In meinem letzten Blogpost stellte ich bekannte Bühnenbilder vor, nun widme ich mich einem weiteren Meisterwerk: Der Inszenierung von Richard Wagners Ring des Nibelungen durch Patrice Chéreau und Richard Peduzzi.
Der französische Film- und Schauspielregisseur Chéreau arbeitete über viele Jahre hinweg für Theater-, Opern- und Filmproduktionen mit dem Bühnenbildner, Maler und Architekt Richard Peduzzi zusammen. Im Zuge des 100-jährigen Bestehens der Bayreuther Festspiele 1976 schufen die beiden mit dem sogenannten Jahrhundertring eine einmalige Interpretation von Wagners Werk.
Regisseur Chéreau war damals um die 30 Jahre alt und hatte kaum Erfahrungen mit Operninszenierungen. Trotzdem ging man das Experiment ein und lies das Duo Chéreau und Peduzzi an den Aufführungen arbeiten. Chéreau hatte eine andere Herangehensweise als seine Vorgänger. Er ging davon aus, dass Richard Wagner in seinem Werk die sozialen und politischen Zustände seiner von Revolution geprägten Zeit widerspiegeln wollte. Konkret beschäftige er sich mit der kapitalistischen westlichen Welt im 19. Jahrhundert, die von Industrialisierung und sozialer Ungerechtigkeit geprägt war.
Der Ring ist eine Beschreibung der schrecklichen Perversion der Gesellschaft, die sich in dieser Erhaltung der Macht begründet, den Mechanismen eines starken Staates und der Opposition.
Patrice Chéreau
Chéreau inszenierte die Götter nicht als mythische unantastbare Wesen, sondern stellte inneren Zwiespalt klar dar. Es gab im Jahrhundertring von 1976 kein Schwarz/Weiß, kein Gut oder Böse, sondern viele Grauabstufungen. Peduzzis Bühnenbilder unterstützten Chéreaus Intention ideal und ließen die Botschaft noch klarer hervorkommen. Die Gedanken und Gefühle der Schauspielenden standen in ständiger Wechselwirkung mit dem Bühnenbild und ergänzten sich gegenseitig.
Das Publikum nahm die Inszenierung von Chéreau und Peduzzi extrem unterschiedlich auf. Die Gesellschaft der Festspielfreunde Bayreuth forderte gar eine Absetzung der Produktion. Andere jedoch begeisterten sich für die innovative Inszenierung. Diese gegensätzlichen Meinungen führten zu Tumulten im Publikum.
Chéreau und Peduzzi trafen mit ihrer Interpretation den Puls der Zeit. Das Deutschland von 1976 befand sich im Umbruch, was sich bis zu einem gewissen Grad auch im Stück wiederfand. Bis heute gilt die Inszenierung von Chéreau und Peduzzi als Maßstab für weitere Produktionen.
Der Filmemacher Brian Large dokumentierte die Produktion und hielt diese durch seine filmische Aufzeichnung auch für die Nachwelt fest.