The Found-Footage-Aesthetic: A Closer Look

Für meinen zweiten Blogeintrag würde ich mich gerne auf die ästhetischen Merkmale von Found-Footage-Filmen konzentrieren und anhand mehrere Filmanalysen diese kurz zusammenfassen. Dabei fokussiere ich mich weniger auf die Narrative der Filme selbst – ausgenommen, wenn diese durch spezielle Stilmittel zum Ausdruck gebracht wurden – sondern vielmehr auf die visuelle Beschaffenheit des “gefundenen” Materials.

Es liegt natürlich nahe, mit dem Film zu beginnen, der das Genre popularisiert und einen regelrechten Trend hervorgerufen hat, nachdem er im Internet Wellen schlug. Das Studio hatte bewusst Verwirrung in Bezug auf die Echtheit der Aufnahmen gestiftet und die gesamte Aufmachung des Filmes präsentiert sich als Zusammenschnitt des gefundenen Videomaterials vermisster Personen.

The Blair Witch Project (1999)

Sehr kompakt zusammengefasst handelt der Film von drei Filmstudenten, die verschwinden, nachdem sie in einen Wald in Maryland gereist sind, um dort einen Dokumentarfilm über die lokale Blair Witch-Legende zu drehen. Sie hinterlassen nur ihr Filmmaterial, das durch ihre Videokamera und eine 16-mm-Filmkamera entstanden ist. Als Zuschauer betrachten wir nun die gefundenen Aufnahmen.

Immersion und unmittelbares Dabeisein

Im Folgenden werde ich kurz Zusammenfassen, was mir bei der Analyse des Filmes Blair Witch Project aufgefallen ist und welche Stilmittel meiner Meinung nach das Found-Footage auszeichnen.

Bildausschnitt und Bildkomposition
Das Seitenverhältnis von 1,33: 1, fällt als erstes als Besonderheit auf und hebt sich bereits hiermit von moderneren Kino Formaten ab. Aufgenommen wurde das Filmmaterial mit einer älteren 16mm Kamera, die die Filmstudenten für ihren Dokumentarfilm wählten.
Was die generelle Bildkomposition auszeichnet ist zudem, dass abseits der Interviewaufnahmen, die die Filmstudenten von den befragten Dorfbewohnern erstellten, die Ausschnitte teilweise extrem verwackelt, verschwommen oder nur sehr schwer erkennbar sind. Teilweise bleiben für längere Zeit lediglich verschwommene Formen in ungewöhnlichen Blickwinkeln zu sehen, bevor der Fokus langsam schärfer wird und sich die Abbildungen konkretisieren. Längere Sequenzen sind völlig schwarz oder bestehen nur aus einem Rauschen, welches hin und wieder von einem kurzen Blick auf die unmittelbaren Geschehnisse durchbrochen werden.
Einige Momente lang wird auf die Kamera scheinbar auch komplett vergessen, sie wird grob zur Seite geworfen oder kurz auf den Boden abgelegt, ohne dass wir als Zuschauer genau erkennen, was gerade passiert.
All diese Besonderheiten weisen zum einen auf die Existenz der Kamera innerhalb der Narrative des Filmes hin, verdeutlichen, dass wir als Zuschauer das rohe Material zu sehen bekommen und wirft uns gemeinsam mit den Filmenden mitten ins Geschehen.

Why the 'Blair Witch Project' is an awful movie – The Other Press

Sensor und Kamera
Gerade in Szenen, welche in der Nacht gedreht wurden, fällt der hohe ISO Wert und ein extremes Rauschen der Kamera auf. Einige Sensorstörungen oder Glitches beim hektischen Hinlegen der Kamera verstärken das Gefühl, dass die Person, die wir begleiten völlig darauf vergisst, dass sie das Gerät mitführt. Uns wird als Zuschauer klar, dass die unmittelbare Bedrohung eindeutig Priorität hat. In diesen Sequenzen spielt das Sounddesign eine wesentliche Rolle und das meiste Geschehen spielt sich eher in unseren Köpfen als im Video ab.

Verschmutzung und Linse
Da die Schauspielstudenten, deren Aufnahmen wir sehen, an einem gewissen Punkt bereits mehrere Tage im Wald herumirren, legen sich zunehmend Verschmutzungen auf der Linse und dem Objektiv der Kamera ab. Gewisse Lichtsituationen erzeugen so verstärkte Linseneffekte und Artefakte.

Blair Witch Project, The (1999) - tbwp1999-1099 - high quality Horror  Movies screencaps gallery

Differenzierung der Kameras
Das Material der zwei verwendeten Kameras wurde scheinbar zusammengefügt und interessant ist, dass eine Kamera mit der gefilmt wurde, nur in schwarz-weiß aufnimmt, was es dann im Laufe des Filmes möglich macht, zu erkennen, aus welcher Sicht wir gerade am Geschehen teilhaben, bzw. welche Person die Kamera hält. Dies kann ebenfalls als Erzählungswerkzeug verwendet werden, um Zuschauern gewisse visuelle Ques zu geben, wo und wann man sich innerhalb der Geschichte befindet.

The Blair Witch Project (1999) - Photo Gallery - IMDb

Taschenlampe und Nachtsicht
Gerade Szenen in der Nacht, bei denen die einzige Lichtquelle der Kegel der Taschenlampe oder das Licht der Kamera ist und die harten Schatten, die das Dickicht des Waldes wie eine Gefahr aussehen lassen, erzeugen eine extrem angespannte Stimmung. Eine der verwendeten Filmkameras im Speziellen erzeugt einen sehr hohen Kontrast des Bildes und jeder Schatten wirkt bedrohlich.

Verwackeln des Bildes und Motion Blur
Etwas, das natürlich für große Dynamik in den Aufnahmen sorgt, ist das Verwackeln der Kamera bei jeder Bewegung der Protagonisten. Gerade, wenn diese vor etwas davonlaufen oder sich hektisch Bewegen, verleiht dies den Filmaufnahmen eine stark immersive Wirkung und die Dramatik der Situation wird verdeutlicht, da keineswegs mehr an das Ergebnis der mitfilmenden Kamera geachtet wird.
Es ist interessant, dass wir während des gesamten Filmes die Hexe selbst nie zu Gesicht bekommen. Der Horror des Filmes entsteht größtenteils dadurch, dass wir die Angst und Panik der Protagonisten miterleben, während jedoch die wirkliche Bedrohung zu keinem Zeitpunkt im Film klar zu sehen ist.

Die Existenz der Kamera innerhalb der Narrative
Auch wenn dies ein Aspekt ist, der vielleicht für meine Zwecke weniger relevant ist, möchte ich kurz auf die Rolle eingehen, die das Aufnahmemedium im Film spielt. Die Kamera ist immer wieder Grund für Auseinandersetzungen und Streitereien. Als Zuschauer werden wir konstant daran erinnert, dass die Kamera präsent ist. – Natürlich wäre der Film wenig spannend oder kurz, hätten die Protagonisten beschlossen, das Filmen abzubrechen. Daher spielt auch die Tatsache, dass die Studentin, die einen Großteil der Aufnahmen durchführte sehr versessen darauf ist, nicht mit leeren Händen zurückzukehren.

Literaturliste

  • Cowie, R., Hale, G. (Produzenten) & Myrick, D., Sánchez E. (Directoren). (1999). The Blair Witch Project [Film]. United States: Artisan Entertainment.
  • Norbert Groeben, Margrit Schreier, Christine Navarra: Das Verschwinden der Grenze zwischen Realität und Fiktion. Eine inhaltsanalytische Untersuchung zur Rezeption des Kinofilms „The Blair Witch Project“. In: Achim Baum (Hrsg.): Fakten und Fiktionen. Über den Umgang mit Medienwirklichkeiten. UVK, Konstanz 2002, S. 271–282.
  • Jane Roscoe: The Blair Witch Project. Mock-documentary Goes Mainstream. In: Jump Cut. Nr. 43, 2000, S. 3–8.: http://www.ejumpcut.org/archive/onlinessays/JC43folder/BlairWitch.html
  • imdb: The Blair Witch Project (1999): https://www.imdb.com/title/tt0185937/mediaindex?ref_=tt_ov_mi_sm
  • Christoph Elles, Dominic Grzbielok: Das Phänomen der Fälschung in den Medien. Fiktion und Wirklichkeit. VDM Müller, Saarbrücken 2007, (Kapitel Das Phänomen Blair Witch Project.) S. 16–81.

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