Übernatürlichen, dramatisches Enthüllen usw.
  • Zeigen der Persönlichkeit des Kamerahalters in der Bedienung des Gerätes (Bewegung, technisches Verständnis, wie Kamera bedient wird etc.)

#3 Erzeugen von Spannung

  • Bewegungsunschärfe, Unschärfe, Verwackelungen, ungewöhnliche Bildausschnitte, das scheinbare Vergessen der Kamera und daraus resultierende undeutliche Sequenzen, hektisches Herumreißen des Gerätes, gezieltes Einsetzen von Autofokus…
  • Völlige Vermeidung direkter Darstellung der unmittelbaren Gefahr der die Protagonisten gegenüberstehen (Als Betrachter ist man gezwungen allein durch minimale visuelle Hinweise und Sounddesign Situation selbstständig zu vervollständigen oder Situation einzuschätzen)
  • Dramatische Beleuchtung, Atmosphäre, unnatürliches Licht: Die Art, wie Headlights, Taschenlampe oder Nachtsicht die Gefahr in der Dunkelheit enthüllen, hat etwas extrem dramatisches. Während wir gewohnt sind, dass natürliches Licht von oben kommt, lassen diese ungewöhnlichen Lichtsituationen alles sehr ominös und unnatürlich wirken. Das Thema dramatisches und cinematografisches Licht könnte im Grunde sein eigenes Analysekapitel sein. Die Kamera oder Taschenlampe als Lichtquelle ließe auch viel Freiheit zu, was das Gestalten des Lichtsetups angeht.
  • physikalische Effekte, die sich in der Kamerabewegung widerspiegeln (hektisches Davonlaufen, Erschütterungen, Hinfallen, verwundet werden des Kameraträgers etc.)
  • längere Sequenzen, in denen die Kamera ohne Besitzer ist (die andauernde Stille wird stätig unangenehmer und steigert die Erwartungen, dass bald etwas passiert / Wir sehen alles aus der Egoperspektive, daher werden auch wir als Zuschauer alleine zurückgelassen)


The Found-Footage-Aesthetic: A Closer Look #3

Als letzte kleine Analyse des Found-Footage-Stiles im Rahmen von Filmanalysen wollte ich „Cloverfield” (2008) unter die Lupe nehmen. Als einer meiner ersten Begegnungen mit dem Subgenre vor einigen Jahren und interessanter Kombination zwischen Found-Footage und Monsterfilm, war dies ein Film der bei mir persönlich bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Daher natürlich ein guter Abschluss für dieses Filmanalyse-Kapitel im Design & Research Projekt.

Nicht nur die Geheimhaltung von Paramount und J.J. Abrams verhalf dem Film damals zu einem Medienhype, auch viele virale Marketingkampagnen trugen dazu bei. Online-Communities stellten eigene Theorien auf und reagierten mit eigenen Recherchen, was den Film ungeplant stark promotete. Auch die Produktionsfirma von Abrams nutzte diese Tools und öffnete verschiedene Websites, die nach und nach von den Fans entdeckt wurden. Die Profile der Hauptfiguren des Films wurden auf MySpace erstellt, damit die Fans immer direkten Kontakt und Meinungsaustausch mit diesen Kunstfiguren haben konnten. Zudem wurde auch ein interaktives Comic gemeinsam mit den Fans geschrieben (auf der Profilseite von Hudson Platt) . Darüber hinaus wurden mehrere internationale fiktionale Nachrichtensendungen über die Ereignisse der ARG produziert und über YouTube und andere Videoportale verbreitet. In Japan wurde sogar ein eigener Manga veröffentlicht. – All dies zwar eher irrelevant für meine Vorhaben, aber nichtsdestotrotz sehr interessant was das Marketing des Filmens angeht.

Cloverfield Mystery Trailer 2008

Cloverfield (2008)

„Cloverfield“, ein mysteriös klingender, fiktiver Codename des Militärs für Vorfälle jener Art, zeigt in den ersten paar Minuten die Atmosphäre auf einer Abschiedsparty (Der Bruder des Hauptcharakters soll wegen eines lukrativen Jobs von New York wegziehen) Bruder Jason soll nun den ganzen Abend mit der Digitalkamera dokumentieren. Anfangs haben alle Gäste sichtlich viel Spaß, bevor die Feierlaune verfliegt, als eine gewaltige Explosionen die Stadt erschüttert.

Format und Bildkomposition
Im herkömmlichen 16:9 Format auf einer Videokamera gefilmt erkennen wir ganz klar, dass Jason, der beauftragt wurde die Party mitzufilmen noch nicht sehr vertraut ist, was die Kameraführung angeht und gerade am Anfang des Filmes erkennt man, wie er scheinbar noch versucht mit der Steuerung zurechtzukommen. Die Bilder sind relativ verwackelt, oft nicht im Fokus, auf beliebige Gegenstände gezoomt und er probiert herum. In diesem Format begleiten wir ihn und seine Freundin bei alltäglichen Tätigkeiten, bevor die Verantwortung der Kamera auf der Party an den Hauptcharakter, aus dessen perspektive wir den Rest des Filmes sehen, übergeben wird. Das Filmmaterial wirkt über den gesamten Film sehr authentisch und stimmig für eine Amateuraufnahme. Dies beinhaltet nicht nur zielloses herumreißen der Kamera, sondern auch teilweise ungewöhnliche Bildausschnitte, sehr dynamische Neigungen auf der Horizontale, ungünstige Lichtsituation und viel gefilmten Boden.

Präsentation des „Rohmaterials”
Der Film beginnt, als eine Videokamera vom US-Verteidigungsministerium eingeschaltet wird. Der eingeblendete Text weist darauf hin, dass die Kamera im Gebiet US447, früher bekannt als Central Park, gefunden wurde. Für Zuschauer wird somit simuliert, dass wir gerade das wiederhergestellte Filmmaterial zu sehen bekommen, das die Geschehnisse dieser damaligen Katastrophe aus Sicht von Augenzeugen zeigt.

Texteinblendungen, die offensichtlich bei der Wiederherstellung des Materials hinzugefügt wurden geben Referenz zum Zeitraum, in dem die verschiedenen Aufnahmen stattfanden und machen auch die Substory und Zeitsprünge besser überschaubar. – Jedoch dient es ebenfalls als weiteres Stilmittel, das uns vorgaukeln soll, dass es sich um „echte” und „gefundene” Videoaufnahmen handelt.

Kameraführung und Bildausschnitt
Die verwackelte Kamera ist wohl das ausschlaggebendste, wenn es darum geht, das Gefühl zu vermitteln, dass wir es mit einer dynamischen und „unpolierten” Amateuraufnahme zu tun haben. Wie so oft bei Found-Footage Filmen ist gerade bei action-geladenen Szenen das Bild extrem verwackelt, stockt teilweise und weist Videoartefakte sowie Störungen auf. Dies verstärkt das Gefühl inmitten des Geschehens zu sein und scheint ein gängiges Stilmittel des Genres darzustellen.
In solchen Situation ist es natürlich nachvollziehbar, dass man seine Prioritäten anpasst und man vergisst auch gerne wohin man gerade Filmt oder wie stabil man die Kamera hält.

Das Monster ist im Vergleich zu ähnlichen Filmen eher selten zu sehen, und wenn, dann ist es stets nur kurz im Bild. Die erste Sichtung des Monsters erleben die Hauptpersonen interessanterweise auf einem Bildschirm in einem kleinen Shop. Oft geschieht die meiste Action außerhalb des Kamerablickwinkels. Auch wenn dies nicht so extrem ausgeführt wurde wie bei Blair Witch Project” (man sieht die Hexe kein einziges Mal), das Vorenthalten eines klaren Bildes des Monsters erzeugt große Spannung und regt die Vorstellungskraft der Zuschauer an.

Die Kamera innerhalb der Narrative
Auch in „Cloverfield“ ist die Kamera oft ein Streitthema, da nach einiger Zeit des Davonlaufens und Überlebenskampfes von den Freunden des Hauptcharakters hinterfragt wird, ob es Sinn macht so versessen an dieser Kamera festzuhalten. Einerseits stärkt dies wiederum den Aspekt, dass es sich um Found-Footage handelt, erzeugt Drama in Bezug auf die Charakterbeziehungen, anderseits hätten wir als Zuschauer wenig zu sehen, würde der Kameramann auf die Kritik seiner Begleiter eingehen.

Effektspielereien
Das Filmmaterial springt oft zwischen scheinbar zufälligen Aufnahmen hin und her, die sehr im Kontrast zwischen der derzeitigen Katastrophe und dem gemütlichen oder romantischen Alltag der Protagonisten steht. Dabei erscheinen starke Sensorstörungen, Flimmern und Rauschen des Bildes. Diese Störungseffekte treten auch bei hektischen Szenen und Erschütterungen auf.

Auch die Nachtsichtfunktion der Kamera erweist sich als sehr hilfreich für unser Protagonisten und wird sehr eindrucksvoll und nervenaufreibend zum Einsatz gebracht, als sich nach völliger Dunkelheit zeigt, dass die Flüchtenden nicht alleine im U-Bahn Tunnel unterwegs sind. Nachtsicht ist ein Aspekt, der im Found-Footage Horror sehr effektiv zu sein scheint, da diese ungewöhnliche Lichtsituation und Färbung in sich bereits etwas unbehagliches aufweist. – Etwas das sich gut für meine mögliche praktische Arbeit anbieten würde.

Blutspritzer auf dem Objektiv der Kamera zeigen nicht nur das Zuschadenkommen von Charakteren außerhalb des direkt Gefilmten, sie verdeutlichen abermals, die unmittelbare Präsenz des Filmapparates innerhalb der Narrative und die dramatischen Geschehnisse, die wir durch diesen zu sehen bekommen.

In diesem Sinne werden neben der generell oft dramatischen Beleuchtung der Szenen auch Linseneffekte, Lensflairs, Partikel und Verschmutzungen des Objektives genutzt um uns an die Kamera zu erinnern und Immersion zu erzeugen.

Fazit und weiteres Vorgehen
Nach einigen dieser Analysen von verschiedenen Found-Footage Filmen ist ganz deutlich erkenntlich geworden, dass es einige Gemeinsamkeiten, Konventionen und gängige Stilmittel gibt, die ich als Inspiration und Leitfaden nutzen kann. Als nächsten Schritt im Rahmen der Lehrveranstaltung würde ich meine bisherigen Recherchen zusammenfassen und weitere Forschung bereits in Richtung Concept Art lenken und überlegen, welche Concept Designer bereits mit dieser Found-Footage-Ästhetik arbeiten, welche Beispiele es zu Concept Art in diesem Stil gibt, welche Workflows verwenden werden und auch wie ein Konzept einer Narrative über Keyframe Illustrationen oder Storyboards kommuniziert werden kann.

Literaturliste

  • Abrams, J. J., Burk, B. (Produzenten) & Reeves, M. (Regie). (2008). Cloverfield [Film]. United States: Bad Robot Productions, Paramount Pictures Studios, Spectrum Effects
  • artechock.com, Rüdiger Suchsland: https://www.artechock.de/film/text/kritik/c/clover.htm
  • IMDb.com: https://www.imdb.com/title/tt1060277/ (2008)
  • metacritic.com: https://www.metacritic.com/movie/cloverfield (2008)