Visuelle Kommunikation – Ausbildung in Geschichte und Heute
Die Ausbildung zum Grafik Designer – und die Notwendigkeit einer solchen – wurde geschichtlich mit der Erfindung dieser Berufssparte und Begriffes erst notwendig. Davor gab es Setzer, Typografen, Schriftgestalter, Buchbinder, Plakatkünstler und viele mehr, die sich im Umfeld des Grafik Designs betätigten und jeweils ihre eigenen Lehrberufe oder freie künstlerische Grundlagen mitbrachten oder selbst erarbeiteten und in Zusammenarbeit Produkte der visuellen Kommunikation schufen. Kunst und Handwerk berührten sich. Mit der steigenden Nachfrage nach Gedrucktem, den sich entwickelnden technischen Möglichkeiten, dem zunehmenden Wettbewerb (und der „Erfindung“ der Werbung) und neuen künstlerischen Entwicklungen veränderten sich die Anforderungen an visuelle Kommunikation. Dadurch wurde ein viel breiteres Wissen notwendig. Das Zusammenführen von typografischem Fachwissen (zb. Setzer), technischem Know-How (zb. Buchbinder) sowie Wissen um Farbwirkung und Komposition (Künstler) und das Vermitteln von Kommunikationsbotschaften mit einem gewissen Zweck (Werbung, Publisher) erschufen einen neuen Berufszweig – die Gebrauchsgrafik – und unmittelbar in diesem Sog entstand die Notwendigkeit einer Ausbildung für diese neue Berufswahl.
Kunst entsteht oberhalb aller Methoden, sie ist an sich nicht lehrbar, wohl aber das Handwerk. Architekten, Maler, Bildhauer sind Handwerker im Ursinn des Wortes, deshalb wird als unerläßliche Grundlage für alles bildnerische Schaffen die gründliche handwerkliche Ausbildung aller Studierenden in Werkstätten und auf Probier- und Werkplätzen gefordert.
Walter Gropius
Wegweisend in Ausbildung und Stil ist das Bauhaus, welches unter Walter Gropius ab 1919 als Kunstschule konzipiert war. Neben einer klaren künstlerischen Ausrichtung wird ein Lehrsystem entwickelt, in dem zukünftige Architekten, Maler, Kunsthandwerker und nicht zuletzt Industriedesigner und Grafiker strukturiert in die komplexen Gestaltungsprozesse eingeführt werden. Das Konzept der Zusammenführung von Kunst und Handwerk ist wegweisend und wird im System des allgemeinen Vorkurses (in dem breite Grundlagen gelehrt werden) und die praktische Vertiefung in den Werkstätten (in denen immer ein Künstler und ein Handwerker lehren) auf bahnbrechende Art und Weise umgesetzt.
Große Namen prägen diese Ausbildung und erschaffen einen eigenen Stil – Bauhaus steht bis heute viel mehr für einen ideologischen Ansatz in der Gestaltung als eine Ausbildung – nur der kulturelle Kahlschlag des Nationalsozialismus konnte dem ein Ende bereiten. Die Fortführung des Bauhaus-Gedanken in der Hochschule für Gestaltung Ulm war nicht weniger prägend für die Designausbildung weltweit. Es sollten „…wissenschaftlich-technische sowie künstlerisch-gestalterische Fähigkeiten und Kenntnisse mit dem Bewusstsein gesellschaftspolitischer Verantwortung und Bildung…“[1] vermittelt werden. Wiederum wurde durch eine klare ideologische Linie – mit Ottl Aicher und seiner Nähe zum NS Widerstand als führende Persönlichkeit – neben der reinen handwerklichen Ausbildung auch eine ethische Grundhaltung gelehrt. Ebenso in direkter Nachwirkung von NS Deutschland entstanden mit der Flucht in die liberale Schweiz mit den Schulen in Basel und Zürich ein Lehr- und Designstil, der in ungebrochener Dominanz bis heute wirkt.
Die Liste der Lehrenden dieser Schulen liest sich wie ein Best-Of der Kunst- und Grafikdesign-Geschichte. Von Kandinsky, Moholy-Nagy, Gropius und Itten über Aicher bis hin zu Ruder, Hoffmann, Tschichold und Müller-Brockmann. Doch wie wirken diese Lehrmethoden und der Studienaufbau in heutige Design-Ausbildungen nach? Und ist dieses Vermächtnis noch zeitgemäß? Wie sehr wirken Handwerk wie Bleisatz und Drucktechnik im 21.Jahrhundert nach, oder haben diese Werte ihre Zielgruppe verloren? Die Berufsbezeichnung des Gebrauchsgrafikers ist ebenso Geschichte wie das Bauhaus, nach einer weiteren Komprimierung von verschiedenen Berufen in den des Grafik-Designers kann heute eine Gegenbewegung dazu festgestellt werden. Die Aufspaltung in vielfältige Teilbereiche wie UI/UX, 3D, Grafik-Design und viele mehr zeigen, wie vielfältig der Arbeitsbereich eines Kommunikationsdesigners sein kann. Wie kann man diese Vielfalt in einer Ausbildung abbilden? Wie unterrichtet man visuelle Ästhetik, gestalterische Verantwortung heute – oder wie sollte man das tun?
Aus der geschichtlichen Ausarbeitung der prägenden Lehrformen des Grafikdesigns sollen Schlüsse und Überlegungen, Theorien und Fantasien für eine zeitgemäße Form der Ausbildung im Bereich der Visuellen Kommunikation angestellt werden.
- Armin Hofmann—Reduction. Ethics. Didactics. Matthias Hofmann
- Die Geburt eines Stils | Der Einfluss des Basler Ausbildungsmodells auf die Schweizer Grafik | Dorothea Hofmann
- Hermann Eidenbenz. Teaching Graphic Design. Documents 1926–1955
- Unterricht am Bauhaus (1919-1933). Die Lehrer: Johannes Itten, Laszlo Moholy-Nagy und Josef Albers
- The Effectiveness of Teaching Methods Used in Graphic Design Pedagogy in Both Analogue and Digital Education Systems. Salman Alhajri
- original bauhaus. übungsbuch. Nina Wiedemeyer
- Bauhaus. Jeannine Fiedler
- [1] https://www.hfg-ulm.de/de/hfg-ulm/geschichte/