Für meine Masterarbeit bekam ich die Chance, den Musiker, Autor und Journalisten Herrn Christian Fuchs zu den Thematiken Horrorfilme und Thriller zu interviewen. Dies verschaffte mir neue anregende Einblicke für die genannten Themengebiete und helfen immens mit bei meiner weiteren Recherche. Das Ziel dieses Interviews war es weitere Aspekte und Meinungen bezüglich der Filmindustrie und den Genres Horror und Thriller zu erhalten. Das dokumentierte Interview unterteilt sich in meinen Fragen und einer Zusammenfassung aus Christian Fuchs’ Antworten.
Bevor wir anfangen, möchte ich Sie bitten, sich vorzustellen. Wer Sie sind, was machen Sie beruflich und was sind Ihre Interessen. Wie sind Sie zu Dem gekommen, was Sie heute beruflich tun?
Herr Christian Fuchs ist neben seiner Arbeit als Journalist beim ORF, Autor und Musiker. Er bereichert den Radiosender FM4 mit Film- und Pop-Beiträgen, mit Gesprächen on Air sowie mit seinem eigenen Blog. Der FM4 Filmpodcast bietet ihm, seiner Kollegin Pia Reiser sowie Gästen die Möglichkeit, sich über jegliche filmspezifischen Thematiken auszutauschen. Seine Interessen gelten den dunkleren Seiten der Popkultur. Er ist nämlich nicht am Mainstream interessiert und verfolgt die Kinokultur in einer, wie er nennt, „Twilight-Zone“. Das bedeutet, ihm ist ein Zusammenspiel aus künstlerischen Ansätzen und Genrekino wichtig. Bereits im Kindes- und Jugendalter verbrachte er viel Zeit im Kino, in dem er seine Faszination von Filmen auslebte.
Was genau weckt an Horrorfilmen und Thrillern Ihr Interesse?
Fuchs ist im Alltag ein eher ängstlicher Mensch, zum Beispiel sind Schlangen und Achterbahnen für ihn ein Grauen. Das genaue Gegenteil ist seine Leidenschaft für Thriller- und Horrorfilme, die ihn in eine andere Welt eintauchen lassen. Das Irrationale an Kinoerlebnissen lässt seine betonte Vernunft im wahren Leben vor dem Eingang stehen. Neben der Angst-Konfrontation, die er beim Schauen eines Filmes der genannten Genres erfährt, interessiert er sich zu dem für die technischen Aspekte wie zum Beispiel Kameratechniken, die Erstellung von Soundtracks sowie ihre Wirkung auf den Zuschauer. Die Wurzeln des Genres Horror sind das Zusammenspiel aus Fiktion und den wahren Hintergründen sowie dem Fantastischen und dem Übernatürlichen. Als Beispiel führt er den Schauerroman aus dem 18.- und 19. Jahrhundert an, der, wie Fuchs erwähnt „mit seiner Vorstellung vom Grauenvollen als Quelle des ästhetischen Genusses“ gilt. Des Weiteren führt er an, dass die schwarze Romantik das Hässliche mehr verehrt, als das Schöne. Beispielsautoren sind Mary Shelley, Lord Byron und J.W. Polidori. Zudem bietet das Kinoerlebnis bzw. das Filmerlebnis die Möglichkeit, ein Ort zu sein, an dem Gewalt ohne realen Schaden ausgelebt werden darf. Der Zuschauer wird mit den aus dem alltäglichen Leben ungewollten Themen, wie Tod, Einsamkeit und Alter in Horrorfilmen auf eine sanfte Weise konfrontiert. Auch bietet dieses Genre das Gefühl des Verbotenen und der Gefahr, während man sich sicher vor der Leinwand oder dem Bildschirm befindet. Neben den bereits genannten Thematiken beinhaltet Horror auch eine Faszination der Reizaufnahme hinsichtlich Body Horror, Abgründe der Sexualität und Politik.
Wie würden Sie die Genres Horror und Thriller definieren und welche Unterschiede weisen sie auf?
Für Herrn Fuchs liegt der Unterschied zwischen Horrorfilmen und Thrillern in übernatürlichen Szenarien. Thriller entsprechen in einigen Aspekten der Realität, während Horrorfilme meist irrationale Thematiken aufgreifen.
Gibt es einen modernen Regisseur bzgl. der bisher angesprochenen Genres, dessen Werke Sie fasziniert? Wenn ja- wer und warum?
Fuchs’ Faszination umgreift moderne Regisseure, wie Ari Aster, Julia Ducourneux, Robert, Eggers, Alex Garland und Jordan Peele. Vorreiter-Regisseure sind Dario Argento, David, Croneberg, Lucio, Fulci, Alfred Hitchcock und George Romero
Was macht Ihrer Meinung nach einen hervorragenden Horrorfilm und was einen Thriller aus? (Es können auch mehrere sein) & warum?
Ein vom zuvor erwähnten Regisseur Dario Argento kreierter Horrofilm „Suspiria“ (1977) lässt den Zuschauer in eine andere Realität eintauchen, die wie eine visueller halluzinogener Zustand aussieht. Weitere Filme, die den Zuschauer langsam aber stetig in eine neue Realität entführen, sind “The Exorcist“ (William Friedkin, 1973), “The Shining“ (Stanley Kubrick, Steven King, 1980), „Hereditary“ (Ari Aster, 2018) und „Kill-List” (Ben Wheatley, 2011). Bei Thriller fällt auf, dass es einen bedeutsamen Faktor darstellt, den Zuschauer unterbewusst aus dem Alltag in die Thematiken des Thrillers, wie Mord etc., zu führen. Das Genre bewegt sich immer ans Irrationale heran und bleibt doch noch im rationalen Bereich. Des Weiteren sind Mischformen aus Thriller und Horror, die zum Beispiel das japanische und koreanische Kino bietet, sehenswert. Die psychologische Deutung der Charaktere spielt hierbei eine zentrale Rolle. Ein weiteres Genre, dass Fuchs nennt, ist der Giallo Thriller. Dieser ist in Italien entstanden und wurde stark von Hitchcock beeinflusst. Der Unterschied hierbei liegt darin, dass nicht nur die Auflösung der fiktiven Morde wichtig waren, sondern auch die Morde selbst.
Wie würden Sie die filmischen Arbeiten von Alfred Hitchcock und Stephen King beschreiben? Also die unterschiedlichen Herangehensweisen.
Wie allseits bekannt, war Alfred Hitchcock ein Meister der subtilen Spannungserzeugung. Er setzte wenig auf Spezialeffekte, eher auf eine originellen Umsetzung und Kombination von Kamera, Ton, Schnitt, Musik etc. Bei Filmen, die auf den Geschichten von Stephen King basieren, empfindet Fuchs oftmals das Ende kritisch, da sie zu kitschig wirken. Unter Stephen Kings Verfilmungen gibt es nur wenige, die Fuchs begeistern. Diese wären zum Beispiel „The Mist“ (2007), „Carry“ (1976) und „The Stand“ (1978). Fuchs erwähnt, dass Tarantino einmal meinte, dass Hitchcocks Raffinesse aufgrund von Zwang bezüglich Zensur in der Filmindustrie entstanden ist. Er hat gelernt, mit den Einschränkungen umzugehen. Hätte er noch einige Jahre länger gelebt, hätte Hitchcock tendenziell gewalttätigere, blutigere und evtl. gar obszöne Filme kreiert. Als Beispiel nennt Fuchs Hitchcocks Film „Franzy“ (1972), der bereits leicht in diese Richtung geht. Den Nachfolger von Hitchcock sieht Tarantino in Brian de Palma, der Hitchcocks Methoden kopierte und weiterführte. Außerdem zeigt er Blut, Gewalt und Sexualität, die Hitchcock nicht zeigen durfte.
Welche audiovisuelle Techniken sind Ihrer Meinung nach unentbehrlich für so eine Filmproduktion? Haben Sie Beispiele?
Fuchs empfindet den auf Stephen Kings gleichnamigen Roman basierten Film „The Shining“ als Meisterwerk. Der dafür verantwortliche Regisseur Stanley Kubrick hat sich nicht um Kings Einwände und Intentionen gekümmert, sodass ebenfalls die zuvor erwähnten kitschigen Ansätze wegfielen. Weder Monster, übertriebene gefühlsvolle Elemente noch sichtbare Spezialeffekte werden in dem Film gezeigt. Für das Horrorgefühl wurde auf anschwellende bedrohliche Musik, die Farbgebung, Symmetrie und Architektur gesetzt. Wenn das Monster ins Bild kommt, ist es gelaufen. Denn kein Spezial Effekt der Welt kann die Fantasie des Zuschauers übertreffen. Bei Horror ist das Problem, dass man nicht zu genau beschreiben darf, was passiert, sonst wirkt es schnell lächerlich und die Angst fällt weg.
Inwieweit würden Sie sagen, greifen psychologische Mittel mit in eine Filmproduktion ein? Haben Sie Beispiele?
Da es unzählige psychologische Tricks gibt, sind diese für den Umfang des Interviews kaum aufzählbar. Aufgrund dessen gibt Fuchs ein Beispiel, was er persönlich als gruseligste Szene der Filmgeschichte benennt. Diese Szene befindet sich im Film “The Exorcist III“ (William Peter Blatty, 1990). Der Film ist klassisch inszeniert und hat doch Brüche mitten drin. Die Szene spielt spät nachts im Krankenhaus im Abteil der Nervenheilanstalt. Das Gefühl, das dem Zuschauer vermittelt wird, ist ein bedrohliches. Einer der Patienten krabbelt plötzlich und ohne Erklärung an der Decke entlang und man merkt, dass etwas nicht stimmen kann. Eine Krankenschwester arbeitet hinter einem Schreibtisch, jemand geht durchs Bild und aus dem Nichts schneidet plötzlich jemand anderes mit einer riesigen Schere dessen Kopf ab. Die Szene hat keinen Bezug zu der Story und wurde als Gag angeführt. Diese Szene funktioniert mit dem psychologischen Trick, dass die Kamera sich nicht bewegt und nur auf dem Stativ starr in eine Richtung filmt. Dadurch sieht der Zuschauer nicht das Geschehen drum herum und ist nur auf einen Teil der gezeigten Geschichte fokussiert. Die klassischen Stilmittel, die sonst in Horrorfilmen genutzt werden, wie der Spannungsaufbau durch bedrohliche Musik und Kamerafahrten, fallen hierbei weg.
Inwieweit spielt die technische Entwicklung bezüglich filmischen Equipment und Visual Effects eine Rolle bei der Erzeugung von Emotionen wie z.b. Angst und Spannung?
Die Filmproduktion ist mit der Entwicklung der Technik bzw. Computerleistungen mitgewachsen, was man zum Beispiel an der Nutzung von Steadicams bis zu heutigen Dronen ausmachen kann. Steadicams waren damals für Low-Budget Filme gedacht, während sie heute in Hollywoodfilmen genutzt werden. Drohnen werden immer günstiger, sodass diese selbst für Low-Budget Produktionen bereits erschwinglich sind. Das Kritischste aus Fuchs’ Sicht, sind die Anfänge des CGI. In den 90er und 00er Jahren war es, subjektiv gesehen, nicht so gut gemacht, wodurch er befürchtete, dass es der Untergang des Genrekinos sei. Die Entwicklung der computergenerierten Bilder zeigt jedoch Positives. Das Beste daran ist, wenn man es nicht sieht. Das macht Fuchs daran fest, wenn CGI sparsam eingesetzt wird. Wenn man auf die Neuverfilmungen von „ES“ von Stephen King zurückkommt, wird sich ein abgebrühter Horrorfan kaum fürchten. Das CGI ist teilweise zu unrealistisch gemacht. Vor allem der zweite Teil ist nicht annehmbar.
Würden Sie sagen, die heutige Technologie bezüglich Filme stellt die Herangehensweisen von Hitchcock in den Schatten?
Filmfestivalbesucher und Fans werden die Machart Hitchcocks weiterhin schätzen und führen das Erbe weiter. Doch das junge bzw. breite Publikum kann vermutlich eher weniger mit Filmen aus der Vergangenheit sympathisieren. Als Grund nennt Fuchs die heutige Gewöhnung von Videospielgrafiken (sind geeicht).
Wie ist Ihre Prognose hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der technischen Möglichkeiten der Filmproduktion? Bzw. anders gefragt: Wie denken Sie wird das Filmerlebnis in 5, 10 oder gar 30 Jahren sein?
Die genaue Entwicklung ist für Fuchs kaum vorhersehbar. Er vergleicht die potenzielle Entwicklung der Filmindustrie mit der Musikindustrie und deren Distributionswege: Heutzutage kann man Musik streamen, im Radio hören und doch immer noch CDs oder gar Vinyl kaufen. Das Blockbusterkino wird es weiterhin geben, eventuell noch aufgeblasener und CGI-lastiger. Das kleinere Kino verschiebt sich bereits jetzt mehr in Richtung Streaming. Fuchs macht sich eher Sorgen um das Arthouse-Kino, dass kontroverse Themen behandelt. Er hofft, dass es im Festivalkontext überleben wird, wie zum Beispiel mithilfe der Filmfestivals Berlinale und Canne. Das Horrorgenre ist wahrscheinlich das unzerstörbarste Genre, das es gibt. Die Zielgruppe der Genres Thriller und Horror ändert sich, denn nicht nur Männer interessieren sich dafür. Der Anteil an Frauen wird in Richtung der genannten Genres mehr, egal ob sie von ihnen geschrieben, gelesen oder gekauft werden. Dadurch werden immer mehr weibliche Perspektiven mit in die Filmproduktion integriert.