Leere im Design: Japanischer Minimalismus

Leere, Ästhetik, Design.

Ästhetische Erfahrungen aus japanischer Sicht unterscheiden sich deutlich von westlichen Kulturen, da sie sowohl die Zurückhaltung als auch das Vergängliche als bewundernswerte Qualitäten sehen. Understatement ist eine Eigenschaft vieler Kunst- und Designobjekte in Japan, sowohl im historischen Kontext als auch in der modernen Ära.

Der Ursprung dieses minimalistischen Ansatzes, wurde unter anderem durch japanische Philosophen mitgestaltet, die sich in der Vergangenheit intensiv mit einer Vielzahl von Philosophien außerhalb ihres Heimatlandes auseinandergesetzt haben – vor allem mit der chinesischen, indischen, koreanischen und westlichen. So haben sie von einem reichen Fundus an Ideen und Theorien profitiert, aus dem sie bei der Entwicklung ihrer eigenen, unverwechselbaren Ästhetik, schöpfen konnten.

In den letzten Jahren haben besonders japanische Verfechter des Lifestyle-Minimalismus, wie Marie
Kondo und Fumio Sasaki, Bekanntheit erlangt. Ihre Theorien gehen davon aus, dass Objekt im eigenen Haushalt ein hohes Maß an Zuneigung benötigen. Wird in einem Objekt kein Wert gesehen, sollte dieses ausrangiert werden.

Today we seem to be experiencing a rationalisation of our senses: the art of refinement is half forgotten – details, absorption and slow engagement are neglected.

Olafur Eliasson

Der japanische Minimalismus betrachtet die Ästhetik von Design. Die ästhetische Qualität eines Produkts ist ein wesentlicher Faktor für Nützlichkeit, denn Produkte, die wir täglich benutzen, beeinflussen unsere Person und unser Wohlbefinden. Aber nur gut ausgeführte Objekte können schön sein. Gutes Design ist unaufdringlich: Produkte, die einen Zweck erfüllen, seien wie Werkzeuge. Ihr Design sollte, sowohl neutral als auch zurückhaltend sein, um dem Benutzer den Raum für Selbstdarstellung zu gewähren. Betrachten wir beispielsweise die japanische Flagge: Im Gegensatz zu anderen Zeichen, deren Bedeutungen genau festgelegt sind, können wir bei Symbolen wie der roten Scheibe in der japanischen Flagge unserer Phantasie freien Lauf lassen.

Die Lehre des leeren Raums begründet die Theorie, dass ein leerer Zustand die Möglichkeit der Empfänglichkeit mit sich bringt. Aus Nichts könne daher alles andere entstehen. Der Mechanismus der Kommunikation wird aktiviert, wenn wir ein leeres Gefäß nicht als einen negativen Zustand betrachten, sondern im Hinblick auf seine Fähigkeit, mit etwas gefüllt zu werden. Die alte japanische Religion des Shinto verehrt die “acht Millionen Götter”, aber wenn sie aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden, kann diese Leere als eine Technik der Kommunikation, als eine Vorstellungskraft, die Götter von überall her einlädt, verstanden werden. Ein Shinto-Schrein, jinja, ist ein zentraler Raum, in dem die religiösen Aktivitäten der Menschen stattfinden. Er wird auch shiro oder yashiro genannt, und sein Grundprinzip ist es, “die Leere zu umarmen”. In seiner ursprünglichen Form wurden vier Säulen auf den Boden gestellt und ihre Spitzen mit heiligen Seilen zusammengebunden, so dass ein “leerer Raum” entstand.

Gerade weil dieser Raum leer sein soll, besteht immer die Möglichkeit, dass etwas eintrifft. In einigen Fällen steht Weiß für Leere. Weiß als Nicht-Farbe verwandelt sich in ein Symbol des Nichtseins. Leere bedeutet jedoch nicht “Nichts”, sondern weist in vielen Fällen auf einen Zustand hin, der in der Zukunft wahrscheinlich mit Inhalt gefüllt werden wird.

Quellen:

Hara, Ken’ya: White. Lars Müller Publishers, 2010.

Heisig, James / Kasulis, Thomas / Maraldo, John C. In: Japanese philosophy. A sourcebook. University of Hawaii Press, 2011.

Haimes, Paul: On Japanese minimalism. 2020.

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