Eine zweite Position

Nachdem ich im letzten Post den Zauberlehrling des Digitalen bemüht habe – eine Position die mir ehrlicherweise nicht besonders liegt – konnte ich dennoch einigen Ansichten einen gewissen Realitätsbezug nicht verwehren. Umso mehr möchte ich diesmal einen Gegenpart einnehmen, einen künstlerisch-ganzheitlichen Idealisten.

Zu den relevanten Fragen:

3. Wie sollte man den sich verändernden Arbeitsbedingungen in der Lehre begegnen? (technologische Entwicklungen, Trends)

Kritisch. Technologie ist immer nur ein Werkzeug, solange man weiß, was man weshalb erreichen will, ist ein Werkzeug austauschbar und lässt sich gerade in digitalen Zeiten sehr leicht erlernen. Trends haben ein Ablaufdatum und wiederholen sich, Gestaltung kann nur aus der Substanz heraus erfolgen und darf keine Dekoration im technologischen Wandel sein. 

4. Ist eine Spezialisierung oder eher eine Generalisierung der Ausbildung anzustreben? (wenige Bereiche sehr fokussiert und umfassend zu lehren oder viele Bereiche aufzuzeigen ohne zu sehr ins Detail zu gehen)

Die Generalisierung um Gestaltungsfragen ist ein Kernelement, unabhängig vom Anwendungszweck oder der Technologie; Kontrast, Form, Farbe, Komposition und Gewichtung sind universelle Prinzipien, ob für Bildaufbau im Film oder Screendesign. Wichtiges aus einer Masse an Information zu extrahieren, filtern und für Kommunikationsaufgaben aufzubereiten setzt ein breites Spektrum an Wissensgebieten und Interessen voraus.

5. Sind analoge Ansätze heute noch sinnvoller Bestandteil einer Ausbildung?

In der Rückbesinnung an alte, technologisch einfachere oder in den Möglichkeiten limitierenden Technologien liegt ein über der aktuell lieferbaren Softwareversion hinausgehendes, konzeptionell basiertes Verständnis von Gestaltung. Befreit von Trends, kann mit Reduktion auf wenige Mittel das Verständnis um grundlegende Zusammenhänge besser transportiert werden. Schließlich ist der Mensch ein analoges Wesen; dessen Erfahrungswelt sich zwar um Digitales erweitern lässt – tiefgreifende Erkenntnis; ein be-greifen; kann aber im analogen meist viel stärker gefördert werden. So kann beispielsweise in den limitierenden Eigenschaften von analoger Fotografie – eventuell verstärkt durch den gespiegelten Blick einer Mittelformatkamera mit Schwarz-Weiß Film – ein viel stärkeres Verständnis von Bildaufbau erreicht werden.

6. Macht Programmschulung in Zeiten von Youtube Tutorials noch Sinn?

Programmschulung darf als Teil einer zeitgemäßen Ausbildung nicht fehlen, kann aber nur einen untergeordneten, als Basis dienenden Anteil haben, da Programme viel zu schnell überholt sind oder durch andere ersetzt werden. Ambitionierte GestalterInnen werden immer einen Weg finden, die Werkzeuge so zu benutzen, wie es der Gestalterischen Idee und dem Konzept dient. 

7. Sollten möglichst viele Projekte aus der wirtschaftlichen Praxis gemacht werden oder mehr Raum für künstlerisches und intellektuelles Experiment gelassen werden?

Wirtschaftliche Realität soll nicht vollständig außen vor gelassen werden, die persönliche, gestalterisch-konzeptionelle Entwicklung muss jedoch in Projekten herausgearbeitet werden, deren Limits nicht allein durch das möglichst reibungsfreie Durchwinken von Kundengeschmäckern definiert sind. Gestaltung im Sinne einer gesellschaftlichen und sozialen Verantwortung muss das Ergebnis eines persönlichen Entwicklungsprozesses sein, der sich in künstlerischer und intellektueller Hinsicht selbst hinterfragen soll und als Experiment den Raum zum Scheitern geben muss. 

Grundlegend kann gesagt werden, dass eine Ausbildung, die GestalterInnen hervorbringt, welche sich nicht nur in der gegenwärtigen sondern auch in der zukünftigen Arbeitswelt; in Konkurrenz zu künstlicher Intelligenz; behaupten sollen, nur durch einen möglichst breit aufgestellten, kritischen und scharfsinnigen gestalterischenVerstand als oberstes Ziel auszeichnen kann. Im Kern der konzeptionelle Grundgedanke einer Kommunikationsaufgabe; das Herz der Botschaft, welche durch gezielte, bewusst eingesetzte Mittel der visuellen Kommunikation in den idealen Fluss zwischen Sender und Empfänger gebracht wird. Eine starke Grundlagenausbildung kann also nur im Zentrum dieser Ausbildung sein; Gestaltgesetze, Komposition und Wahrnehmung auf der visuellen Ebene, Konzeption und Ideenfindung sowie Informationsaufbereitungen und Kommunikation auf der geistigen Ebene. Die realitätsbezogene Umsetzung muss durch Mittel von Medien und Marketing unterstützt sein, nicht ohne jedoch gerade diese Aspekte kritisch zu hinterfragen. Die Anwendung dieser Prinzipien kann in verfeinerte Abstufung den jeweiligen technologischen Ansprüchen angepasst werden, jedoch darf die Anpassung nicht über die Anforderung gestellt werden. 

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *