Type Design: Ein zweites Experiment

Auf Basis einer Wortmarke soll eine gesamte Schrift entstehen

Mit meinem letzten Blogbeitrag habe ich den aktuellen Zeichensatz meines ersten Type Design-Experiments vorgestellt – der Variable Font „Play“. Auch wenn für „Play“ noch viel Muse und Zeit aufgebracht werden müsste, um daraus eine wirklich solide Variable Font zu machen, habe ich beschlossen, dieses erste Experiment vorerst abzuschließen, da ich noch weiter in der Schriftgestaltung experimentieren möchte. 

Ausgangspunkt zum zweiten Experiment

Als zweites Type-Experiment möchte ich eine weitere, dieses Mal jedoch statische Schrift gestalten. Unter der Anleitung des Lehrbeauftragten der FH Joanneum Daniel Perraudin habe ich mich auf die Suche nach Straßenschildern in Graz sowie einzelnen Wortabbildungen im World Wide Web begeben, die mich zur Gestaltung einer Schrift inspirieren würden. Die Idee dabei ist, nur ein Wort, bestehend aus wenigen Buchstaben, zu finden, die wiederum die Grundlage für eine gesamte neue Schrift bilden. Im besten Fall sollte es sich dabei um Custom Logos, also speziell gezeichnete Wortmarken, handeln, damit die daraus entstehende Schrift neue Züge aufweist und keine Kopie einer bereits bestehenden Schrift wird. Natürlich ist es schwierig, eine völlig neue Schrift zu gestalten, die sich von der bestehenden Fülle an Schriften völlig abhebt. Dies ist hier auch nicht der vorrangige Anspruch. Vielmehr geht es in diesem Projekt darum, sich mit der Form einiger weniger gegebener Buchstaben eingehend zu befassen, diese zu analysieren und ihren gemeinsamen Charakter herauszufiltern. Von diesen inhärenten Merkmalen ausgehend bzw. ableitend, sollen dann alle fehlenden Zeichen des Alphabets (Versalien und Gemeine) sowie auch Interpunktionszeichen und Zahlen gezeichnet werden.

Herausforderungen des Projekts

Die größte Herausforderung liegt im Herausfiltern der Eigenschaften und der Ableitung signifikanter Merkmale für ein grafisches System, das auf den restlichen Zeichensatz anzuwenden ist. In der Gestaltung einer Schrift geht es nicht nur um das Zeichnen einzelner Buchstaben, sondern vor allem auch um ihre Verwandtschaftsbeziehung. Höhen und Breiten, Rundungen und Stämme stimmen zwischen Buchstaben ähnlicher Form überein, damit die Schrift als einheitlich wahrgenommen wird. Darüber hinaus gilt es auch für das Spacing der Buchstaben sowie das Kerning einzelner Buchstabenpaare eine Einheitlichkeit zu finden, die den Satz homogen wirken lässt. Um diese Homogenität möglichst effizient zu erzielen, startet man in der Regel mit der Gestaltung jener Buchstaben, aus denen möglichst viel abzuleiten ist: dem kleinen n für die Gemeinen (x-Höhe, Kontrast und Bogenrundung) sowie H und O für die Versalien (Stamm bzw. Bogenrundung und dessen Übertretung der Grundlinie und Versalhöhe). (Vgl. Grabner: 2018, 30–41) Da im vorliegenden Projekt bereits Buchstaben gegeben sind, gilt es nun umgekehrt von diesen ausgehend einzelne Details abzuleiten und wiederum eine konstante Linie zu entwickeln. 

Vorlage für die Schriftentwicklung

Nachfolgend zeige ich die Abbildung, die als Grundlage für die Schrift dienen wird. 

Abb.1 Eine Wortmarke an einer Mauer als Basis für eine neue Schrift

Das Bild zeigt ein Logo als Signage an einer Betonmauer und stammt aus dem Internet. Es handelt sich dabei um eine sehr reduzierte Groteskschrift. Die Einfachheit der Schrift sagt dabei jedoch wenig bis nichts über die Schwierigkeit der Schriftgestaltung aus. Groteskschriften mögen einfacher in ihrer Form scheinen als Serifen-Schriften, jedoch verzeiht die Gestaltung keine Makel: 

„Schriftgestalter bemerken schnell, dass sich die Fehlertoleranz bei diesen Schriften jedoch verringert. Wo das menschliche Auge nicht durch Details wie Serifen geleitet wird, fällt der kleinste Fehler in der Proportion, im Grauwert oder in der Balance sofort ins Gewicht und wird wahrgenommen.“ schreibt Valentina Grabner (2018:31) in ihrer Masterarbeit zur Entwicklung ihrer Schrift Diva Olivia. Oder kurz: „Schlichte Eleganz macht die meiste Arbeit.“ so Karen Cheng (2014:114).

Warum gerade diese Wortmarke? 

Zugegeben: Es gäbe in Graz eine Vielzahl an alten Wortmarken an Hausfassaden, Tür- oder Geschäftseingängen, die ebenso gut Ausgangspunkt dieses Projektes sein hätten können. Warum also ein Bild aus dem Internet? Ich wollte schlicht nicht „irgendein“ Logo heranziehen, sondern eine Wortmarke, die ich selbst als überaus ansprechend und ästhetisch empfinde. Viele der alten Wortmarken, die ich auf einem Spaziergang durch Graz fand, waren üppig gestaltet, laut und schrill oder mit Schnörkel verziert. Mich selbst zieht es jedoch immer zur reduzierten Gestaltung. Ich stelle mir oft die Frage: Was kann meine Gestaltung noch entbehren? Was braucht sie eigentlich nicht, um trotzdem vollends das zu kommunizieren, was sie soll? Ganz im Sinne von Antoine de Saint-Exupéry, der sagte: „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.“ Was der Schriftsteller in seinen nur 44 Lebensjahren erkannte, ist zu einer leitenden Denke vieler heutiger Designer:innen geworden. Dem Maximalismus steht der Minimalismus gegenüber, der Reduktion und Simplizität zu seinem Leitbild erklärt hat. 

Der Designer Ken’ya Hara strebt mit seinem Gestaltungsansatz über diesen westlichen Minimalismus noch hinaus und folgt dem japanischen Konzept des „kanso“: „[Japanese Design is] fundamentally different from the European version of simplicity because Japanese minimalist design was not the result of pursuing the most rational, functional design.“, so Hara. Er führt weiter aus: “For the Japanese, it was a conscious, strategic materialization of nothing-ness. It was a careful process of eliminating each and every excessive frill in order to create an empty vessel, at once a vacuum but with a powerful center of gravity, toward which people’s consciousness and creativity would be drawn.” Er nennt diese Art des Gestaltens aus diesem Grund nicht Minimalismus, sondern „kanso“, was auf Japanisch so viel bedeutet wie „keine Rüschen, einfach und rein„ oder emptiness“, also Leere. 

Haras Vorstellung geht dabei weit über die erleichternde Reduktion auf das Wesentliche hinaus. Er bringt sein Konzept mit einem ökonomischen Vorteil in Verbindung, der die Zukunft maßgeblich beeinflussen soll:

He [Ken’ya Hara ] believes that locally unique aesthetics such as [the Japanese] “emptiness” can be critical economic resources to elevate our future beyond today’s materialistic society created by the globalized economy. He reminds us that “aesthetics” – our own ability to find beauty, excellence and happiness through our own senses and behaviors – has always been the third “hidden” button, after natural resources and resources, that we push to advance technology and quality of life, especially in Japan. We just forgot the importance of aesthetics as we busied ourselves in the game of economic efficiency. Now it is time to shift our focus towards aesthetics, suggests Hara, now that the ROI of efficiency-driven economic system is rapidly diminishing and our world is starting to suffer from its side effects such as resource constraints and climate change. Hara believes that by letting our world compete based on aesthetics, not the GDP, we could re-define affluence and happiness. (vgl. Fuji: 2017)

Hara propagiert also einen Paradigmenwechsel. Nach der Ausbeutung natürlicher und vom Menschen erzeugter Ressourcen zum Zwecke des technologischen Fortschritts sollen nun lokale Ästhetik-Konzepte wie das japanische „Kanso“ genützt werden. Nicht durch ein Immer-mehr, Immer-größer, Immer-schneller, sondern durch ein System des wertschätzenden Wettbewerbs ästhetischer Konzepte könnten nachhaltiges Glück und nachhaltiger Reichtum erreicht werden.  

Geprägt von Haras Gedanken hat sich meine Suche nach einer geeigneten Wortmarke als Basis für eine Schrift sehr an feinen Formen und Linien orientiert, die Buchstaben nur soweit zeichnen wie es nötig zu sein scheint. Ich frage mich: Mit wie wenigen Strichen kann eine Schrift auskommen und trotzdem spannend bleiben? Jedenfalls möchte ich meiner Schrift Raum zum Atmen und Spielraum für Interpretation geben. Während sich andere Schriften vielleicht an den gestalterischen Merkmalen vergangener Kunstepochen orientieren oder ein ganz bestimmtes Gefühl erzeugen sollen, möchte ich meiner Schrift möglichst viel „Leere“ schenken. Ihre Herkunft und ihr Charakter sollen nicht in, sondern zwischen den Zeilen gelesen werden.   


Quellenverzeichnis

Cheng, Karen. Anatomie der Buchstaben. Basiswissen für Schriftgestalter. 2. Auflage. Mainz: Verlag Hermann Schmidt, 2013

Fuji, Mihoyo. Kenya Hara and the aesthetics of “emptiness” [online]. 17.02.2007. In: zero = abundance. design your own happiness. Letzter Zugriff am 24.04.2022. Verfügbar über: https://www.interactiongreen.com/kenya-hara/

Grabner, Valentina. Diva Olivia. Ein Werk über eine Schrift, welche die Theorie sucht und scharfsinnig, elegant in die Welt hinausruft, unv. MA. Fachhochschule Joanneum, 2018. 

Abb.1: Eine Wortmarke an einer Mauer als Basis für eine neue Schrift. Quelle: Pinterest / Urheber anonym 

Comparing Millennials View on Minimalism And Maximalism in Web Design

In my last research session I came across a very interesting study. The aim of this study was to see if millennials who grew up with minimalism prefer a minimalist or maximalist website design.

Authors:

Ulrik Söderström

Lovisa Carlsson

Thomas Mejtoft

Minimalist web-design is characterized by portraying necessary information, content, and features in the most straight-forward and clean-cut way. On the other hand, maximalist web-design aims for bold color combinations, different textures, images, graphics, and animations. The year of 2018 was truly the year of maximalist web-design, though, some designers claims that the “less is more” movement is on its way (Söderström, Carlsson, & Mejtoft, 2019) p. 92

Naturally, both minimalist and maximalist webpages should be designed in a way which does not harm user experience and the information intake. In the article “Feature Richness and User Engagement” Jakob Nielsen summarizes that the more engaged users are, the more features an application can sustain. But most users have low commitment. Therefore, especially websites must focus on simplicity, rather than features (Nielsen, 2007).

(Söderström, Carlsson, & Mejtoft, 2019) p. 92

Minimalism in web-design means reducing all (unnecessary) elements which are unimportant for user tasks. A minimalist web interface has a clear hierarchy in elements, highlights the most important ones and gets rid of anything which might disturb the user’s perception. This helps to make important messages clearer ergo: it helps the consumer to navigate more easily on the website (Söderström, Carlsson, & Mejtoft, 2019) p.93

Web design, just like language is defined by the way people use it. As the term “minimalism is used widely, it is often hard to pinpoint the exact features of it. To get a clearer picture of minimalist web design features, this thesis refers to a study of the Nielsen Norman Group. In this study 112 minimalist websites were analyzed to find defining features of minimalist websites. The author(s) included a characteristic to be defining if it was present in at least 75% of the websites (Moran, 2015)

  1. Flat Patterns and textures
    Flat interfaces do not contain any elements like shadows, highlights or gradients or other textures which make the UI elements look three-dimensional. In the survey 96% of the minimalist websites were flat. Removing unnecessary elements totally falls into the philosophy of minimalist design. But: flat design often refers to textures, icons, or graphics of an interface whereas minimalism rather refers to larger content, features, and layout. So, an interface might be flat without being minimalistic. The problem with flat design is that the user often does not see if an element is clickable or not (as all the elements are flat). Clickable elements should be recognizable for the user easily, therefore it might be better to not work with flat icons there.
  2. Limited or Monochromatic Color Palette
    This trend was recognized in 95% of the sampled interfaces. In most minimalist websites color was specifically used to create visual attention without adding additional design elements of graphics. With less visual information, color palettes will stick out even more for the consumer. Many minimalist designs are often monochromatic or are using one bold color. Almost half of the investigated website (49%, 55 websites) used a monochromatic color palette and almost as many (46%, 52 websites) used one or two accent colors additional to the otherwise monochromatic color palette. Of those 55 monochromatic websites, 51 sites were exclusively using white, black, and grey shades.
  3. Restricted features and elements
    These characteristics were used in 87% of the investigated interfaces. In a minimalist environment, designers need to eliminate any element which is not required to support core functionalities or the message. Those elements could be: 
  • Menu items
  • Links
  • Images
  • Graphics
  • Lines
  • Captions
  • Textures
  • Colors
  • Fonts
  • Icons

As it is often hard to tell which elements are unnecessary a popular mantra of designers is “subtract until it breaks” which means that unless the absence of an element would cause serious problems, they get rid of it. It can be hard to find the right balance between having clean and reduced website and making sure to not make the primary tasks for the user overly complicated or difficult (Moran, 2015).

4. Maximize negative space
Through the elimination of certain elements, negative space, also called white space, is automatically created on a website. A maximization of white space was used in 84% of the examined websites. White space can help the user to absorb the presented information more easily as well as directing the user’s attention. The right use of white space helps to draw the users attention to the important content. 

5. Dramatic use of typography
When there is a reduced number of elements on the webpage, typography can be a great tool for communicating meaning. In this case the typography can compensate the “missing” elements like graphics or photos and makes the minimalist design more engaging. To establish a clear hierarchy on the website, different variations of font size, weight and style are crucial. Of the examined 112 minimalist webpages, 75% used typography to convey meaning of visual interest.

Additional widely used techniques on minimalist webpages which were found in less cases than 75% by the Nielsen Group were:

  • Large background images or videos
  • Grid layout
  • Circular graphic elements
  • Hidden global navigation

(Moran, 2015)

After examining the elements of minimalist web-design, the next paragraphs will look into the key features of maximalist design on websites.

The aim of a maximalist web-design would be an organized chaos of different hierarchies, layers, textures, graphics, typography, and colors. Several attributes of maximalist web-designed could be defined by a number of designers.

  • Grandiose colors: A maximalist web-design should use a large and bold color scheme. Can also contain clashing colors as well as combinations of new and exciting compositions. 
  • Bold Textures: Distinct textures can help to draw attention to certain areas. Those distinct textures could be created by mixing colors with layers of a palette. 
  • Brave combinations: Maximalist websites play with the combination of several elements like images, graphics, animations which contribute to an extreme look.

In the research of Söderström, Carlsson and Mejtoft, the aim was to find out if millennials would prefer a minimalist or maximalist web-design approach. Therefore, two websites were created, both representing one approach. Both websites contained the same content and information and conveyed the same message. The survey involved 16 participants who were classified as millennials. The survey conducted by Söderström, Carlsson and Mejtoft showed that more than half of the participants (62,5%) liked the maximalist webpage the most. 31.3% liked the minimalist webpage the most and 6.2% had no preference between the both pages. 100% of the participants answered that they thought, that the maximalist webpage was the most innovative. Also, 71% of the participants classified the maximalist webpage as “modern”. Participants who liked the maximalist page more described it as more unique, outstanding and that it does create more interest. Many participants perceived that the maximalist design of the webpage suited the content it was made for (an art portfolio). Participants who were in favor for the minimalist page said that the content was presented in a more straightforward way and that it made the content clearer. Further, this party perceived the maximalist page as a bit messy. 

It must be said that it is very hard to measure such a subjective matter like the likeability of a website. Furthermore, there are many ways a minimalist or maximalist webpage can be presented, and this study included just one sample. Nevertheless, the authors suggest that it might be case that millennials perceive a maximalist webpage as more innovative as they are used to minimalist design. It must the highlighted that a webpage, maximalist, or minimalist, must always fit the person as well as the purpose (Söderström, Carlsson, & Mejtoft, 2019) In this case, an art portfolio was perceived as a well fit for a maximalist website design, to convey a creative an exciting message.