Zu Beginn des Jahres 2007 schockte der Bürgermeister von São Paulo, Gilberto Kassab, die PR-Branche seiner Stadt, indem er jede Werbung im Stadtbild verbieten ließ. Seither ist São Paulo die weltweit erste Metropole ohne Banner, Poster und Plakate.
Wie wirkt sich Werbung eigentlich bei uns auf StadtbewohnerInnen und ihre Lebensqualität aus?
Wer entscheidet über das Erscheinungsbild unserer Städte – wie könnte öffentlicher Raum alternativ aussehen?Einige Meinungen sagen Werbung im öffentlichen Raum sei undemokratisch. Wer das nötige Kleingeld hat, könne sich das Stadtbild nach seinen Wünschen formen. Alle anderen können sich nicht wehren oder „zurückschreien“, denn Reklame sei purer Monolog.
Verhindert Werbung im öffentlich raum also zum Beispiel Nachhaltigkeit anstatt sie zu fördern? Erfüllt Werbung im öffentlichen Raum ihren ursprünglichen Zweck als neutrale Produktinformation? Geht es überhaupt noch um die gezeigten Produkte? Oder setzt sie alle Tricks des Neuromarketings und der Verführung ein, und verschweigt bewusst, wie viel CO2 so ein Kurzstreckenflug nach Rom verursacht oder unter welchen Bedingungen die Näherin in Bangladesch unsere Kleidung herstellen und nähen?
Pappschilder mit Porträts der Politiker*innen sind in Deutschland nun schon seit einigen Wochen verschwunden. Die Kampagnen der einzelnen Parteien halten in der Zeit vor der Wahl gern als Small-Talk-Aufhänger her, aber mehr noch die Umdeutungen und Kommentare durch Sprayer. Dagegen ist die übliche Außenwerbung, die ganze Gebäude überzieht, kaum und selten ein Thema. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir diese aufgrund der alltäglichen Bilderflut schon nicht mehr bewusst wahrnehmen. In den 20er/30er Jahren stand beleuchtete Fassadenreklame noch für Fortschritt. Doch wofür stehen sie heute und welche Auswirkungen haben sie auf unsere Stadtgestaltung?
Störung und Belästigung sieht die Initiative „Amt für Werbefreiheit und gutes Leben“ in der Plakatierung des öffentlichen Raums und engagiert sich für dessen gemeinschaftliche Umgestaltung im Sinne eines nachhaltigeren Lebens ohne ständige Konsumverführung.
In São Paulo sind laut Umfragen zwei Drittel der Bevölkerung damit zufrieden, auch weil die Architektur wieder stärker in den Vordergrund tritt. Auch anderswo, wie in Zürich, wird darüber debattiert, ob weniger Werbung den öffentlichen Raum stärken würde.
Wird die Stadt ohne Werbung schöner? Oder verliert sie dadurch einen Teil ihrer Identität? Wäre der New Yorker Times Square nicht wieder zu erkennen wenn das Licht nachts aus bliebe? Auch bei Tageslicht wäre er wohl nicht mehr ein großer Anziehungspunkt und Touristen Hotspot. Inwieweit wäre ein Werbeverbot im öffentlichen Raum oder zumindest eine stärkere Reglementierung eine Freiheitsbeschneidung des Marktes oder gar Verlust an Information?
Tragen Gestalter*innen die Verantwortung dafür, womit die Gesellschaft im Alltag konfrontiert wird?
Gibt es überhaupt Alternativen für eine kreative und ethische Gestaltung der Stadt durch Design? Wofür können Designer*innen die Flächen nutzen welche im Moment durch Werbung gefüllt werden? Und wer hat ein Recht darauf zu entscheiden womit die Bewohner*innen einer Stadt täglich konfrontiert werden?
Werbepause, Sao Paulo hängt Plakate ab, 17. Mai 2010, 21:06 Uhr, Alex Rühle (Abgerufen
am 42. Oktober.21) https://www.sueddeutsche.de/kultur/sao-paulo-haengt-plakate-ab-
werbepause-1.225638
Stadt der Zukunft – werbefrei?, Liv Preßer, https://www.startnext.com/doku-werbung
Wunschtraum Werbefreiheit? Warum die Vision von Städten ohne Außenwerbung so
schwer umzusetzen ist, bund.net
„Braucht die Stadt Werbung?“ Diese Debatte führt BKULT in Zusammenarbeit mit der Initia
tive „Amt für Werbefreiheit und Gutes Leben“.,10. SEPTEMBER 2013, (Abgerufen
am 42. Oktober.21) https://bkult.de/de_DE/1130.braucht_die_stadt_werbung/