Zucker zaubert – Ein Vergleich von Werbespots

Im letzten Blogeintrag steht beschrieben, weshalb Kinder als eigene Zielgruppe im Marktsektor Lebensmittel gesehen werden und welche Marketingstrategien gezielt eingesetzt werden. Dieser Blogeintrag ist eine kleine Zeitreise durch die Werbewelt: Es werden ausgewählte Werbespots- und Videos aufgeführt und beschrieben. Anschließen folgt eine Zusammenfassung und ein Vergleich der Werbeaussagen. 

Südzucker: Zucker ist gesund und macht schlank (1954)

Vor knapp 70 Jahren wurde dieser Werbesport des Zuckerherstellers Südzucker ausgestrahlt. Der Werbeclip enthält folgenden Sprechertext:

Ach, wär’ das Leben traurig, gäbe es keinen Zucker mehr
Kinder hätten keine Freude, keine Lust zum Spielen mehr
Zucker zaubert
Zucker zaubert Energie – seht ihr? So gedeihen sie
Ach, wär’ das Leben hässlich, gäbe es keinen Zucker mehr
So ein hübsches, junges Mädchen wäre dicklich, rund und schwer
Zucker zaubert
Ihre Linie bleibt so schlank wie eine Pinie
Das lässt sich beweisen
Zucker zaubert – Nehm’ deshalb mehr

Zu Beginn wird die weibliche Hauptfigur als Kleinkind gezeigt, das keine Lebensfreude mehr empfindet (0:00 – 0:10). Darauf folgend wird der Zuckerkonsum visualisiert und das kleine Mädchen wächst zu einer Frau heran. Dargestellt in Unterwäsche wird sie zum Symbol von Wachstum und Weiblichkeit (0:10 – 0:17). Die nachfolgende Szene zeigt die Frau glücklich und selbstbewusst – das Lebensgefühl, welches sie nur mit dem Zuckerkonsum erreichen konnte (0:18 – 0:24). Als Vergleich wird anschließend die Hauptfigur „dicklich, rund und schwer“ dargestellt, würde es keinen Zucker geben (0:25 – 0:28). Zum Schluss wird nochmals die selbstbewusste, gesunde Frau gezeigt und der Werbeslogan „Zucker zaubert“ eingeblendet (0:29 – 0:39).


Mars: Mars ersetzt verlorene Energie (1962)

Ein weiteres Beispiel ist der Werbespot für den Schokoriegel Mars, der 1962 ausgestrahlt wurde. Folgender Sprechertext verspricht ebenfalls mehr Energie und Lebensqualität:

Halb Acht, halb Neun, halb Zehn, halb Elf – jetzt erst mal Mars
Ja, Mars
Denn in der Candycreme ist Traubenzucker, der schenkt rasch frische Energie
In Butterkaramell ist sahnige Milch, die erhöht die Ausdauer
Und die feine Vollmilchschokolade gibt neue Kraft
Das ist Mars. Mars schmeckt köstlich
Und vor allem Mars ersetzt verlorene Energie
Ja, Mars ersetzt verlorene Energie

Der Werbespot zeigt einen Mann, der nach stundenlangem Holzsägen keine Energie mehr hat (0:11 – 0:16). Er holt aus der Tasche seiner Arbeitskleidung den Schokoriegel Mars heraus und beginnt ihn zu essen (0:17 – 0:20). Danach werden die Zutaten gezeigt. Mittels eines Strichmännchens werden verschiedene sportliche Handlungen wie Beugen, Laufen oder Gewichtheben eingeblendet (0:21 – 0:29). Danach wird der Riegel und erneut die männliche Hauptfigur gezeigt, welcher wieder voller Energie sein Holz sägen kann (0:30 – 0:38). Zum Abschluss wird nochmal der Riegel mit dem Werbeslogan„[Mars] ersetzt verlorene Energie“ eingeblendet.


Nutella: Lebensbausteine für jeden Tag (2011)

Der Werbeclip der Nuss-Nougat-Creme Nutella wurde 1984 ausgestrahlt und zeigt die vermeintliche Zusammensetzung des Aufstriches.

Zu Beginn unterhalten sich zwei Söhne über den Einkauf ihrer Mütter, bis ihnen auffällt, dass eine von beiden nicht den originalen Brotaufstrich gekauft hat (0:11 – 0:12). Danach ist ein Mann in Laborkleidung zu sehen, der folgendes erklärt (0:13 – 0:30).

[…] 
Nutella ist nicht mit jeder Nuss-Nougat Creme zu vergleichen
Nutella hat nämlich summa summarum viel Eiweiß, Kalzium und Eisen
Das sind unentbehrliche Lebensbausteine
Sie machen Nutella so wertvoll. Also, auf die Lebensbausteine kommt’s an
Nutella – Lebensbausteine für jeden Tag. 

Der dargestellte Wissenschaftler setzt die einzelnen Zutaten als Bausteine zusammen und zeigt so die Zusammensetzung der wichtigen Zutaten. Er symbolisiert damit, wie wichtig und und vor allem wie gesund dieser Brotaufstrich ist.


Nimm 2: Lachgummi (2011)

Ein anderes Beispiel für die Süßigkeitenwerbung ist der Spot für „Lachgummi” von Nimm 2, der 2011 im TV gezeigt wurde. 

Im Spot sind Kinder zu sehen, die versuchen, die Kekse im Regal zu greifen. Gleichzeitig hört man die weibliche Sprecherstimme „Am liebsten würdest du den ganzen Tag naschen. Gut, dass ich da auch noch ein Wörtchen mitzureden hab’. […]“ (0:00 – 0:10). In der nächsten Szene erhalten die Kinder die Lachgummis – „Aber wenn ich mal ‚Ja‘ sage, dann geb’ ich dir Lachgummi.“ (0:11 – 0:14). Danach ist eine männliche Sprecherstimme zu hören: „In Nimm 2 Lachgummi ist alles Gute von Nimm 2. Fruchtsaft und Vitamine.“ (0:15 – 0:19). Anschließend sind wieder die Kinder zu sehen, die glücklich tanzen und Freude am Spielen haben (0:20 – 0:26). Am Ende ist erneut die männliche Sprecherstimme zu hören: „Nimm 2 Lachgummis. Vitamine und Naschen.“ (0:27 – 0:30). 

Durch die Werbeaussagen wird deutlich, dass die Lachgummi nicht zu gängigen Süßigkeiten gehören. Vielmehr werden sie als gesund dargestellt. Auch die Handlung unterstützt die Aussage, indem die Kinder mehr Lebensfreude ausstrahlen, nachdem sie das Produkt konsumiert haben.


Viktoria und Sarina als Beispiel für Werbung bei Influencer*innen (2020)

Nun wird ein Blick auf die heutige Werbung von Süßigkeiten geworfen. Anders als bei den bisher aufgeführten TV-Werbespots, wird die Werbung für Süßwaren in Social Media Kanälen aufgezeigt und beschrieben. Da bekannte Influencer die Produkte in ihren Videos anpreisen, werden sie mittlerweile als „Junkfluencer“ bezeichnet. Teilweise wird die Werbung als solche gekennzeichnet, in anderen Fällen wird die bezahlte Werbepartnerschaft nicht genannt.1

Als Beispiel hierfür ist die unbezahlte und unmarkierte Werbung der beiden österreichischen Influencer Viktoria und Sarina zu nennen. In diesem Clip backt eine der beiden Mädchen eine Oreo-Torte, dessen Geschmack sie beide sehr loben. Häufig veröffentlichen sie Beiträge und Videos, in denen sie die Produkte offensichtlich konsumieren und nicht darauf hinweisen, dass es Werbung sei. Unklar sind die Absichten hinter dieser Veröffentlichungen. Die Reichweite und Wirkungen für potentielle Sponsoren sind jedoch sehr naheliegend.2
Link zum Video

In einem anderen Video ist Viktoria zu sehen. Sie schwärmt von den Keksen „Cere Alé“ von Ferrero Kinder und weißt zwar darauf hin, dass es sich nicht um Werbung handle („Und nein, das hier ist gerade keine Werbung – schön wär’s!“ (0:11 – 0:12)), jedoch sind Produkt und Marke deutlich zu erkennen. Nach der ersten Kekssorte – Geschmack Nuss – erwähnt sie, dass sie „gesund“ schmecken (0:22 – 0:32). Die andere Kekssorte mit Schokolade sei viel besser ( 0:33 – 0:46). 
Link zum Video

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Die technische Umsetzung der Werbung hat sich natürlich im Laufe der Jahrzehnte verändert. Anfangs im Trickfilm angepriesen, werden heute immer noch Süßwaren als im Fernsehen oder auf Social Media Kanälen umworben. Auffällig ist die Botschaft, die sich durch alle Werbespots durchzieht: die zuckerhaltigen Lebensmittel bringen Lebensfreude und Energie in den Alltag. Die Werbung löst Emotionen aus und aktiviert den Besitzwunsch. Ohne die zuckerhaltigen Produkte sei er Alltag nicht zu stemmen oder die Spielfreude kaum möglich. Besonders auffallend ist der erst genannte Werbespot von Südzucker, der offensichtlich damit wirbt, dass Zucker sogar schlank und dünn mache. Abgesehen vom Frauenbild, das gezeigt wird, dürfte dieser Spot heute nicht mehr ausgestrahlt werden, da er Eigenschaften anpreist, die das Produkt nicht besitzt.

Kinder werden häufig als Schauspieler*innen eingesetzt, um die jüngeren Zuschauer anzusprechen. Die (unmarkierte) Werbung in den Clips auf Social Media führen die Influencer*innen durch, die als Vorbild von ihren Fangemeinden gesehen werden. Globale Konzerne sowie Familienunternehmen legen viel Wert auf das Influencer*innenmarketing, um die jüngere Zielgruppe für ihre Produkte zu begeistern.4 „Sie machen sich dabei die Idol-Funktion der Influencer*innen zunutze – auf Kosten der Kindergesundheit.“5 Zwar existieren bereits Gesetze, die Verbraucher*innen schützen sollen, jedoch wird oft die Grauzone für unmarkierte Produktplatzierung ausgenutzt. 

Storytelling und emotionales Design sind wichtige Faktoren um potentielle Kund*innen mit Werbespots oder -videos anzusprechen. In jeder Hinsicht sind emotionale Aspekte grundlegend für eine erfolgreiche Werbung. Positive Gefühle werden durch die glücklichen Darsteller*innen geweckt und mit dem Produkt assoziiert. 

Quellen:

1 vgl. Foodwatch: Junkfluencer. Wie McDonald‘s, Coca-Cola & Co. in sozialen Medien Kinder mit Junkfood ködern. Junkfood Report 2021, S.14 https://www.foodwatch.org/fileadmin/-DE/Themen/Kinderernaehrung/Influencer/Webversion_Junkfluencer_Report_2021.pdf – Zugriff am 05.11.2021
2 vgl. Ebd. S. 22 f.
3 vgl. § 5 Absatz 2 Satz 2 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG)
4 vgl. Foodwatch: Junkfluencer. S. 44
5 Ebd.

“Design ist niemals unschuldig” Verantwortung im Design

Eine Notärztin rettet Menschenleben, ein Erzieher kümmert sich um unsere Kinder, wenn wir es nicht können, und ein Bäcker versorgt uns täglich mit frischen Backwaren. Aber welche Aufgabe übernehmen eigentlich Designer*innen in unserem komplexen Gesellschaftssystem? Wie relevant ist das, was sie tun? Und wichtiger noch: Welche Verantwortung tragen sie dabei?

Design macht unseren Alltag einfacher, bequemer und visuell ansprechender. Ein fataler Nebeneffekt: Das Design macht sich dabei oftmals zum Handlanger des Kapitalismus. Innovationswettbewerb und Nachfragestimulation befeuern nicht nur das Wirtschaftswachstum, sondern auch den Ressourcenverbrauch. Design ist damit einer der wichtigsten Verursacher der heutigen globalen Herausforderungen.
Die Disziplin kann aber auch Lösungen für diese Herausforderungen anbieten und intelligent sowie nachhaltig auf Bedürfnisse reagieren.

Neu sind diese Ansätze nicht. Bereits in den 90er Jahren sind Manifeste geschrieben worden, wie das »First Things First«, in dem sich namhafte Designer*innen zu einem verantwortungsvollen Umgang innerhalb ihrer Disziplin verpflichteten.  Ebenfalls warnte in den 1970ern Victor Papanek vor Produkten, die auf Kosten der Umwelt im Überfluss hergestellt werden. „Der […] Designer, Hochschullehrer und Autor sprach von der Verantwortung der Designer*innen der Gesellschaft und der Umwelt gegenüber, und sein ganzes Leben lang wurde er nicht müde, diese Verantwortung einzufordern. »Es gibt Berufe, die schädlicher sind als der des Industriedesigners, aber viele sind es nicht«, schrieb Papanek in seinem Buch “Design for the Real World

Es ist genau dieses Verständnis von Design als ein Mittel für gesellschaftlichen und politischen Wandel, das wir heute angesichts der Probleme, der sich die Welt gegenüber sieht, dringend brauchen. Soziale Ungerechtigkeit, Umweltverschmutzung und Konsumwahn sind seit Papaneks Zeiten nicht nur weitgehend ungelöst geblieben, sie haben sich zum Teil sogar noch zugespitzt. Die Frage, wie wir an diese Probleme herangehen wollen, kann nicht beantwortet werden, ohne Design in die Pflicht zu nehmen. Es ist die ureigenste Rolle von Design zu vermitteln – zwischen Mensch und Umwelt, Mensch und Technologie sowie zwischen Menschen untereinander.
Weder unsere materielle noch unsere digitale Welt lässt sich ohne Design verändern. Deshalb sind Designer*innen stets politische Akteur*innen. 

Ich lebe in einer Generation, die mit den Vorzügen der Globalisierung einer Konsumgesellschaft aufgewachsen ist, aber auch in Zukunft mit den Folgen dieser leben muss. Spargel im Winter, tropische Früchte im Müsli und Fernreisen nach dem Abitur habe ich lange Zeit wenig hinterfragt. Es war für mich und meine Generation nun mal schon immer so. Als ich damit begann mich mit den Folgen meines eigenen Konsums auseinanderzusetzen, begann auch ein Zweifel an der Wahl meines Studiums. Sind wir als Gestalter*innen nicht immer zwanghaft Teil des Konsums? Oder sogar die Auslöser und Verstärker? Ist ein Buch, dass über Müll in privaten Haushalten aufklärt aber nach dem einmaligen Durchblättern nur im Regal steht die Lösung oder gar Teil des Problems? 

Welche Antworten bietet die zeitgenössische Designpraxis auf drängende Fragen wie Ressourcenverschwendung, Umweltzerstörung und Klimawandel? Wie kann Design dazu beitragen, die Probleme der Welt, die es zum Großteil mit verursacht hat, zu lösen? Was kann, was soll Kommunikationsdesign erreichen? Wo verlaufen Grenzen, die regeln, was man im Kommunikationsdesign nicht sagen, zeigen, andeuten und bewirken sollte/darf? Hat der Designer, die Designerin nun die Möglichkeit die Welt zu verändern? Oder hat er sie nicht? Hätte er/sie die Pflicht, die Welt zu verändern? (Wenn er/sie denn könnte?)

Quellen:

Olga Petrenko, Design ist niemals unschuldig, Baumeister, 04.05.2021 (Abgerufen am  23. Oktober)

Ethik im Design, Potential und Wege für einen modernen, verantwortungsvollen Design Begriff und deren Umsetzung, Issu, Published on Dec 3, 2014 (Abgerufen am 23. Oktober. 21)

Design macht vielleicht das Leben schön – aber es gefährdet die Welt, Susanna Koeberle, nzz, 20.04.2018 (Abgerufen am 23.Oktober. 2021)

Curator‘s Statement, Amelie Klein, Co-Kuratorin der Ausstellung »Victor Papanek: The Politics of Design«,
design-museum, Reinhild Dettmer-Finke, „Design ist niemals unschuldig“, SWR, (Abgerufen am 23. Oktober. 2021) 

no no position: die Designer, der Designer, das Design von Frederic C. Erasmus (Abgerufen am 23. Oktober. 2021)