Kritische Bewertung einer Masterarbeit

Die Arbeit, welche von mir analysiert wird, ist die Master Thesis von Caitlyn Redden mit dem Titel „Typography for Non-Designers«, vom 12.10.2014 der Rochester Institute of Technology. Die Arbeit ist per se nicht im Kerngebiet meiner geplanten Arbeit, da sich meine Themenstellung nicht mit Nicht-Designern auseinandersetzen wird. Das Konzept der vorliegenden Arbeit hat als Zielsetzung die Vermittlung von typografischem Wissen an Laien und muss somit komplexe Inhalte auf wenige, essentielle Punkte fokussieren und auch einfache Weise kommunizieren und lehren, was für mich wiederum eine Relevanz für mein Thema ergibt.

Gestaltungshöhe

Der Grad der Qualität der Gestaltung wird von mir als mittelmäßig kategorisiert. Klar ersichtlich ist der Bezug zu wissenschaftlichen Papers, speziell was Struktur und inhaltliche Gliederung betrifft. Das Layout ist jedoch nicht im Standard Word Stil über volle Formatbreite bei 1,5 fachen Zeilenabstand gestaltet, sondern in ansprechender Schrift in asymmetrischen Raster gesetzt. Der Flattersatz lässt jedoch sehr zu Wünschen übrig. Eindeutig kann jedoch gesagt werden, dass kein Fokus auf eine gestalterische Aufgabe gesetzt wird, sondern der Versuch einer wissenschaftliche Arbeit angestrebt wird.


Innovationsgrad

Der Innovationsgrad lässt sich für mich durch zwei Sichtweisen analysieren. Die rein fachliche Komponente – das Aufarbeiten und Aufbereiten von typografischem Basiswissen – ist auch im Anbetracht einer als zeitgemäß zu bezeichnenden Darstellungsform (nämlich jener des animierten Videos) in keinster Weise als Innovativ zu bezeichnen. Die zweite Komponente – mit der bewussten Wahl der Zielgruppe als Nicht-Designer – bringt etwas mehr Relevanz in das Thema ein. In Summe muss der Innvoationsgrad aber auch an der Qualität der Produkte gemessen werden, welche sich zwar durch sehr komprimierte Form auszeichnen und somit der sehr geringen Aufmerksamkeitsspanne heutiger Medienkonsumation entspricht, aber damit auch sehr an der theoretischen Oberfläche des Themas bleiben.


Selbstständigkeit

Die Selbstständigkeit lässt sich durch eine sehr genaue Projektdokumentation als gegeben nachvollziehen, wobei vor allem der Teil des Scriptings; also das Recherchieren, strukturieren und komprimieren der zu kommunizierenden Inhalte; sehr im Verborgenen stattfindet – obwohl dieser Teil für mich in dieser Arbeit ein Wesentlicher ist. Vor allem auch ist hier die Quellenlage fraglich, es werden zwar Quellen genannt (die im Falle des Faches Typografie jedoch sehr sparsam gewählt sind), Zitate sind jedoch weder in indirekter, noch in direkter Form vorhanden. Angesichts der Tatsache, dass diese Arbeit offensichtlich den Fokus auf der wissenschaftlichen Form hat (siehe auch Abschnitt Gliederung und Struktur) ist dies für mich ein gravierender Mangel.


Gliederung und Struktur

Die Struktur ist jene einer detaillierten Werkbeschreibung, von Problemstellung über Research und Arbeitsprozess, Argumentation von Designentscheidungen und Beschreibung von technischen Herausforderungen bis hin zu den Tests des fertigen Produktes. Gerade dieser Ansatz und der umfangreiche Anhang mit den theoretischen Befragungen von Probanden lässt eben den Schluss einer sehr wissenschaftlich angesetzten Arbeit zu. Die Praxistauglichkeit ist für mich jedoch sehr fragwürdig, die Tests messen ein rein theoretisches Wiedergeben der Inhalte (die sehr komprimiert und kurz in den Videos vermittelt wurden, somit überschaubar in Sachen Komplexität für RezipientInnen), die praktische Anwendung (und somit auch der eigentlich der Problemstellung entsprechende Messgrad) bleibt ungetestet. Zwar wird im Proposal (in Anhang C angeführt) noch von einer qualitativen Testung (Gestaltung eines Flyers) gesprochen, dieser Test kommt jedoch in der Arbeit selbst nicht vor, es bleibt bei einer quantitativen Testung theoretischen Wissens.


Kommunikationsgrad

Vor allem die Storyboards und Designentscheidungen im Prozess sind gut bebildert. Das finale Produkt musste ich jedoch eigens recherchieren, es war in der Arbeit nicht dargestellt oder verlinkt.


Umfang der Arbeit

Der Kern der Arbeit ist mit ca 28 Seiten für mich gering eingeschätzt. Der Anhang mit den schriftlichen Tests nimmt nocheinmal so viel Platz ein. Im Arbeitspensum ist wohl aber die Organisation und Durchführung dieser Tests spürbar. Das Praktische Werk ist sicherlich im Arbeitsaufwand einer Masterarbeit würdig, wenngleich die Qualität des Ergebnisses bestenfalls mittelmäßig ist, selbst im Kontext des Animationsstandards von 2014.


Orthographie sowie Sorgfalt und Genauigkeit

Mir als Nicht-Native Speaker sind einige Fehler aufgefallen, somit gebe ich auch hier eine sehr mäßige Bewertung ab.


Literatur

Die Literatur ist zwar aus mir nicht ersichtlichen Gründen sogar mehrfach ausgewiesen, wie bereits erwähnt, wird aber vom Zitieren kein Gebrauch gemacht. Besonders aber ist der Umfang der Literatur sehr gering, gerade die theoretischen typografischen Grundlagen sind in großer Vielfalt als klassische und auch moderne Literatur findbar.

Quelle: Redden, Caitlyn, “Typography for Non-Designers” (2014). Thesis. Rochester Institute of Technology. Accessed from https://scholarworks.rit.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=9888&context=theses, 23.11.2022

Eine zweite Position

Nachdem ich im letzten Post den Zauberlehrling des Digitalen bemüht habe – eine Position die mir ehrlicherweise nicht besonders liegt – konnte ich dennoch einigen Ansichten einen gewissen Realitätsbezug nicht verwehren. Umso mehr möchte ich diesmal einen Gegenpart einnehmen, einen künstlerisch-ganzheitlichen Idealisten.

Zu den relevanten Fragen:

3. Wie sollte man den sich verändernden Arbeitsbedingungen in der Lehre begegnen? (technologische Entwicklungen, Trends)

Kritisch. Technologie ist immer nur ein Werkzeug, solange man weiß, was man weshalb erreichen will, ist ein Werkzeug austauschbar und lässt sich gerade in digitalen Zeiten sehr leicht erlernen. Trends haben ein Ablaufdatum und wiederholen sich, Gestaltung kann nur aus der Substanz heraus erfolgen und darf keine Dekoration im technologischen Wandel sein. 

4. Ist eine Spezialisierung oder eher eine Generalisierung der Ausbildung anzustreben? (wenige Bereiche sehr fokussiert und umfassend zu lehren oder viele Bereiche aufzuzeigen ohne zu sehr ins Detail zu gehen)

Die Generalisierung um Gestaltungsfragen ist ein Kernelement, unabhängig vom Anwendungszweck oder der Technologie; Kontrast, Form, Farbe, Komposition und Gewichtung sind universelle Prinzipien, ob für Bildaufbau im Film oder Screendesign. Wichtiges aus einer Masse an Information zu extrahieren, filtern und für Kommunikationsaufgaben aufzubereiten setzt ein breites Spektrum an Wissensgebieten und Interessen voraus.

5. Sind analoge Ansätze heute noch sinnvoller Bestandteil einer Ausbildung?

In der Rückbesinnung an alte, technologisch einfachere oder in den Möglichkeiten limitierenden Technologien liegt ein über der aktuell lieferbaren Softwareversion hinausgehendes, konzeptionell basiertes Verständnis von Gestaltung. Befreit von Trends, kann mit Reduktion auf wenige Mittel das Verständnis um grundlegende Zusammenhänge besser transportiert werden. Schließlich ist der Mensch ein analoges Wesen; dessen Erfahrungswelt sich zwar um Digitales erweitern lässt – tiefgreifende Erkenntnis; ein be-greifen; kann aber im analogen meist viel stärker gefördert werden. So kann beispielsweise in den limitierenden Eigenschaften von analoger Fotografie – eventuell verstärkt durch den gespiegelten Blick einer Mittelformatkamera mit Schwarz-Weiß Film – ein viel stärkeres Verständnis von Bildaufbau erreicht werden.

6. Macht Programmschulung in Zeiten von Youtube Tutorials noch Sinn?

Programmschulung darf als Teil einer zeitgemäßen Ausbildung nicht fehlen, kann aber nur einen untergeordneten, als Basis dienenden Anteil haben, da Programme viel zu schnell überholt sind oder durch andere ersetzt werden. Ambitionierte GestalterInnen werden immer einen Weg finden, die Werkzeuge so zu benutzen, wie es der Gestalterischen Idee und dem Konzept dient. 

7. Sollten möglichst viele Projekte aus der wirtschaftlichen Praxis gemacht werden oder mehr Raum für künstlerisches und intellektuelles Experiment gelassen werden?

Wirtschaftliche Realität soll nicht vollständig außen vor gelassen werden, die persönliche, gestalterisch-konzeptionelle Entwicklung muss jedoch in Projekten herausgearbeitet werden, deren Limits nicht allein durch das möglichst reibungsfreie Durchwinken von Kundengeschmäckern definiert sind. Gestaltung im Sinne einer gesellschaftlichen und sozialen Verantwortung muss das Ergebnis eines persönlichen Entwicklungsprozesses sein, der sich in künstlerischer und intellektueller Hinsicht selbst hinterfragen soll und als Experiment den Raum zum Scheitern geben muss. 

Grundlegend kann gesagt werden, dass eine Ausbildung, die GestalterInnen hervorbringt, welche sich nicht nur in der gegenwärtigen sondern auch in der zukünftigen Arbeitswelt; in Konkurrenz zu künstlicher Intelligenz; behaupten sollen, nur durch einen möglichst breit aufgestellten, kritischen und scharfsinnigen gestalterischenVerstand als oberstes Ziel auszeichnen kann. Im Kern der konzeptionelle Grundgedanke einer Kommunikationsaufgabe; das Herz der Botschaft, welche durch gezielte, bewusst eingesetzte Mittel der visuellen Kommunikation in den idealen Fluss zwischen Sender und Empfänger gebracht wird. Eine starke Grundlagenausbildung kann also nur im Zentrum dieser Ausbildung sein; Gestaltgesetze, Komposition und Wahrnehmung auf der visuellen Ebene, Konzeption und Ideenfindung sowie Informationsaufbereitungen und Kommunikation auf der geistigen Ebene. Die realitätsbezogene Umsetzung muss durch Mittel von Medien und Marketing unterstützt sein, nicht ohne jedoch gerade diese Aspekte kritisch zu hinterfragen. Die Anwendung dieser Prinzipien kann in verfeinerte Abstufung den jeweiligen technologischen Ansprüchen angepasst werden, jedoch darf die Anpassung nicht über die Anforderung gestellt werden. 

Ein Experiment – nun doch

Zumindest ein Gedanken-Experiment. Neben der im vorigen Artikel aufgeworfenen Frage der Eingrenzung, stellt sich natürlich sehr zentral – seit Beginn meiner Recherche – die Frage, was ein Möglicher Output, Produkt oÄ. im Falle der Weiterführung meines Themas bis zur Masterarbeit sein kann. Diese Frage darf ich nach wie vor mit einem Fragezeichen beantworten, ein Ergebnis (von vielen Möglichen) könnte ein Studienplan bzw eine ideologische Ausrichtung eines Designstudiums sein. Auch wenn dieses Ergebnis ein sehr theoretisches ist und mich schon in der Recherche der inhaltlich konkrete Übungsplan stärker interessiert hat, als tiefenphilosophische Überlegungen. Schließlich ist es für mich auch das, was ich einerseits im Berufsleben mache (mir aufgrund der Leistungen der Schüler und meiner Erfahrung aus der Berufspraxis heraus zu überlegen, welche Übung etwaige Problem löst) und andererseits muss auch die letzte Konsequenz einer tiefenphilosophischen Überlegung im Lehralltag ankommen, sonst bleibt sie Theorie. Ein Lehrplan ist jedoch die Basis für die Umsetzung in Übungs- und Theorieform, und dieser Lehrplan muss die Grundhaltung einer Ausbildung widerspiegeln – die Katze beißt sich also in den Schwanz.

Als Experiment möchte ich nun – im Warten auf Antworten – mir meine eigenen Fragen beantworten, und zum Zwecke der Grenzenauslotung radikalere Positionen beziehen, schlichtweg, um ein Spannungsfeld aufzubauen. Eine Position die ich beziehen möchte ist die eines wirtschaftlich orientierten Realisten.

Technologische Entwicklungen: Eine Ausbildung muss am allerneuesten Stand der Technologie sein um zukünftig wettbewerbsfähige Designer hervorzubringen. Neue Tools müssen detailliert gelehrt und eingesetzt werden, aus Zeitgründen muss eine starke Eigeninitiative der Studenten gefordert werden. Dies impliziert auch das Weglassen klassischer, veralteter Technologien, es hat keinen Sinn mehr, heute über Bleisatz und Geviert zu reden, aus diesem Wissen entsteht kein Vorteil.

Spezialisierung oder Generalisierung? Definitiv Spezialisierung. Nur Spezialisten können sich durchsetzen, es muss also sehr früh eine konkrete Richtung im Studium eingeschlagen werden. Allgemeine Wissensbereiche sind auf Kosten von Fachwissen vernachlässigbar, dieses Fachwissen muss in praktisch anwendbarer Form vermittelt werden. Eine Ausbildung im 21. Jahrhundert kann sich nicht leisten, nicht direkt im Berufsleben verwertbare Inhalte zu kommunizieren. Die Richtungen der Spezialisierungen können in einer gestalterischen Ausbildungsrichtung (keine Content-Erstellung) nur in Richtungen von UI/UX Design sowie Interaction Design bzw Motion Design gehen.

Programmschulung in Zeiten von YouTube Tutorials? Ja, weil ein professioneller Standard gelehrt werden muss, der als Grundlage für wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit dient. Die wichtigsten Anwenderprogramme müssen beherrscht werden und vor allem muss eine solide Basis an Programmierung beherrscht werden. In einer Berufswelt, die fast ausschließlich digital ist, muss das tiefgreifende Verstehen und selber anwenden des Werkzeuges Teil der Ausbildung sein.

Projekte aus der Praxis oder künstlerisches Experiment? Zweiteres ist zu vernachlässigen. Es werden Designer gebraucht, keine Künstler, dafür gibt es eigene Studien. Die Ausbildung muss ab den allerersten Grundlagen von möglichst realen Projekten begleitet werden. Anwendung kann nur im Industrie-Kontext sinnvoll sein. Nur dadurch kann der Berufsalltag vorweggenommen werden und ideal darauf vorbereitet werden. Projekte zur Selbstverwirklichung haben ihren Platz anderswo, in der Realität steht am Ende immer ein Kunde, der eine Arbeit kaufen muss. Die Umsetzung des gelernten in Praktika, welche thematisch genau zu überprüfen sind, muss in den Unterrichtsferien Zeiten verpflichtend sein.

Grundlegend kann gesagt werden, dass die Ausbildung eine hochspezialisierte, praxisnahe und in enger Verflechtung mit der Wirtschaft befindliche Systematik braucht, welche gezielt am Puls der Zeit ist, technologisch am allerneuesten Stand und diesen Stand in hoher Qualität liefert. Darum werden obsolet gewordene Lehrinhalte und Technologien entschieden abgelehnt, um im genau aus der Arbeitswelt definierten Berufsdefinitionen eine maximale Tiefe zu erreichen. Kernthemen sind Web-Developement, Usability, UX/UI Design, Data-Visualization, Motion Design usw. 

Fragen hinterFragen

Im allgemeinen mag man annehmen, dass das wichtigste an einem interessanten Interview ein interessanter Interviewpartner ist. Fürs erste mag das stimmen, zentral sind sicher spannende Ansätze und neue Ansichten in den Antworten. Voraussetzung dafür ist jedoch die richtige Fragestellung. Manchmal mag es funktionieren, dass man bei Personen wie am Start eines Filmes auf Play geht, und alles von selbst kommt. Doch das ist sicher die Ausnahme, vor allem, wenn man keine persönlichen Lebensgeschichten als Antworten erhalten will, sondern fachliche Einsichten. Genau dies war der Kern meines letzten Postings, zu definieren, wohin man einen Interviewpartner losschicken muss, um an einen spannenden Punkt zu kommen. Die Schwierigkeit besteht in dem Mittelmaß an Führung und Freiraum. Führung um einerseits nicht uferlos zu werden, aber andererseits die Gefahr, zu sehr einzuschränken oder eigene, vorgefasste Meinungen als Antworten zu erhalten und Neues auszuschließen. Darum also die Fragen möglichst allgemein halten – das war meine Devise.

Die Erfahrung mit dem ersten Interviewpartner zeige aber schnell, dass man damit auch Gefahr läuft, den Kontext zu verlieren. Gerade dieser Kontext ist auch eine sehr spannende Rahmenhandlung meiner Themenauseinandersetzung. Wo beginnt Design-Ausbildung? Wozu überhaupt? Was macht Designer wichtig für eine Gesellschaft? Was hat kreative Arbeit für einen Stellenwert? Wie wird dieser Zweig in der Ausbildung gewertet? Eine umfassende Beschäftigung mit dem Thema Designausbildung stößt wohl an diesen Punkt, sich zu fragen, wieso Menschen Designer*innen werden wollen oder sollen. Ob sich in einer rationalen, faktengesteuerten Gesellschaft ein Anstoß in eine neue, weniger verkopfte Welteinstellung als notwendig herausstellt. Wo soll das Herausbilden von kreativen Fähigkeiten begonnen werden? Diese Fragen wurden mir als Antwort auf meine eigenen Fragen gestellt – ich bin froh darüber, weil sie mir zeigen, dass ich die Eingrenzung meines Themas früher machen muss, als eigentlich gedacht. Ich fühlte mich sofort an Fröbl und seine Spielgaben erinnert – Erkenntnisse meines Research Teiles im letzten Semester, der genau in diese Kerbe schlug und eine grundlegende gestalterische Bildung schon in das Kindergartenalter legte. Und im weiteren auch an viele andere Ansätze von Design Schulen, die sehr bald eine sehr philosophische Anwandlung erhielten. 

Für mich führt dieser radikale Abriss aller Gegebenheiten jedoch zu weit. Ich will keine sozial-philosophische Basisdiskussion führen, dass mag dem damit einhergehenden Ausmaß geschuldet sein, aber wohl auch der Befürchtung ein allzu theoretisches Konstrukt bearbeiten zu müssen und nie zu einem praktischen Punkt zu kommen. Ich erkenne die berufliche Umgebungswelt des heutigen Designers als gegeben an (nicht ohne natürlich ein Hinterfragen und Ändern der Ausrichtung zu erlauben; beispielsweise ob es erstrebenswert wäre, in der Ausbildung ein künstlerisches Selbstbewusstsein über eine wirtschaftsgetriebene Hörigkeit zu stellen). Ebenso nehme ich eine Schulische Umgebung der jetzt-Zeit an, fordere keine revolution der Kindergärten und Volksschulen um weg vom auswendiglernen von Zahlen und Fakten zu kommen (auch wenn das durchaus ein wichtiger Diskussionspunkt wäre). Aber eben, wie gesagt, ich muss mir diesen Rahmen schaffen, um den Fokus nicht zu verlieren und meine Interviewpartner nicht auf eine Reise zu schicken, die wir beide nicht beenden können und vielleicht auch nicht wollen. Somit ergibt sich natürlich eine gewisse Unstimmigkeit, eine Ausbildung für die Zukunft zu denken sollte sich solche Fragen sicherlich auch stellen, solange man Gestaltung in einem sozialen Erziehungskontext für alle Menschen sieht – womit wir wieder bei dem Wert des Designers in der Gesellschaft wären.

Meine neuen Fragen sollen also diesem Gedanken gerecht werden, ich schicke meine Interviwepartner nicht mehr los um eine neue Welt zu finden sondern um ihre aktuelle zu Hinterfragen, und darum versuche ich, konkretere Ansätze als Diskussionsgrundlage zu geben – mit der Option auf Erweiterung. Natürlich bleibe ich damit im Risiko, interssante neue Ansätze in den Rahmenbedingungen die ich stelle erst gar nicht aufkommen zu lassen, allerdings hoffe ich da auf meine Gegenüber, ihre Ansichten einzubringen, ohne gleich die Welt umkrempeln zu müssen. Darum, nach den allgemeinen Fragen, die ich nochmal wiederhole, hier die aktuelle Liste meiner Fragen:

a. Wie lange sind Sie schon im Bereich Kommunikationsdesign tätig?

b. Welche designbezogene Ausbildung haben Sie?

c. Was haben Sie als positiv in ihrer Ausbildung in Erinnerung?

d. Was hätten Sie sich in Ihrer Ausbildung gewünscht?

e. Was ist ihre Kernkompetenz/Hauptbetätigungsfeld im Bereich Design heute?

f. Wie lange sind Sie in der Design-Lehre tätig, wie hat sich die Ausbildung in dieser Zeit verändert?

————

1. Wie ist das didaktische Grundkonzept an ihrer Ausbildungsstätte? (Lehrinhalte, Methoden, Schwerpunkte)

2. Was ist besonders gut am Modell Ihrer Ausbildungsstätte; was ist nicht gut, wo gibt es Verbesserungspotential?

3. Wie sollte man den sich verändernden Arbeitsbedingungen in der Lehre begegnen? (technologische Entwicklungen, Trends)

4. Ist eine Spezialisierung oder eher eine Generalisierung der Ausbildung anzustreben? (wenige Bereiche sehr fokussiert und umfassend zu lehren oder viele Bereiche aufzuzeigen ohne zu sehr ins Detail zu gehen)

5. Sind analoge Ansätze heute noch sinnvoller Bestandteil einer Ausbildung?

6. Macht Programmschulung in Zeiten von Youtube Tutorials noch Sinn?

7. Sollten möglichst viele Projekte aus der wirtschaftlichen Praxis gemacht werden oder mehr Raum für künstlerisches und intellektuelles Experiment gelassen werden?

Fragen über Fragen

Mein Thema und meine Recherchen des ersten Semesters eröffneten mir eine endlos erscheinende Welt an Konzepten, Ansätzen und Best-Practice Beispielen aus der Geschichte. Ich könnte darin ewig weitersuchen und ständig neue (alte), interessante Konzepte der Designausbildung finden, doch soll am Ende dieser Recherche keine geschichtliche Abhandlung, sondern der Blick in eine mögliche Zukunft stehen.

Aktuelle oder zukunftsorientierte Ansätze zur Design-Lehre sind meist weniger gut zugänglich als jene erfolgreicher Designschulen die Geschichte schrieben, außer Studienpläne von Universitäten und Fachhochschulen lässt sich oft nicht viel finden. Darum war die logische Konsequenz für mich, in diesem Semester meine Quellen von Büchern hin zu realen Personen zu tauschen.

Interviews mit Personen, die aus langjähriger, aktiver Erfahrung in der Sparte des Kommunikationsdesigns – aber vor allem auch in der Lehre desselben – interessante und fundierte Ansichten zu modernen Lehrinhalten und -methoden entwickeln konnten, sind für mich in diesem Semester das Mittel zum „Experiment“. Ich erhoffe mir davon neue Gedanken und Ansichten, die sich über Jahre aus der Praxis der Lehre aber auch der beruflichen Arbeitswelt ergeben konnten – im Jahr 2022 und nicht aus einer Zeit, wo der Fotosatz noch im kommen war. Die Interviewpartner*innen sollen dabei so breit wie möglich verortet sein, Ziel ist es auch, den österreichischen und auch den europäischen Rahmen zu erweitern und dadurch auch fremde kulturelle Konzepte zu nutzen. Die konkrete Liste der möglichen Gesprächspartner*innen wird Thema des nächsten Blogeintrages sein, hier versuche ich nun, einen strukturierten Fragenkatalog zu erarbeiten.

Der Plan ist, für mögliche Interviewpartner*innen die Hemmschwelle und den Aufwand zu minimieren, darum soll es eine kompakte Liste an Fragen geben, die im „worst case“ per mail beantwortet werden – im Best case kann ein Interview per Zoom o.Ä. stattfinden in dem die Fragen persönlich besprochen und erweitert werden können.

Persönliche Fragen

Um die Position der Person und ihre Ansichten verstehen zu können soll eingangs das Persönliche abgesteckt werden, Erfahrung in Designbereich und beruflicher Fokus. So erhoffe ich mir, gewisse Schwerpunkte der Lehre in den persönlichen Kontext der Person stellen zu können – ein Typograf wird Grundregeln eher in den Fokus stellen als ein digital Illustrator. Die Fragen dazu sollen sich aber kurz und kompakt halten:

Wie lange sind Sie schon im Bereich Kommunikationsdesign tätig?

Was ist ihre Kernkompetenz/Hauptbetätigungsfeld im Bereich Design heute?

Ausbildung

Die persönliche Ausbildung ist für mich deshalb wichtig, weil ich mir davon eine Erfahrungsspanne von Vergangenheit bis heute erhoffe, ebenso wie ein eigenes kritisches Hinterfragen der Pros und Contras der am eigenen Leib erlebten Ausbildung. Was hat aus diesen vergangenen Zeiten noch Bestand? Welche Grundlagen sind heute wie damals relevant und was unterrichten wir nur mehr aus „Gewohnheit“? Die Fragen dazu:

Welche designbezogene Ausbildung haben Sie?

Was haben Sie als positiv in ihrer Ausbildung in Erinnerung?

Was hätten Sie sich in Ihrer Ausbildung gewünscht?

allgemeine Fragen zur Lehre heute

Bei der Verortung meiner eigenen Recherche stellte sich bald die Frage, welcher spezifische Ausbildungsweg in meinem Fokus steht. Schulische Ausbildung der Sekundarstufe? Lehre? Universitäre Ausbildung oder Fachhochschule? Vor allem im Bereich der schulischen Ausbildung stellen sich neben fachspezifischen Kriterien ganz besondere didaktische Fragen, wie heranwachsenden Charakteren die komplexen Zusammenhänge des Kommunikationsdesigns gelehrt werden können. Diesen Bereich versuche ich eigentlich auszuklammern, da er durch diese zusätzlichen Effekte wohl ein eigenständiges Thema werden müsste. Die Erfahrungen der Interviewpartner in der Lehre – Art und Dauer – sind aber jedenfalls ein zentraler Punkt und werden zuerst grundlegend behandelt: 

In welcher Art der Ausbildung sind sie tätig? (Universität, höhere Schule, …)

Wie lange sind Sie in der Design-Lehre tätig?

Wie hat sich die Ausbildung in dieser Zeit verändert?

Detailfragen zur Lehre heute

Ein Hinterfragen der eigenen Lehrtätigkeit scheint für mich ein geeigneter Ausgangspunkt um in weiterer Folge über zukünftige Möglichkeiten der Designausbildung nachzudenken. Methoden und Schwerpunkte, Herangehensweisen und Systematik sollen mir eine breite Einsicht in didaktische Ansichten des 21. Jahrhunderts bieten:

Wie ist das didaktische Grundkonzept an ihrer Ausbildungsstätte? (Lehrinhalte, Methoden, Schwerpunkte)

Was ist besonders gut in ihrer Ausbildungsstelle, Ausbildungsmodell?

Was ist nicht gut, wo gibt es Verbesserungspotential?

Aussicht und Zukunftsvision

Im letzten und wohl interessantesten Teil der Fragen möchte ich neue Ansätze provozieren, wie sich Kommunikationsdesign heute und auch morgen unterrichten lässt. Zuvor möchte ich noch persönliche Einschätzungen über die Qualitäten von Designer*innen erfragen um im gleichen Schritt zu verstehen, inwieweit neue Ansätze direkt mit einem sehr wandelbaren Berufsbild einhergehen und die benötigten Qualitäten abdecken. Die Fragen dieses Abschnitts will ich im ersten Schritt sehr allgemein halten, um die Interviewpartner nicht zu sehr in eine Richtung zu lenken.

Was macht einen guten Kommunikationsdesigner*in aus?

Wie sollte eine zeitgemäße und zukunftsfähige Design-Ausbildung aus Ihrer Sicht heute aussehen?

Sollten diese allgemeinen Fragen nicht die gewünschten Ergebnisse liefern habe ich mit weiterführenden, mehr ins Detail gehenden Fragen die Möglichkeit, zielgerichtet Überlegungen zu Thementeilen anzuregen, die mir im Kontext einer zukunftsorientierten Ausbildung als spannend erscheinen:

Ist es besser möglichst viele Bereiche des Kommunikationsdesigns zu kennen oder sich einen spezifischen Fokus zu setzen – Spezialisierung oder Generalisierung?

Sind analoge Ansätze heute noch sinnvoller Bestandteil einer Ausbildung?

Macht Programmschulung in Zeiten von Youtube Tutorials Sinn?

Wie sollte man den sich verändernden (technologischen) Arbeitsbedingungen in der Lehre begegnen?

Mit diesen Fragen möchte ich in erste Interviews gehen, Erfahrungen sammeln und meine Fragen gegebenenfalls wieder anpassen um ein möglichst gutes Ergebnis zu erlangen. Jetzt heißt es, nach interessanten Gesprächspartner*innen Ausschau zu halten. Hear you next time

Es ist notwendig, unserem Denken eine neue Orientierung zu geben.

Bevor ich die Geschichte endgültig Geschichte sein lasse, möchte ich im finalen Beitrag des Wintersemesters auf Armin Hofmanns Lehre eingehen. Hofmann war nicht nur ein maßgeblicher Former des Swiss Style, sondern speziell in der Ausbildung ganzer Generationen von Designern und Lehrern eine Persönlichkeit von weitreichendem Einfluss. Viel von seinen Einstellungen zur Lehre ist dokumentiert und zeigt ein Spannungsfeld der Bildung zwischen Kunst und kommerzieller Nutzung – relevant wie eh und je.

In einer Zivilisation, die das Gewicht zunehmend auf die wissenschaftlich-technische Bildung legt, muss sich die gestalterische Ausbildung mit der Gegenwelt und ihren Prinzipien auseinandersetzen, um das wichtige Gleichgewicht der Kräfte als Lehrziel verfolgen zu können.

Armin Hofmann

Zwei Grundprobleme

Zwei konkrete Grundprobleme, die in der heutigen Zeit ebenfalls sehr gut beobachtbar sind, waren für Hofmann zu Beginn der Ausbildung in Berufe der Gestaltung bemerkbar: zum einen eine grundsätzlich falsche Vorstellung des Aufgaben- und Berufsbild des Gestalters und zum anderen eine sehr oberflächliche, rein modisch-ergebnisorientierte Herangehensweise an gestalterische Aufgaben. Speziell der zweite Punkt lässt sich in einer Welt, wo Behance, Instagram und Pinterest die Schnelllebigkeit von Gestaltungslösungen enorm beschleunigt haben, ebenfalls sehr gut beobachten. Kurzlebige visuelle Trends werden ohne hinterfragen der thematischen Eignung imitiert. Für Hofmann war eine Abkehr von Fragen des Geschmacks und Moden eine logische Konsequenz dieser Tatsache.


Vor allem in der Sekundarstufenausbildung lässt sich für mich das Problem des mangelnden Realitätsbezugs zur Berufswelt ebenfalls feststellen und bedarf definitiv neuer Ansätze und früher Aufklärung in der Ausbildung. Aber auch im Hochschulbereich nimmt der persönliche Interessen- und Stärken-Findungsprozess einen breiten Bereich der Ausbildungszeit ein. In der Schweiz soll das System von Vorkurs und Propädeutikum diese Problemstellungen lösen.

Grundlagenlehre und Praxisbezug

Die Schweizer Ausbildung im allgemeinen und Hofmann im Speziellen sind bekannt für exzessive Beschäftigung mit Grundformen und Grundlagen. Für ihn bildeten Kompositionsübungen mit Punkt, Linie und Fläche zum Erarbeiten von gestalterischen Aspekten eine zentrale Form seines Unterrichts. Kritisch könnte man die sehr theoretische Natur dieser Übungen betrachten. Allerdings wirkte Hofmann konsequent auf die Aufhebung der Grenzen zwischen praxisorientierten Resultatarbeiten und rein schulischen Übungsarbeiten hin.

Wer aus einem Linienraster Fallendes, Aufsteigendes, Gegensätzliches oder Abstrahlendes herausschälen kann, hat den ersten Schritt zur Anwendung getan. Anders dürfen wir die Tätigkeit innerhalb der angewandten künstlerischen Berufe nicht verstehen denn als Dienstleistung zur Sichtbarmachung von Mitteilungen, Ereignissen, Ideen, Werten aller Art.

Armin Hofmann

Übungen mussten für ihn zu einem sichtbaren, verständlichen und verwendbaren Resultat führen. Das Vernetzen von Denken und Handeln und weiter die Aufhebung der Trennung von gefühlsbetontem, spontanem Arbeiten und systematischen, gedanklichen Arbeiten waren Hofmanns didaktische Doktrin. Daraus ergab sich für ihn eine Auflösung der Trennung zwischen künstlerisch orientierten und kommerziellen Arbeiten. All diese Ansätze lassen sich stimmig mit Hofmanns eigenem Stil und Arbeitsweise (er lies die Grenze zwischen Lehrtätigkeit und persönlichem Schaffen ebenfalls verschwimmen) in Einklang bringen – seine sehr auf Grundformen und Reduktion bedachten Arbeiten passen stimmig in diese Kombination von reduzierter Basis-Ausbildung zum praxisorientierten Schweizer Stil. Ob sich diese direkte Übersetzbarkeit heute noch halten lässt, möchte ich hier offen lassen, zweifelsohne spielt für mich aber die Auseinandersetzung mit Grundlagen in der Lehre auch heute eine wichtige Rolle um System-/Technologieunabhängige Prinzipien der visuellen Kommunikation zu lehren.

Reale Projekte oder Platz für Experiment

Für Hofmann war es ebenso wichtig, sich die Lehrmethodik nicht von der Praxis diktieren zu lassen – er hatte eine sehr kritische Einstellung der Werbung und ihrer Methoden gegenüber. Ein Wagnis einzugehen, Platz für Experiment und Irrtum zu lassen, Selbstständigkeit im Denken, Entdecken, Erfinden und Erschaffen zu lassen war für ihn wichtiger, als zurzeit angesagten Strömungen zu entsprechen. Die Schule sollte eine differenziertere und ernsthaftere Haltung der Praxis entgegenstellen und das gesamte Feld der visuellen Kommunikation mit möglichen Neu-Deutungen als Basis haben und nicht einem labil agierenden Werbesektor gefallen wollen. Auch diese Einstellungen haben nichts an Realitätsbezug verloren, ein Unterricht, der dem täglichen Bedarf der Praxis entspricht und dementsprechende Aufgabenstellungen beinhaltet ist sicherlich für einen zukünftigen Designer*in als Vorbereitung auf die Arbeitswelt von Vorteil, andererseits werden dadurch mögliche individuelle Entwicklungen und neue Denkansätze weg von Kommerz unterbunden. Dieses Spannungsfeld ist sicherlich in einer aktuellen Designausbildung eine zu lösende Frage und braucht wohl einen gesunden Kompromiss.

Lehrziele sollten nicht an dem gemessen werden, was gerade auf der Straße passiert, sondern an den Aufgabenstellungen selbst.

Armin Hofmann

Gestaltungsprozess

Zu Beginn eines Gestaltungsvorganges sollte keine fixe Idee des Ergebnisses stehen, kein fertiges Konzept oder Regelwerk mögliche Richtungen vorgeben. Im Beginn eine gefühlsmäßige Herangehensweise, die Schritt für Schritt, Versuch und Irrtum zulässt. Variieren, ausprobieren, verwerfen. Diese Herangehensweise erfordert die Fähigkeit zur Selbstkritik um das eigene Werk zu hinterfragen und auch über Bord werfen zu können. Übermäßige technische Möglichkeiten und Mittel waren für ihn oft hinderlich daran, zum Kern des Themas vorzudringen. Je weniger Mittel er brauchte, umso stärker war für ihn der Ausdruck seiner Arbeit. Vor allem der Raum für Experiment und Versagen ist heute sehr dünn. Eine direkte Verwertbarkeit ist mangels Zeit oft der Motor von sehr zielgerichteten und dadurch aber auch archetypischen und gleichförmigen Lösungen – meist schon im Voraus bekannt.

Zu stark praxisbezogene Ausbildung

Schon zu Hofmanns Zeiten war das Berufsbild des Grafikers/der Grafikerin im ständigen Wandel begriffen, zwischen politischen, kommerziellen, technologischen, modernistischen und rein künstlerischen Einflüssen hin und hergerissen. Seine Aufgabe als Lehrer und Erzieher sah er darin, Menschen auf das Mitwirken am Aufbau einer Gesellschaft vorzubereiten, welche auf einen ehrlichen Kräfteaustausch ausgerichtet ist. Umso mehr empfand er es als kritisch, eine Ausbildung zu konkret auf die Bedürfnisse der aktuellen Grafik auszulegen – zu sehr stand und steht der Beruf in ständiger Entwicklung. Schon zu seinen Zeiten wurden aufgrund der Mechanisierung immer mehr Berufe in jenen des visuellen Gestalters integriert, waren es damals Berufe wie Lithograf und Graveur so sind es heute Bildbearbeiter, 3D Artist oder Animation-Designer. Diese Problematik hat sich seit Hofmann mindestens gehalten, eher aber verstärkt und stellt heute gleichermaßen Probleme in der Ausbildung dar – welche Bereiche soll/muss man heute abdecken? Was ist unverzichtbar um als Gestalter im Berufsalltag bestehen zu können? Was ist Basis, was spezialisierung? Hofmann forderte eine Neu-Besinnung und Ordnung der Ausbildungen, er sprach sich für eine Abwendung vom Resultatsdenken und ein Fokus auf eine Basisausbildung zum Verstehen der grundlegenden Zusammenhänge; in grafischer Hinsicht waren dies für ihn Linie, Fläche, Farbe, Material, Raum und Zeit. Ständiger Reformwille war für ihn eine zwingende Notwendigkeit im Schulwesen.

Beschränkte sich vor einigen Jahren die Tätigkeit des Grafikers zur Hauptsache auf die Kreation von Plakaten, Inseraten, Verpackungen, Zeichen oder Logos, so hat sich sein Wirkungsfeld heute ausgeweitet und umspannt praktisch jedes Gebiet der Darstellung und Formgebung.

Armin Hofmann

Verantwortung

In den Mitteln, die Gestalter in die Hände gelegt wurden, sah Armin Hofmann gewichtige Werkzeuge um eine Gesellschaft zu formen, daraus folgerte ein sehr verantwortungsbewusster Umgang mit ihnen. Großes Wissen ist Voraussetzung für den weisen und verantwortungsvollen Einsatz dieser Mittel. Gerade in Zeiten, in denen schöpferisch-künstlerische Berufe weniger werden, mussten die wenigen übrig bleibenden umso grundlegender und umfassender ausgerüstet sein. In der Schule sah er den Platz für Versuch und Experiment, in einer Arbeitswelt, die keine Toleranzen mehr bietet und immer auf die Auswertbarkeit der Arbeit konzentriert ist. Hofmanns Vision der Schule war ein »Institut, das Veränderungen in unseren Verständigungssystemen registrieren, Gefahren sichtbar machen und Forschung betreiben sollten, innerhalb der visuell wahrnehmbaren Welt.« Das Ziel seiner Ausbildung war ein handwerklich einwandfreies Können, ein klares Wissen um die Gestaltungsgesetze sowie die Fähigkeit, aufgrund einer gestellten Aufgabe einen Gedanken auf klare eigene Weise ins Bildhafte umzusetzen. Es sollte eine stabile Grundlage geschaffen worden wein, auf der die Persönlichkeit der Schüler weiter wachsen und reifen könne.

Seit Hofmanns Zeit hat sich vieles geändert. Man denke an Computer-Technologie, Frauenwahlrecht in der Schweiz (eingeführt 1970) und moderne Berufsbilder. Dennoch haben viele seiner Probleme einen erstaunlichen Aktualitätsbezug – auch wenn wir das Gefühl haben auf einem Schnellzug stehend auf eine Pferdegespann zurückzublicken. Diese Verzerrung einer rückwärts gerichteten Betrachtungsweise wird uns aber wohl auch in 20 Jahren gleich erscheinen, wenn wir dann vom Flugzeug aus auf unseren heutigen Schnellzug zurückblicken. Dieser Berufssparte immanent ist konstante Veränderung – wenn man in die Agenturen schaut, sieht man wenige »alte« Grafiker, sondern viele junge Menschen die mit Leidenschaft ans Werk gehen, sich im Laufe ihres Lebens aber in alle Richtungen verstreuen. Eine breite, solide Basis ist ein gutes Fundament, um die vielen Varablen des Gestalterlebens abdecken zu können. Die Aufgabe der Ausbildung muss es sein, dieses Fundament zu gießen, viel eher als verspielte Verzierungen im Dachgeschoss zu bauen. Die Art und Weise, wie so ein Fundament aussehen muss, ist natürlich seit Hofmann nicht gleich geblieben. Aber auch gerade dieser Aspekt ist ein Spannender dieses Themas: welche Grundlagen sind auch heute noch Grundlagen? Oder unterrichten wir sie nur, weil sie seit 100 Jahren unterrichtet werden? Was sind die Konstanten und welche Aspekte mussten und müssen hinzukommen, um aktuelle Aufgabenfelder abzudecken? Diese Fragen will ich nicht nur mir selbst stellen, sondern im kommenden Semester möglichst vielen Menschen, die das breite Feld der visuellen Kommunikation lehren.

Wie werde ich Grafiker*in?

aus der Geschichte ins Jetzt.

Im letzten Beitrag war die Schweiz Kern der Recherche, genauer die Geschichte der Ausbildung und der – zufällig, als Abfallprodukt – damit parallel sich entwickelnde Swiss Style. Da die Schweiz in Ausbildungs-Bereich sowie mit sehr vielen international erfolgreichen Gestaltern lange Zeit die Nase vorne hatte, stellte sich mir die Frage, was aus diesem Erbe geworden ist. Darum recherchierte ich den heutigen Stand in der Schweiz: Wie wird man dort heute Kommunikationsdesginer*in?

Design als Lehre?

Grafiker*in als Lehrberuf hatte wie im letzten Beitrag gezeigt in der Schweiz schon immer einen hohen Stellenwert. Generell lässt sich ja visuelle Kommunikation durchaus als Handwerk verstehen, wenn sich an dieser Ansicht auch die Geister scheiden mögen. Viele Dinge sind jedoch sicherlich »handwerkliche« Fertigkeiten und es hat nur in unseren Breiten in den letzten Jahrzehnten die höhere Bildung und weiter die Hochschulausbildung einen wichtigeren Stellenwert erlangt; Lehrberufe – zu unrecht – als minderwertiger angesehen. In vielen Berufen werden Lehrlinge, welche parallel zur Lehre eine fundierte Ausbildung erhalten, vor allem für ihren Praxisbezug geschätzt – sie lernen schließlich im täglichen Arbeitsumfeld und wissen von Anfang an, was es heißt, Design auch verkaufen zu müssen.

In der Schweiz ist es die Lehre des Grafiker*in EFZ, welche diesen Beruf vermittelt. Die Ausbildung wird mit dem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) abgeschlossen. „Dieser Beruf steht ganz im Zeichen der visuellen Gestaltung. Grafiker/innen verleihen Informationen, Inhalten und Medien einen individuellen, ästhetisch anspruchsvollen Auftritt. Traditionelle Utensilien, also Bleistift, Schere und Papier, gehören genauso zu ihrem Werkzeugkasten wie elektronische Medien, Computer, Kameras und Scanner. Sie gestalten gedruckte, räumliche und elektronische Medien. Die Ausbildung erfolgt in einem Lehrbetrieb und an der Berufsfachschule.“ Die Lehre dauert vier Jahre. Der Berufskundeunterricht findet wöchentlich an eineinhalb Tagen statt. Dazu kommen überbetriebliche Kurse des Berufsverbands. Nach dem Berufsabschluss stehen verschiedene Weiterbildungsangebote offen, an der Schule für Gestaltung Basel ist dies etwa der Bildungsgang Dipl. Gestalter*in Kommunikationsdesign, Fachrichtung Visuelle Gestaltung oder Interaction Design. Mit einer Berufsmatura, welche neben der Lehre absolviert werden kann, ist der Zugang zu einer Fachhochschule oder einer Hochschule für Gestaltung und Kunst eine weitere Option.

In den ersten drei Lehrjahren ist der Fachunterricht auf vielseitige Wissensvermittlung fokussiert, im vierten Jahr wird das Wissen in Projekten vertieft. Parallel dazu wird mit den Überbetrieblichen Kursen ein weiterer Lernort geschaffen – die sogenannte Triale Lehre. Dem Unterricht Kunst/Kultur/Design wird als Fixum über alle vier Jahre ein hoher Stellenwert gegeben.

Konkret bedeutet das im ersten Lehrjahr die Fächer Zeichnen, Technologie, Kunst/Kultur/Design (Schrift- und Typografiegeschichte), Typografie und Farbtheorie; der Überbetriebliche Kurs beschäftigt sich mit Computer Grundkenntnissen. Im zweiten Jahr kommen Projektadministration, Fotografie und Portfolio/Präsentation hinzu, der Überbetriebliche Kurs umfasst Produktionstechniken. Im dritten Lehrjahr ändert sich das Curriculum, Umsetzung/Semiotik, Interaktive Medien, Infografik, Markt und Kommunikation sowie wiederum Kunst/Kultur/Design machen den theoretischen Teil aus, der Überbetriebliche Kurs hat „Idee und Konzept“ zum Thema. Im finalen vierten Jahr schließlich stehen Projekte zu den Themen Corporate Design und neue Medien sowei Experimente auf dem Plan, Kunst/Kultur/Design gibt der aktuellen Kunst Raum.

Die Ziele des Unterrichts erinnern an österreichische Schul-Lehrpläne, wie beispielsweise in Typografie, 2. Lehrjahr: »Kenntnis der unterschiedlichen Lesequalitäten verschiedener Schriften. Fähigkeit, Schriften richtig und dennoch innovativ einzusetzen. Fähigkeit, eine professionelle mehrseitige digitale Layoutdatei einzurichten. Fähigkeit, einen umfangreichen Text für eine Publikation ästhetisch ansprechend umzusetzen«. Oder in Markt und Kommunikation des dritten Lehrjahres, mit Zielen unter anderem: »ein einfaches Marktforschungskonzept erstellen, durchführen und auswerten. Erklären der Instrumente des Marketingmix und ihrer Beziehungen zur Marketingkommunikation. Ein einfaches Kommunikationskonzept erarbeiten und zielorientierte sowie zielgruppengerechte Maßnahmen planen und einsetzen. Verkaufsförderung innerhalb eines Kommunikations- konzeptes einsetzen.«

Vorkurs und Propädeutikum

Zwei vorbereitende Lehrgänge gibt es in der Schweiz, die Anwärter unterschiedlichen Alters und Vorbildung auf gestalterische Berufe vorbereiten.

Der gestalterische Vorkurs ist die Schnittstelle zwischen Sekundarstufe I (Unterstufe) und Berufslehre. Er bereitet auf eine gestalterische Berufslehre vor. Der Vorkurs bietet eine breite gestalterische Grundausbildung, die den Anforderungen gestalterischer Berufsausbildungen gerecht wird sowie die Chance den Berufswünsche zu präzisieren und die Eignung der Schüler*innen zu überprüfen.

Das gestalterische Propädeutikum ist die Schnittstelle zwischen Matura und Hochschule. Maturanten*innen haben oft nicht genügend Erfahrung und Vorbildung im gestalterisch-künstlerischen Bereich, das Propädeutikum gilt als Orientierungs- und Grundlagenjahr für ein gestalterisch-künstlerisches Studium und ermöglicht eine Grundausbildung auf diesem Gebiet. Sie schaffen sich die fachliche Basis für ein Studium und haben die Möglichkeit, ihre Studienwünsche zu präzisieren und ihre persönliche Eignung zu überprüfen. Das Propädeutikum ist Zulassungsbedingung für die Ausbildung an einer gestalterischen Hochschule. 

Das Aufnahmeverfahren für beide Kurse umfasst eine Hausaufgabe im Umfang von ca. vier Arbeitstagen, eine halbtägige Hauptprüfung, eine Mappenpräsentation und ein Gespräch.

In Basel bestehen beide Lehrformen aus drei Modulen: Das Studienmodul, das Kontextmodul sowie das Projektmodul. Im Studienmodul liegt der Schwerpunkt auf der Schulung von präzisem Handwerk und verfeinerter Wahrnehmung. In diesen Modulen stehen technische und fachliche Gestaltungsgrundlagen im Fokus und werden in den Bereichen Farbe & Bild, Raum & Material, Skizze Bild, Schrift & Form und Zeichnen vermittelt.

Im Kontextmodul stehen die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Bildes und der Medien im Fokus. Durch Beschäftigung mit zeitgenössischer Kunst und Gestaltung entwickeln die Lernenden ihre persönliche visuelle Kultur. Die Kontextmodule sind: Forum (Vorträge und Präsentationen aus der Arbeitswelt), Konzept, Layout & Portfolio sowie Visuelle Kultur (Analyse zeitgenössischer visueller Darstellungen).

In den Projektmodulen stehen das eigenständige und kritische Denken und Handeln im Zentrum, sowie die Offenheit, sich auf experimentelle gestalterische Vorgänge einzulassen. Das Projektmodul ist ein Wahlpflichtfach und wird als Ergänzung zum bestehenden Fächerangebot individuell ausgewählt. Zur Auswahl stehen Animation Illustration, Auge Apparat Bild, Handeln Denken Kunst, Illustration Druckgrafik, Körper Kleid Performance, Lichtraum Raumlicht, Performance Szenografie, Raum Zeit Dimension, Siebdruck Studio und Typoclub.

Hochschulausbildungen

Auf Universitärer Ebene gibt es natürlich eine Vielzahl von Studienmöglichkeiten in der Schweiz mit unterschiedlichem Fokus und Vertiefungen. Speziell möchte ich mich hier mit dem System der Zürcher Hochschule der Künste beschäftigen. 

Mit rund 2100 Bachelor- und Masterstudierenden und 650 Dozierenden zählt die Zürcher Hochschule der Künste zu den großen Kunsthochschulen Europas. Das Studien- und Forschungsprogramm umfasst die Bereiche Design, Film, Fine Arts, Musik, Tanz, Theater, Transdisziplinarität und Vermittlung der Künste und des Designs. Im Department Design gibt es die Bachelor Studiengänge Cast/Audiovisual Media, Game Design, Industrial Design, Interaction Design, Scientific Visualization, Trends & Identity, Visual Communication sowie die Masterstudien Game Design, Interaction Design Knowledge Visualization, Product Design, Trends & Identity, Visual Communication.

Der Bachelor Visual Communication lehrt die bildhafte Vermittlung von Information und die gestalterische Umsetzung von Kommunikation, für klassische und digitale Medien. Es stellt die konzeptionellen und gestalterischen Aspekte der Projektarbeit in den Mittelpunkt. Das Studium besteht aus dem Grundstudium, welches sich der Auseinandersetzung mit den gebräuchlichen Ausdrucksformen und Stilmitteln der visuellen Gestaltung widmet. Themen sind das visuelle Vokabular, Standard und Handwerk,Typografische Satzungen, zeichenmalerische Elemente, fotografische Bildwelten, grafisches Instrumentarium und Programme werden erlernt. Ebenso Zeichentheorie, Medien, Asthetik, kommunikations- und gesellschaftsspezifische Fragen.

Als zweiter Bestandteil des Bachelor ist das Projektstudium geprägt von den kürzeren und längeren Projekten der studienbereichsspezifischen Schwerpunkte Corporate Design und Informationsdesign und wird dabei ergänzt durch vertiefende Angebote in den Bereichen Editorial, Interaktion und Bild.

Der Schwerpunkt »Identität & Marke« hat die zukunftsgerichtete kommunikative und ganzheitliche Charakterisierung institutioneller Einrichtungen zum Ziel, die deren jeweilige Funktion, Bedeutung und ihren gesellschaftlichen Wert mit einer überzeugenden, kultivierten Zeichensprache verdeutlicht. Dazu gehören die Disziplinen Corporate Communications und Branding sowie ihre Schnittstellen zu Corporate Culture, Marketing und Werbung.

Der Schwerpunkt »Information Design« entwickelt Informations- und Orientierungssysteme im räumlichen Umfeld, befasst sich mit der Visualisierung von abstrakten Daten und Inhalten, der Entwicklung didaktischer Medien und Inhalte und setzt sich mit der visuellen Formulierung von anleitenden bzw. instruierenden Anwendungen auseinander.

Der Schwerpunkt »Editorial Design« begreift sich als Schnittmengenkompetenz. Als jene Instanz, die entwerfend, gestaltend und nicht zuletzt auch erzählend unterschiedlichste Themen und Thematiken vermittelt. Die Verbreitung von Wissen und Bewusstsein mittels Schrift und Bild steht im Zentrum – medienübergreifend.

Neue Wege

Diese Einteilung und Spezialisierung an sich ist interessant, der wirklich neuartige Ansatz ist jedoch übergeordnet. Die ZHdK bietet ein europaweit einzigartiges Studienangebot, welches disziplinenübergreifend zusammengestellt werden kann, genannt Major-Minor, welches gerade etappenweise eingeführt wird. Der Bachelor startet im Herbst 2022, der Master folgt 2023. Das Minor-Angebot steht ab 2023 offen.

In diesem System ist es möglich, einen Bachelor Major-Schwerpunkt mit einem von zahlreichen, neu geschaffenen Minors zu kombinieren. Die ZHdK schreibt: »In zehn Jahren werden unsere Alumni in Berufsfeldern arbeiten, die wir heute noch nicht kennen. Die Kompetenzen, die in Zukunft gefragt sind, werden vielfältiger, individueller und fachübergreifender sein. Um den künftigen beruflichen Anforderungen und Arbeitsweisen gerecht zu werden, haben wir unser Bildungsangebot grundlegend reformiert.«

Der Major ist der Studienschwerpunkt und bestimmt den Diplom-Titel. Er umfasst im Bachelor 150 und im Master 90 Credits. Der Minor ist im Vergleich zum Major ein kleineres Studienprogramm. Mit klarer Ausrichtung auf eine Qualifikation wird der Minor mit auf der Diplomurkunde ausgewiesen. Ein Minor umfasst 30 Credits oder 15 Credits. In Verbindung mit dem Major hat der Minor zwei Funktionen: Vertiefung und Spezialisierung bei Major-ähnlicher Minor-Wahl oder Erweiterung und Ergänzung wenn der Minor aus einem fremden Themenfeld kommt.

Im Departement Design gibt es beispielsweise die oben genannten Studienrichtungen als Major (Game Design, Visual Communication, usw). Minors dieses Departements sind derzeit 15 angeführt; unter anderem Social Media & Storytelling, Licht & Farbe, Health Design Matters, Visual Literacy, UX Design, Sustainable Design, Experimental Interaction, usw. Ein spezieller Minor ist die Student Design Agency, in der reale Kundenprojekte umgesetzt werden.

Ich kann als Student*in also beispielsweise zu meinem Major Visual Communication den Minor Sustainable Design wählen um mich in diese Richtung zu spezialisieren.

Wirklich spannend wird es aber, wenn man Departement-fremde Minors wählt und so ganz spezifische, individuelle Kombinationen schafft. Ein Minor aus dem Departement Film ist da sicher noch die einfache Kombination, hier stehen z.B. Minors wie »The Core of storytelling« oder »cinematic Narration in Virtual Spaces« zur Verfügung. Der Bogen kann aber noch weiter gespannt werden, z.B. aus dem Departement Fine Arts (u.A. Minor »Art Production and Handling«), Dep. Art Education (u.A. Minor »Bildungs- und Erziehungswissenschaften – Grundlagen für die Lehre in den Künsten«), Dep. Musik (u.A. die Minors »Staging sound«, »production advanced« oder aber »Orchestral Studies«) oder schließlich Dep. Tanz mit »Health, Excellence and Career Development« als möglichem Minor – die Kombinationsmöglichkeiten sind scheinbar grenzenlos. Zu guter Letzt stehen 14 Department-übergreifende Minors zur Verfügung: von Critical Thinking und Transcultural Collaboration bis Gender Perspectives und Projektentwicklung und Unternehmertum.

Die ZHdK spielt mit diesem System sicher die Möglichkeiten ihrer Größe aus – dieses System ist sicher kein sehr ressourcenschonendes und leicht auf kleinere Universitäten umzusetzen. Dennoch ist es ein sehr interessanter Ansatz auf einen sich stark ändernden Arbeitsmarkt zu reagieren. Die Wirkung auf potenzielle Studenten wird sicherlich sehr positiv sein, seine eigenen Interessen zu fördern, zu fokussieren oder aber zu erweitern ist zweifelsohne ein größerer Motivator als sich in starren Studiensystemen mit unliebsamen Fächern herumschlagen zu müssen…

Die Schweiz bietet also nach wie vor interessante Ansätze zum Thema Pädagogik und Visuelle Kommunikation, sei es im Anpassen von alten Strukturen an ein modernes Umfeld oder im neudenken von Ausbildungsmöglichkeiten.

How to invent an International Style

Oder: Schweizer Ausbildung als Basis für den Swiss-Style.

Ende der 1940er Jahre ist ein Wandel in der Designwelt der Schweiz in der Luft, das Berufsbild des Grafikers ist am Scheideweg. Nach der überladenen Welt von Art Deco und Jugendstil hatte sich vor allem in der für die noch junge Disziplin des Grafik-Design repräsentativen Plakatgestaltung eine Art »magischer Realismus« durchgesetzt. Die beworbenen Objekte wurden nun überhöht und idealisiert, frei von jedem Beiwerk in Szene gesetzt und dies mit einer zeichnerisch/malerischen Fertigkeit die die Perfektion anstrebte und oft auch erreichte. Allen voran Niklaus Stoeklin und Peter Birkhäuser schufen so Meisterwerke in diesem Ikonischen Stil.

Die mit raffinierten Darstellungstechniken bewirkte Übersteigerung der Dingtreue, die extrem realistische Stofflichkeit, die geschickt eingesetzte Lichtführung, verbunden mit einer »unnatürlichen« Isolation des Gegenstandes, all dies verleiht dem Dargestellten eine magische Strahlkraft. 

Willy Rotzler

Dieser Ansatz erfordert natürlich eine äußerst gute Ausbildung in zeichnerischen Dingen und die Schweiz steht in der pädagogischen Tradition von Pestallozzi, Grasset und Ritter auf guten Füßen. Parallel dazu entwickelt sich – im Ursprung begründet in den pädagogischen Ansätzen der Reduktion der Kompositionsmittel auf Grundformen und durch nationale und internationale künstlerische Strömungen beflügelt (und nicht zuletzt wohl auch durch die Schweizer Mentalität gefördert) – eine analytische, ornamentlose Stilrichtung. Beeinflussend war auf diesem Wege unter anderem der Fotograf Hans Finsler, der mit seiner sachlichen Herangehensweise in der Produktfotografie viele namhafte Grafiker prägte. Unter strenger inhaltlicher Dominanz konzentriert er sich auf die unverfälschte Darstellung des Materials mithilfe von Aspekten der Bildkomposition und des Bildausschnitt. Dreieck, Kreis und Diagonale spielen wichtige Rollen. An der Kunstgewerbeschule in Zürich lehrt er – selbst beeinflusst von Grasset – dies in seiner Fotoklasse und verbindet Fotografie auch mit Grafikdesign und Typografie. Von Finslers Partner Alfred Willimann werden unter anderem Armin Hofmann und Emil Ruder entscheidend geprägt. 

Ebenso starken Einfluss hat die vor allem in Zürich starke Strömung der konkreten Kunst, bei der den Werken geometrische Elemente, Maßsysteme, Wiederholungen und Zahlenreihen zugrunde gelegt werden. Anders als in der Abstrakten Kunst liegt jedoch keine Abstraktion zugrunde, es ist eine vom Gegenstand unabhängige Kunst, welche schnell Architektur, Grafik und Typografie beeinflusst. Max Bill als wichtiger Vertreter dieser Kunst sieht den grafischen Informationsauftrag für einen der konkreten Kunst anhängenden Gestalter in einer klaren, einfachen und verständlichen Informationsvermittlung. Er zieht eine klare Grenze zwischen Kunst und Grafik, Kunst ist für ihn ausschließlich Träger von ästhetischen Informationen, Grafik immer ein Kommunikationsmittel und somit Träger einer visuellen Information. Vor allem Zürich ist stark von diesem konkreten Kunst-Ansatz geprägt.

In dieser zwiegespaltenen Grafikdesign-Schweiz werden an der kunstgewerblichen Abteilung der Gewerbeschule Basel zu dieser Zeit Vorkurse, Tagesfachklassen (u.A. die Grafik-Fachklasse) sowie die Lehrlingsklassen unterrichtet. Nach wie vor ist das Gewerbemuseum direkt an die Schule angehängt. In den 40er Jahren – in einer Zeit, wo Basel als das Zentrum des illustrativen, hyperrealsitischen Plakatstils gilt – werden hier richtungsbestimmende personelle Entscheidungen getroffen: in der allgemeinen Gewerbeschule werden mit Hermann Eidenbenz, Emil Ruder, Berchthold von Grünigen und Armin Hofmann vier Vertreter dieser modernen Ansicht von Grafikdesign eingestellt. Sie setzen durch ihre Arbeit und Lehre in der Grafik-Fachklasse, Buchdruck- und Typografie-Abteilung sowie der allgemeinen Lehrplangestaltung wichtige Akzente. Parallel dazu bleibt aber mit einem starken Fokus auf die zeichnerische Ausbildung und somit einem Bekenntnis zum Basler Illu-Plakatstil eine diplomatische Doppellösung zwischen Avantgarde und Bildlichem die Premisse.

Emil Ruder – der seine Lehransätze später in sein Standardwerk zur Typografie kondensiert – steht in dieser Zeit einerseits für ein gestärktes Berufsbild des Typografen; der keine reine handwerklich untergeordnete Rolle einnimmt, sondern eine eigenständige künstlerische Gestaltungsarbeit leistet; andererseits für eben jene avantgardistisch-modernen, reduzierten Strömungen. Ruder begründet und leitet den einjährigen Weiterbildungskurs für gelernte Schriftsetzer und Buchdrucker, er wirkt aber auch in der Grafik-Fachklasse.

Im Vorkurs werden die allgemeinen, in der Fachklasse die speziellen Grundlagen gelehrt, auf Basis derer sich später die individuellen Interessen der einzelnen SchülerInnen entwickeln sollen. In den Fachklassen sind künstlerische, technische und theoretische Fächer zeitlich exakt aufeinander abgestimmt um sich in idealer Reihenfolge gegenseitig zu ergänzen. Zu den Fächern gehört neben der strengen Gebrauchsgrafik (eben jener reduzierte, konstruktivistische Stil) und der realistischen Gebrauchsgrafik (Illustrative Basler Schule) unter anderem historische Schrift, Schriftkomposition, Gedächtniszeichnen, Licht und Schatten, Strukturzeichnen, Skulpturenzeichnen, Museums- und Akt bzw. figürliches Zeichnen.

Die Fachklasse für Grafik unter Hofmann ist ein vierjähriger Studiengang, dem für die meisten Studierenden ein Vorkurs vorausgeht. Nach dem ersten Jahr werden nur noch eine geringe Zahl von Studenten zur Ausbildung zugelassen: 1950 7 Studenten (von 30 Bewerbern), 12 im Jahr 1961. Unter den Schülern, die diese Ausbildung absolvieren, sind insbesondere Karl Gerstner (1945–1948), Gerard Ifert (1945–1949), Nelly Rudin (1947–1950) und Dorothea Schmid.

Hofmanns Gegenpart ist Donald Brun als Lehrender des realistischen Stils der Gebrauchsgrafik, genannt Grafik B. Er steht für die Bedürfnisse des Marktes, von Beginn an werden die Schüler durch konkrete Aufgabenstellungen aus der Praxis des Plakat-Designs gefordert, die mit Bleistift und Tusche und anschließend mit Pinsel und Farbe auf Papier als druckfertige Vorlage abzugeben sind. Er stellt die eigene künstlerische Selbstverwirklichung hinter der kommerziellen Funktionalität an und lehrt folgerichtig keinen speziellen Stil oder Technik sondern ein großes Repertoire an Fertigkeiten, die je nach Zweck einzusetzen sind. Die Grundlagen setzt er aus dem Vorkurs voraus.

Hofmanns »strenge« Grafik, genannt Grafik A, sieht die grundlegende Schrift- und Bildgestaltung als Ziel. Formstudien von geraden, runden und diagonalen Schriftelementen, ihre Zusammensetzung zum Buchstaben und weiter zu Wort und Zeile sollen die Grundlagen der Gestaltung und Komposition aus dem Vorkurs weiterführen. Er bewegt sich an der Grenze zwischen Schrift und Bild. Der Prozess des Abstrahierens und Umsetzens in spiegelverkehrter Form für die Lithografie wird von einfachen Grundelementen ausgehend in immer komplexer werdenden Übungen gesteigert.

Neben der Grafik-Fachklasse unterrichtet Hofmann auch in der Lehrlingsausbildung. Das duale Bildungs-System ist in der Schweiz fest verankert, Lehrlinge der verschiedensten Lehrberufe werden einmal wöchentlich unterrichtet. Hierdurch bleibt auch für Hofmann der direkte Kontakt zu den Anforderungen der Praxis erhalten, die Lehrlinge werden die restliche Zeit in den Betrieben praktisch ausgebildet. Emil Ruder als Leiter der Lehrlingsklassen ergänzt sich perfekt mit Hofmann und beide sorgen für eine immer wirksamere Präsenz der »strengen« Grafik.

Ab 1949, also nur zwei Jahre nach dem Beginn von Hofmanns Lehrtätigkeit an der Gewerbeschule Basel, beginnt die strenge Grafik in die Wirtschaft einzusickern und erste Erfolge zu feiern. Eindeutig von den Ansätzen der Lehre Hofmanns beeinflusste Arbeiten finden positiven Widerhall und lösen eine breite Bewegung aus. Wesentlich daran beteiligt ist das Chemieunternehmen Geigy. Im wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegszeit wird bei Geigy ein firmeninternes Atelier gegründet – inhouse Grafik würde man heute (oft auch abfällig) sagen. Ein direkter Dialog zwischen Gewerbeschule und Geigy-Atelier entsteht und die Gestaltungsansätze von Ruder und Hofmann erweisen sich als äußerst brauchbar für die Darstellung von teilweise sehr abstrakten Vorgängen dieser Branche. Aufgrund von älteren Netzwerken arbeiten im Geigy Atelier bald Max Schmidt als Leiter (Vorkurs Basel Absolvent und Lehring im Atelier Bühler, in dem Hofmann und Karl Gerstner; ein Schüler Ruders; zu der Zeit arbeiten) und anfangs eben Hofmann und Gerstner an der grafischen Umsetzung von Geigy-Projekten. In weiterer Folge stellt Schmid gezielt ausgewählte Absolventen von Ruder und Hofmann ein und sichert somit die andauernde Qualität des Teams – im Laufe der Zeit arbeiten nicht weniger als 20 von diesen Absolventen im Geigy-Atelier. 

Die Grundlagen von Grafik und Typografie die in der Ausbildung in Basel gelehrt werden, bilden den Rahmen für den Wiedererkennungswert des Geigy-Stils, der keineswegs durch dogmatische Prinzipien und gleichgeschalteter Grafik erzwungen wird. Durch die Internationale Ausrichtung des Konzerns findet der Stil bald positives Echo und bildet den Ausgangspunkt für die Entwicklung des Swiss-Style und bestätigt somit das Lehrkonzept der Basler Schule.

Vorkurs, Vorkurs, Vorkurs

Als Kernelement der Bauhauspädagogik wird oft bis heute der Vorkurs gesehen. Nicht zuletzt, weil dieser Grundgedanke in vielen Studienplänen bis lange nach der Zeit des Bauhauses – und teilweise sogar bis heute – seinen Bestand hatte und hat. Somit fällt ein wichtiger Blick auf den Begründer und ersten Leiter des Vorkurses; Johannes Itten. Er prägte mit seiner Lehrmethode die Anfangsjahre – und entsprach auch voll und ganz der teilweise sehr expressionistischen Anfangsstimmung des Bauhauses.

In der Bauhaus-Satzung von 1921 heißt es: „Jeder Bewerber wird vorerst nur für ein Halbjahr zur Probe aufgenommen. In diesem Probehalbjahr […] ist der obligatorische Vorunterricht zu besuchen, der in elementarem Formunterricht in Verbindung mit Materiestudien […] besteht. Die endgültige Aufnahme hängt vom Besuch dieses Unterrichts und von der Güte der in diesem Probehalbjahr entstandenen freien Arbeiten des Bewerbers ab.“ Der Vorkurs hatte also mehrere Aufgaben. Er sollte – neben der eben erwähnten Selektionsfunktion – die Aspiranten von allen gelernten künstlerischen Konventionen befreien und ihre Begabungen freilegen. Zugleich sollte er die weitere Spezialisierung und Berufswahl erleichtern, vor allem aber die Grundgesetze des bildnerischen Gestaltens lehren; Form und Farbe vermitteln und so die Gestaltungsprozesse objektivieren. In der frühen Bauhaus Phase – und speziell von Itten so konzipiert – war der Vorkurs aber großteils der kreativen Selbstentfaltung und der Suche nach der eigenen Ausdrucksform gewidmet. Dieser oft stark spirituell geprägte Aspekt (Itten war Anhänger eines buddhistisch-christlichen Kults) war es auch, der in der späteren Bauhaus-Phase – der verstärkten Zuwendung zu Technik und Industrie – zum Gropius-Itten Konflikt und letztlich zur Kündigung des letzteren führte. Das Grundgerüst, das Itten aber geschaffen hatte, blieb bestehen.

Von allem Anfang an war mein Unterricht auf kein besonders fixiertes äußeres Ziel eingestellt. Der Mensch selbst als ein aufzubauendes, entwicklungsfähiges Wesen schien mir Aufgabe meiner pädagogischen Bemühung. Sinnesentwicklung, Steigerung der Denkfähigkeit und des seelischen Erlebens, Lockerung und Durchbildung der körperlichen Organe und Funktionen sind die Mittel und Wege für den erzieherisch verantwortungsbewussten Lehrer. 

Johannes Itten

Itten schwankte in der Konzeption seines Unterrichts stark im Wechsel zwischen Rationalität und Spiritualität. Unter den vielen Einflüssen, die ihn zu seinen konkreten Ansätzen führten, zählen unter anderem die Kontrastübungen mit den Formelementen Quadrat, Kreis und Dreieck von Eugene Gilliard sowie die Vorträge und Übungen von Adolf Hölzel von der Stuttgarter Akademie zu Gemäldeanalysen und zur Kompositions-, Farb-, und Kontrastlehre. Ebenso von Hölzl inspiriert waren gymnastischen Übungen, mit denen er seinen Unterricht begann, deren Ziel es war, „dem Körper die Ausdrucksfähigkeit, die Erlebnisfähigkeit zu geben, sie in ihm zu erwecken. Zuerst muß er erleben.“ Das Ziel dieser Maßnahmen bestand darin, dass die Schüler sich lockern, entkrampfen und von den Zwängen der akademischen Lehre befreien und zudem Bewegung und Rhythmus als Urprinzip und als grundlegendes bildnerisches Organisationsprinzip physisch unmittelbar erfahren sollten. Dazu gehörte auch das „automatische Zeichnen“, also das Zeichnen in einem einzigen Linienzug, welches schon Hölz beim Aktzeichnen initiiert hatte.

Die Kompositionsstudien nach Hölzl beeinflussten Ittens Methoden nachhaltig

Regeln und Gesetze. Sie sind an und für sich gar nichts und nur dazu da, dem Schwachen eine Hilfe zu sein. Jedes Wort, jede Lehre ist ganz unnütz für die, die um das Eine wissen. Sie sind nur Tore, durch die der Suchende eintreten kann in des Reich des lebendigen, ewig unformbaren Geistes. Sie sind nur Nahrung für den Suchenden, solange er ihrer bedarf, aber nicht das zu Suchende.

Johannes Itten

Ittens Unterricht begann in der Regel mit eben jenen gymnastischen Übungen zur Lockerung, gefolgt von Atemübungen zur „Harmonisierung des Körpers“. Darauf folgen rhythmische Formübungen; auch beidhändig; welche in Anleitung von Itten nachgezeichnet wurden – wiederum ging es um die körperliche Entspannung und das Finden des eigenen Rhythmus. Dem ganzheitlichen Konzept folgend Körper, Geist und Seele gleichzeitig zu schulen gab es eine Reihe von unterschiedlichen Improvisations- und Konstruktionsübungen bis hin zu dreidimensionalen Kompositionsversuchen. Die Wahrnehmung und Gestaltung von Kontrasten stand im Zentrum, bis in feinste Nuancen sollten Kontraste wie groß-klein, breit-schmal, dick-dünn, spitz-stumpf, horizontal-vertikal, durchsichtig-undurchsichtig uvm. erforscht werden. Speziell der Hell-Dunkel-Kontrast war Itten wichtig. Dieser wurde in Übungen, die aus „freiem Empfinden und Fantasieren heraus gelöst werden sollen“ gelehrt.

Studien zu Themen wie Tanz, Trauer, Fröhlichkeit, Kampf, Geburt, Tod, Frühling, Pest und anderen Themen werden mit Zeichenkohle gemacht. Um das Gefühl für Kontrast und Proportion zu Schulen wurden Übungen zu den geometrischen Grundformen und den damit nach Itten zuordenbaren Begriffen gemacht. Itten verband Quadrat mit Ruhe, Tod, Schwarz, Dunkel; das Dreieck mit Heftigkeit, Leben, Weiß, hell, gelb; sowie den Kreis mit Null oder unendlich, gleichmäßig, Bewegung, harmonisch, blau. Mit solchen Einordnungen entsprach er auch den damals aktuellen künstlerischen Ansätzen von Kandinsky, welche später selber am Bauhaus lehrte. Material und Texturstudien waren ebenfalls ein zentrales pädagogisches Werkzeug, mit verbundenen Augen mussten unterschiedliche Materialien erkannt werden um das Tastgefühl zu stärken. In weiterer Folge wurden Texturmontagen aus kontrastierenden Materialien angefertigt, die vor allem in dieser Frühphase des Bauhaus noch teilweise sehr expressionistisch wirken. Der Zeichenunterricht wurde mehreren Abstufungen gehalten: fotografisch genaue Naturstudie (zur Schulung von Auge, Hand und Gedächtnis) Zeichnungen aus dem Gedächtnis, Porträts in absoluter Finsternis. Die Naturstudien zielten darauf ab, Gesehenes oder Erinnertes exakt wiederzugeben, die Aktzeichnungen jedoch sollten jedoch wiederum im Zeichen von Rhythmus, Empfinden und Gefühl stehen.

Reduzierte Körperformen, Auffinden der „inneren Bewegung“ und Ausdrucksform, Silhouetten und Schemenzeichnungen. Dreidimensionale Studien mit Würfeln als Raumkompostionen standen ebenso im Wechselspiel zwischen rationaler Formfindung und expressionistischem Selbstausdruck.

„Nachdem er [Itten] einige Gänge gemacht hat, steuert er auf eine Staffelei zu, auf der ein Reißbrett mit einer Lage Schmierpapier steht. Er ergreift eine Kohle, sein Körper sammelt sich, als ob er sich mit Energien ladete, und geht dann plötzlich zweimal nacheinander los. Man sieht die Form zweier energischer Striche, senkrecht und parallel auf dem obersten Schmierbogen, die Schüler werden aufgefordert, das nachzumachen. […] Dann kommandiert er’s im Takt, dann läßt er dasselbe Exercitium stehend ausüben. Es scheint eine Art Körpermassage damit gemeint zu sein, um die Maschine auf das gefühlsmäßige Funktionieren hin zu schulen.“ – Paul Klee über Ittens Vorkursübungen

Berühmt sind auch Ittens Bildanalysen. Einerseits betrieb er Form- und Strukturanalysen, bei denen Bilder der alten Meister nach ihren grundlegenden Gestaltungsprinzipien untersucht wurden. Formaspekte wie kompositorischer Aufbau, proportionale Verhältnisse und Verteilung von Hell und Dunkel wurden in skizzenhaften Bildern analysiert. Im Gegensatz dazu standen die Empfindungsanalysen, bei denen es darum ging, den Formausdruck, die emotionale Botschaft eines Gemäldes zu erfassen. Dabei wurden auch oft nur einzelne Teilaspekte eines Bildes (Rhythmus, Farbe, Stofflichkeit) zum Gegenstand der Analyse gemacht.

Und heute…?

Um in dieser Recherche nicht völlig in geschichtlicher Aufarbeitung zu versinken und stärkeren Gegenwartsbezug herzustellen, möchte ich anhand eines Beispiels zeigen, wie die Grundidee das Vorkurses an einer modernen Hochschule weiterlebt.

UdK Berlin: Visuelle Kommunikation

Der Studiengang Visuelle Kommunikation der Universität der Künste in Berlin bietet in sogenannten Klassen die Vertiefungsrichtungen Informationsdesign, Grafik-/Kommunikationsdesign, Illustration, New Media, Geschichte und Theorie der visuellen Kultur, Interface- und Interactiondesign, Raumbezogenes Entwerfen und Ausstellungsgestaltung, Design für Wirtschaft und Werbung sowie Gestaltung des bewegten Bildes. Allen diesen Vertiefungen (welche als moderne Nachfahren der Bauhaus-Lehrwerkstätten Ton, Glas, Farbe, Holz, Metall, Gewebe und Stein gesehen werden könnten) voraus gehen zwei Semester mit dem Namen „Grundlagen des Entwerfens“ – ein Vorkurs also, mit dem Namen Basics. Auf der Website ist zu lesen:

„Die Basics sind der Einstieg in das vierjährige BA-Studium Visuelle Kommunikation. Im 1. und 2. Semester setzen sich die Studierenden hier mit elementaren Fragen und Möglichkeiten der Gestaltung auseinander. Im Zentrum steht, die unterschiedlichen Medien kennenzulernen und deren gestalterische Sprachen mit digitalen und analogen Werkzeugen zu erproben. […] In den Semesterprojekten durchlaufen die Studierenden exemplarisch alle Phasen des Entwurfsprozesses – von Recherche und Konzept über Variantenbildung bis hin zur Produktion. […] Ziel ist, die Studierenden zu befähigen, mit den Werkzeugen und Entwurfsmethoden eigenständig umzugehen. Sie lernen, die eigene Arbeit zu reflektieren, diskutieren und präsentieren; sie erfahren, was es bedeutet, Autorschaft für gestaltete Inhalte zu übernehmen. Das Grundstudium will Raum für die Entwicklung einer eigenen gestalterischen Haltung bieten und damit die Teilhabe an aktuellen fachlichen Diskursen ermöglichen.“

Gerade der letzte Satz zeugt von den Nachwehen von Ittens Selbstentfaltungs-Ansatz seines Vorkurses. Weiters liest man:

„Die Betrachtungsfelder Bild, bewegtes Bild, Raum und Interaktion werden als Projekte bearbeitet. In einem Projekt werden alle Phasen des Entwurfs wie Recherche, Konzept, Skizze, Variantenbildung und Realisierung durchlaufen. Pro Semester werden in der Regel zwei Schwerpunkte gesetzt, die sich über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen erstrecken. Die Lehre findet – abhängig von Fragestellung und Entwurfsphase – in verschiedenen Formaten statt: Präsentationen, Diskussionen, Gruppen- und Einzelgespräche, Vorträge, Referate und Workshops.“ Im Laufe ihres Wintersemesters setzen sich die Basics-20 beispielsweise jede Woche mit drei grundlegenden Gestaltungsdisziplinen auseinander: Zeichnen, Fotografie und Typografie. Alle Grundlagen-Labore vereint dabei das gemeinsame Semesterthema Licht und Schatten. Wechselnde Schwerpunkte und Inhalte heben sich hier somit vom statischen Bauhaus-Grundkurs ab.

Ein Beispiel für die Inhalte dieses Kurses sind Übungen zu den Gestaltgesetzen. „Im ersten Schritt gilt es, anhand eines morphologischen Kastens die Parameter visueller Gestaltung zu bestimmen. Die hierbei erlernten Grundkenntnisse wenden die Basics in den nächsten Aufgaben an. Sie setzen sich mit verschiedenen Gestaltgesetzen auseinander und integrieren diese bewusst in ihre Arbeit. Hierbei stehen neben der Anwendung der sogenannten Gestaltgesetze die visuellen Mittel Form und Farbe im Mittelpunkt der Entwurfsarbeit.“

Ein Semesterprojekt „Kinetische Objekte“ erinnert speziell an Ittens dreidimensionale Objektmontagen, hier werden … „möglichst viele dreidimensionale Varianten eines einfachen Alltagsgegenstandes; einer Büroklammer; analysiert. Der dabei generierte Erfahrungsschatz bereitet – ergänzt durch visuelle und textliche Recherchen im Kontext von Physik, Mechanik, Kunst, Gestaltung und Alltag – die Ausarbeitung eigenständiger Entwicklungen kinetischer Objekte vor. Dieses Vorgehen dient dem Erkennen unterschiedlicher Funktionsweisen und ästhetischer Qualitäten. Das Skizzieren von kinetischen Objekten ermöglicht dabei das (abstrakte) Begreifen und Erfahren von Bewegungen und Lagerelationen im Raum. Elementare Auseinandersetzungen mit Materialien wie Papier, Pappe und Draht erweitern das in der Beobachtung erschlossene Fundament für die Produktion von kinetischen Objekten. Die Resultate zeugen von der tiefgreifenden Auseinandersetzung mit den Phänomenen Bewegung und Raum.“ Auch die Zeilsetzung dieses Kurses liegt somit in Ittens Tradition: spielerisches Erforschen der Verhältnisse von Körper und Raum.

In der weiteren Recherche ergaben sich viele Parallelen zur Bauhaus Tradition, neben konkreten Aspekten wie Experimenten mit Farbe und Material vor allem der Kerngedanke zum Fokus auf gestalterische Grundlagen sowie dem experimetellen Zugang mit dem Ziel der persönlichen Entwicklung.

Das Vermächtnis des Bauhauses und speziell des Vorkurses ist also – wenn auch in wesentlich weniger esoterischen Ausformungen – ein Erfolgsmodell, welches heute noch (paradoxerweise speziell im Kommunikationsdesign, welches in dieser Form kein konkretes Ziel der frühen Bauhausausbildung war) seine Anwendung findet.

Bauhaus Basics

Die Kunstschulreform als Ursprung der Bauhausidee

Das Bauhaus steht hundert Jahre nach seinem Wirken immer noch als ideale Blaupause einer Designausbildung da. Seine ideologischen Wurzeln liegen in der sogenannten Kunstschulreform, jene akademischen Tendenzen, die im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts eine Erneuerung der Ausbildungen von Künstlern, Kunstgewerblern und Architekten anstrebten. Das war auch dringend notwendig. Die Kunst-Akademien des 19. Jahrhunderts hatten den Sprung auf den sich in voller Fahrt befindlichen Zug der Industrialisierung verpasst. Besonders deutlich wurde dies auf der ersten Londoner Weltaustellung 1851 – von schlechter Qualität und technisch Mangelhaft waren die meisten Produkte, und von Produktgestaltung war man weit entfernt, ein nachträgliches beladen mit Ornamenten führte zu schlechten Ergebnissen und offener Kritik.

Einer der wichtigsten Kritiker – und nicht in dogmatischer Maschinenkritik verhaftet wie William Morris – war der deutsche Architekt Gottfried Semper. Er prangerte das Auseinanderklaffen von industrieller Gebrauchsform und »Veredelung« durch den akademischen Künstler an. Die an den Akademien ausgebildeten freien Künstler waren auch gar nicht daran interessiert, sich mit der industriellen Formgebung von Produkten zu beschäftigen. Sempers Lösung war der »allgemeine Volksunterricht des Geschmackes« den er durch die Einrichtung von Kunstgewerbemuseen mit ergänzenden Lehrveranstaltungen mit dem allgemeinem Themenbereich Kunst und Industrie; im Speziellen Keramik, Textil, Holz und Stein; erreichen wollte. Ein Zusammenwirken der Lehrbereiche unter dem Vorsitz der Architektur sowie eine Förderung des Werkstättenunterrichts waren Teil seiner Ideologie – und ebenso Grundpfeiler des Bauhaus-Systems fast 80 Jahre später.

Umgesetzt wurden seine Ideen zum Teil in Wien, 1864 wurde das Österreichische Museum für Kunst und Industrie gegründet, wenig später eine Kunstgewerbeschule angegliedert, der Werkstättenunterricht ließ sich nur aus Platzmangel nicht in Sempers Ideee umsetzen. Josef Hoffman und Koloman Moser gelang dies erst einiges später, sie waren mit der Wiener Werkstätte ab 1903 Vorreiter.

Die Krise der Akademien konnten Sempers Ansätze jedoch nicht bewältigen und auch die Kunstgewerbeschulen hatten Ende des 19. Jahrhunderts viel vom ursprünglichen Erneuerungsgedanken eingebüßt. Aus diesem Grund – und tief verwurzelt in den großen sozialen und kulturellen Umwälzungen der Jahrhundertwende – entstanden die Forderungen der Kunstschulreformer. Die von vielen als Fehlentwicklungen angesehenen gesellschaftlichen und kulturellen Tendenzen (Intellektualismus, Materialismus und seine Folgen für den Menschen) wurden einerseits in revolutionären Strömungen begegnet (Marx und Engels) oder aber in evolutionärer Veränderung zu ändern versucht – Ästhetisierung der Alltagswelt zur Verbesserung der Gesellschaft. Künstler der Jugendstils, des Deutschen Werkbundes und Vertreter von modernen Bewegungen – unter anderem Peter Behrens und in dessen Einfluss Walter Gropius – sahen folgende wesentliche Erkenntnisse und daraus resultierende Veränderungen in der Kunstschulausbildung notwendig:

Die Akademie als Ort der Kunstausbildung ist veraltet. Die Ausbildung dieser Zeit konnte keinen im modernen beruflichen Wettbewerb überlebensfähigen Künstler hervorbringen. Fern jeglicher Realität wurden veraltete Ansichten vermittelt, alte Meister kopiert.

Lehrbar ist nur das Handwerk. Da die Kunstlehre versagt hatte, sollte sich die Reform aus dem Handwerk ergeben. Man sah das Handwerk als die notwendige Grundlage allen bildnerischen Schaffens an und postulierte im Umkehrschluss, das Kunst im allgemeinen nicht lehrbar sei, einzig die handwerklichen Techniken als Basis. Dies sah auch Bauhaus-Gründer Gropius so, der jedoch den Fokus auf die Einheit von Kunst und Handwerk legte und die Kunst lediglich als Steigerung des Handwerks sah.

Werkstatt anstelle der Schule. Wie schon von den Kunstgewerbeschulen angestrebt, sollte die praktische Ausbildung in der Werkstatt gelebt werden. Diese Ansicht war keineswegs neu, in der durch die industrialisierte Produktion verunsicherten Arbeitswelt gab es immer wieder Strömungen, die das mittelalterliche System des Handwerks idealisierten und romantisierten – am konsequentesten eben William Morris’ Arts and Craft Bewegung. Was bei den Reformern umstritten blieb, war die Frage, ob die Werkstätten reine Lehrwerkstätten seien sollten, oder als Produktivwerkstätten für die Wirtschaft arbeiten sollten – was einerseits dem populären Tenor nach realitätsbezogenem tätigen Lernen entsprach, andererseits zu Abhängigkeiten von der Wirtschaft führen konnte.

Die Lösung ist die Einheitsschule. Eine Verbindung von Kunst, Kunstgewerbe und Baukunst wurde als Ideal angesehen, mit einer gemeinsamen Anfangsstufe – so forderte u. a. auch Peter Behrens. Die Kunst-Akademien sollten – in Ateliers umgestaltet – mit den Kunstgewerbeschulen und den Architekturabteilungen der Technischen Schulen in eine »Hochschule des Gestaltens« vereint werden. Ein Begriff, der noch lange Bestand hatte. Die Vereinigung sollte auch die sozialen Klassen vereinen, was ganz im politischen Sinne der Zeit lag (Revolution in Russland).

Vorherrschaft der Architektur. Die Auflösung der alten Einheit der Künste und die Zerteilung in Architektur, Malerei, Plastik und Kunsthandwerk war als negativ empfunden worden. Dies wollte man umkehren und wieder erneut vereinen, unter der als »Mutter aller Künste« angesehenen Baukunst als Schirmherrin. Die Konzentrierung in Bauhütten als Verbund aller Künste wurde propagiert – und auch zum Namensgeber des Bauhauses.

Einführung von Vorklassen. Gerade dieser Ansatz wird oftmals als reine Errungenschaft des Bauhauses angesehen. In der Schweiz waren Vorkurse schon 1879 in Zürich, 1899 in Bern und 1908 in Basel eingeführt worden (Gottfried Semper hatte lange in der Schweiz gewirkt) – jedoch meist zum erlernen der technischen Zeichengrundlagen. Die Kunstschulreformer forderten diese Kurse jedoch konkret als Vorstufe zum Zwecke der Selbsterfahrung, Selbstfindung und Entscheidungshilfe für eine spezielle Fachrichtung. Gleichsam wichtig sollte in diesen Vorklassen aber auch das grundsätzliche Prinzip der Gestaltung gelehrt werden. Sie sollten demnach dem Schüler zur Selbstfindung und Orientierung, und der Schule zur Grundlagenlehre und Probezeit dienen.

Das Bauhaus steht unzweifelhaft im direkten Einfluss dieser Reformbewegungen. Es war natürlich nicht die einzige Schule, die diese Ideen umsetzte, wohl aber jene, die es am konsequentesten und erfolgreichsten machte und konnte auch noch wesentliche eigene Impulse setzen – nicht zuletzt auch durch die lange Liste an Namhaften Vertretern der modernen Kunst, die am Bauhaus lehrten.

Das Bauhaus war eine Idee, und ich glaube, dass die Ursache für den ungeheuren Einfluss, den das Bauhaus auf jede fortschrittliche Schule in der Welt gehabt hat, in der Tatsache zu suchen ist, dass es eine Idee war. Eine solche Resonanz kann man nicht mit Organisation erreichen und nicht mit Propaganda. Nur eine Idee hat die Kraft, sich so weit zu verbreiten

Ludwig Mies van der Rohe



Walter Gropius: Gründungsgedanken des Bauhauses

Eigentlich hatte das Bauhaus zur Zeit seiner Gründung 1919 erstaunlich wenig konkretes Konzept und Plan. Definitiv steht es im Einfluss – neben vielen weiteren – des ersten Weltkrieges und der damit einhergehenden allgemeinen Ernüchterung. Die spiegelte sich in den ersten Jahren des Bauhauses wider; der expressionistischeren Phase. Zentral war von Beginn an die Einheit von Kunst und Technik, wie es schon vor dem Krieg der Werkbund gedacht hatte und auch nach dem Krieg praktiziert wurde. Daneben waren es aber eine Reihe an – vor allem pädagogischen – Eigenheiten, die dem Bauhaus seinen Erfolg einbrachten.

Gropius als Gründer hatte am eigenen Leib erfahren, dass die Architekturausbildung dieser Zeit nicht mehr den modernen technischen Gegebenheiten entsprach. Daraus resultierte sein stark antiakademisch geprägter Stil, er hatte die Ideen der Kunstschulreform genau verfolgt und propagierte diese auch, unter anderem das starke Plädoyer für die Versöhnung des Künstlers mit der Technik. Es sollte eine für die Aufgaben von Gegenwart und Zukunft gewappnete Kombination aus Kunst und Technik gelehrt werden. Dazu eigentlich im Gegensatz stehend waren seine Ansichten, die kleinstrukturellen Arbeitsgemeinschaften des Mittelalters wieder aufleben zu lassen. Er sah die Bauhütten dieser Zeiten als romantisches Ideal und lies sie sogar zum Namensgeber seiner Schule werden. Mit dieser Rückwärtsutopie war er nicht allein, als Antwort auf die industrielle Vernichtung und die darauffolgende Sinnkrise des ersten Weltkrieges waren solche Ansätze verbreitet in den Nachkriegsjahren.

Die fundierte handwerkliche Ausbildung in Probier- und Werkplätzen war Teil seiner Gründungsidee. Die Lehre wurde in drei Lehrgänge eingeteilt, einen für Lehrlinge, einen für Gesellen und einen für Jungmeister. Über vor ihm gedachte Prinzipien hinaus entwickelte Gropius den Ansatz des dualen Systems aus künstlerischer Ausbildung und voller, regulärer Handwerkslehre –  für alle Schüler obligatorisch und mit Gesellenprüfung abgeschlossen. Der handwerkliche Charakter war jedoch nie Mittel zum Zweck; es sollte kein singuläres Werkstück entstehen, sondern es wurde in der handwerklichen Lehrstruktur der Grundgedanke eines sozialen und gemeinschaftlichen Organismus mit dem Zweck einer sich von innen heraus reformierenden Industriellen Gesellschaft gesucht. Eine humanere, sozial gerechtere auf dem Harmonieprinzip beruhende Gesellschaftsordnung war das Ziel dieser Bestrebung.

Dies zeigte sich ganz praktisch in der Wichtigkeit der sogenannten praktischen Harmonielehre, die am Bauhaus von Gertrud Grunow unterrichtet wurde. Die Einheit von Ton, Farbe und Form, also eine Zuordnung der Tonleiter zu konkreten Farben und wiederum zu konkreten Formen, mutet heute sehr metaphysisch an, war aber für Gropius von großer Wichtigkeit. Der Mensch als Ganzes, in Ausgeglichenheit und Harmonie sollte die Versöhnung von Rationalität und Sinnlichkeit schaffen sowie ein Gleichgewicht von Handwerk und Denken erreichen. Der »ganzheitliche Mensch«, wie schon im antiken Griechenland war das Ziel.

Vor allem in den Anfangsjahren waren diese romantisch-expressionistischen Bestrebungen pädagogische Realität und wurden speziell auch von einem der berühmtesten Lehrer des Bauhauses – Johannes Itten – auch in starkem eigenem Interesse praktiziert. Die persönliche Entfaltung der Schüler stand in den ersten Jahren im Fokus, jedoch mussten diese ideologischen Gedanken bald einer praktischeren pädagogischen Denkweise Platz machen – was sich nicht zuletzt auch in der Trennung von Johannes Itten zeigte. Die zunehmende Rationalisierung musste der Betonung des Individuellen weichen, die Lösung objektiver Gestaltungsaufgaben rückte in den Fokus. Nicht mehr die Utopie eines neuen »gotischen Zeitalters«, Zentrum einer neuen, besseren Gesellschft zu sein war für das Bauhaus prägend, sondern die Frage, wie sich durch die schulische Vermittlung ästhetischer und sozialer Kompetenzen der Entwurf von gut gestalteten und gleichzeitig leistbaren Gebrauchsgegenständen erreichen lies. Es sollten Prototypen für die Industrie entstehen, die Industrialisierung des Bauens sollte erreicht werden um – nicht zuletzt wiederum gesellschaftlich-sozial wertvoll – eine Verbesserung der Existenz einer breiten Bevölkerungsschicht zu schaffen.

Ein zentrales Phänomen des Bauhaus-Systems blieb aber weiterhin der Vorkurs, zu Beginn einsemestrig, später auf ein Jahr erweitert. Wie bereits erwähnt war dieser keine reine Bauhauserfindung, ist aber in seiner Ausformung dennoch prägend gewesen und verdient deshalb einen eigenen Blogeintrag. Next time.