Bei meinem ersten Experiment, was die Vertonung von Bewegtbild mit einerseits Orchestralen und andererseits Synthetischen Klängen angeht, handelt es sich um eine 45 Sekunden lange Aneinanderreihung von Sequenzen, welche ein Weitsichtgerät mit verschiedensten Funktionen präsentiert.
Es wird hauptsächlich in der Forstwirtschaft eingesetzt und wir zum erleichterten Aufspüren von Tieren herangezogen. Über Bluetooth kann die Achse des Fernrohres gesteuert und das Live Bild zurück zum iPad geschickt werden, sodass man das Gerät vom Innenraum des Autos – ohne Kabel – steuern kann.
Es handelt sich somit um ein einerseits sehr technisches Produkt, andererseits um ein hilfreiches und mächtiges Tool, das eine gewisse Ernsthaftigkeit mit sich bringt.
Die Bilder
Rein bildlich gesehen ist der Spot relativ dunkel. Anfangs packt ein Jäger seine Ausrüstung zusammen, ein Teil davon ist das beworbene Gerät. Dronen Aufnahmen von Wäldern werden zwischengeschnitten. Der Realfilm wechselt plötzlich zu einem 3D Rendering des Geräts. Kurz darauf folgt eine Szene mit einem fahrenden Auto auf einem dunkeln Waldweg, da die Morgendämmerung erst anbricht. Bilder vom Innenraum des Autos zeigen eine Person, die das Gerät über ein iPad steuert. Aufgrund des Schnittes kann man annehmen, dass sie durch das Fernrohr etwas entdeckt haben, anschließend aussteigen, um dem Tier näher zu kommen. Das Video endet an dieser Stelle.
Die Wahl der Instrumente
Wenn man sich also die Frage stellt, wie bzw. mit welchen Instrumenten die Präsentation dieses Produktes am besten unterstützt werden kann, würden aus jeweils anderen Gründen, beide Formen der Musik (Orchestral oder Synthesizer) in Frage kommen:
Das Orchester
Nachdem es sich um einen Realfilm handelt, der im Wald spielt, sind reale Instrumente des Orchesters naheliegend, wenn man bedenkt, dass diese Teils aus Holz sind (Streicher) und eine Gewisse Imperfektion aufweisen, nicht zuletzt durch das Spielen der Musiker. Nachdem alle Streicher Samples aus dem gleichen Haus kommen (Spitfire Audio) weisen diese einen relativ ähnlichen Reverb und Mikrofonierung auf, was die einzelnen Instrumente als organische Masse auftreten lässt, anstatt einzeln und isoliert.
Synthesizer
Jedoch haben auch Synthetische Klänge ihre Daseinsberechtigung, wenn man bedenkt, dass das beworbene Produkt hoch technisiert ist und Präzision eine der wichtigsten Eigenschaften ist.
Ebenso sind die meisten “typischen” Klänge von Synthesizern präzise geformt und haben einen technischen Klang, der der Natur relativ fern ist. Beispielweise ist die Kontinuität einer Sägezahnwelle ein perfektes Beispiel für Perfektion, welche in der Natur nur selten auffindbar ist.
Die Komposition (Interpretation und Beschreibung)
Bei einer Jagd geht es darum, sich leise und ruhig zu bewegen und im richtigen Augenblick entscheidende Schritte zu tätigen. Daher sind die ersten 10 Sekunden (Takt 1-6), während denen sich der Jäger vorbereitet, mit ruhigen gleichbleibenden Tönen bestückt, die sich nur in ihrer Intensität und Textur verändern. Ab Sekunde 5 (ca. Takt 4) kommen unruhige, kurz angespielte und abgehackte Töne als Akzente dazu, die Nervosität und Anspannung vermitteln sollen.
Bei Takt 6 (Sekunde 10) setzt das Rendering des technischen Geräts ein und präsentiert dieses mit leichter Bewegung. Die Spannungskurze fährt hier abrupt nach oben, mehrere Instrumente setzen zugleich ein und beantworten das eher hoch gespielte Intro mit tiefen kräftigen Tönen, die das Rendering andauern und darüber hinausgehen, um die Spannung zu halten, während man das Auto im Wald fahren sieht (Takt 8). Ebenso sind wieder zufällig gesetzte Töne als Ergänzung zu den starren, tiefen Tönen zu hören, die die Aufregung und Komplexität untermalen sollen.
Die Spannung hält bis Takt 10 an, ab welchem die tiefen Töne nachlassen und ein fokussierter, im Tempo und in der Tonhöhe gleichbleibender Rhythmus hinzukommt, der ein Gefühl der Zuspitzung hervorrufen und den Fokus schärfen soll. Bei Takt 12 setzt einer der 3 Tiefen Töne wieder ein und wiederholt sich alle 2 Takte. Zusätzlich beginnt im Hintergrund eine stets steigende Abfolge von schnell hintereinander gespielten Tönen um in gewisser Art und Weise den Klimax anzukündigen.
Als diese Tonleiter bei Takt 18 stoppt und eine Klimax eine logische Fortführung wäre, spielt nurmehr ein sehr hoher, leiser, anhaltender Ton, der die Konzentration der Förster untermalen soll und die Intensität der Musik zurücknimmt. Denn die beiden haben etwas aufgespürt und sind nun ganz nahe an ihrem Ziel. Ein letzter Blick durch das Fernrohr und der Spot endet. Ein letztes Mal erklingen die tiefen Töne schlagartig, um das Logo/Claim des Produktes hervorzuheben.
Um einen nachvollziehbaren Vergleich zwischen den unterschiedlichen Ausführungen der unterschiedlichen Instrumentengruppen zu schaffen, “müssen” sich beide Ausführungen an folgende Rahmenbedingungen halten:
Um genügend Parameter zu haben, aber dennoch genug Spielraum zu lassen, würde ich folgende Punkte für Sinnvoll halten:
Rhythmik
Tempo
Melodik
Tonalität
Länge
Anzahl der Elemente/Instrumente (hier wichtig zu betonen: eine Streichersektion – zB 8 Celli – die gemeinsam eine Melodie spielt, würde ich auch als ein Instrument werten und nicht als 8)
Folgende Parameter würde ich offen lassen:
Effekte
Tonhöhe (Spielraum: eine Oktave)
Dynamik
Ausführung mit Orchester
Takt 1-6 spielen Streicher in Sul Tasto (Bogen über dem Fingerboard, um einen “dünneren” Sound zu erzielen) die gleichbleibenden Töne (G, C & D). “Digging” Sounds von einem Cello übernehmen die kurzen abgehackten Töne der Komposition um aufzurauen.
Bei Takt 10 setzen die 3 tieferen Töne (G) in Form von einer Bass Tuba, einem Kontrabass und einem Cello ein. Kontrabass und Tuba spielen ein Markantes G0 in forte, während das Cello ein G1 spielt und erst später durch das steigende Crescendo wahrnehmbar wird.
Von Takt 6 bis Takt 18 erzeugen zufällig improvisierte Töne (G, D, A#) von Violas eine gewisse Anspannung und Bewegung. Währenddessen setzen Kontrabass und Cello in einem wiederholenden Muster ein, um weiterhin Druck auszuüben.
Der stetige Rhythmus ab Takt 10, wird von Geigen übernommen, welche durch kräftig gezupftes Bartok Pizzicato durchschneidende Klänge erzeugen.
Takt 18 bis 24 übernimmt eine einzelne Viola, die einen stehenden, sich ziehenden Ton bis zum Ende durchzieht, nach welchem lediglich ein letzter Strich von Kontrabass und Cello ertönen.
Ausführung mit synthetischen Klängen
Kurz vorweg: die meisten synthetischen Klänge dieser Ausführung stammen vom Synthesizer Plugin Omnisphere, da es eine extrem große Palette an Sounds aufweist und sehr vielfältig ist.
Die 3 eröffnenden Töne übernehmen hier zum einen ein Patch, der sehr an Vangelis erinnert und durch seine Artefakte zufällige Tonhöhen-änderungen beinhaltet. Unterstützt wird dieser von sehr ambienten, organisch klingenden Sounds, die ebenfalls aus Omnisphere stammen. (Takt 1-6)
Dazu kommen die zufällig gesetzten Töne ab Takt 4, die hier von einem pluck sound ausgeführt werden.
Die 3 Gs, die im Takt 6 eingesetzt werden, stellen sich hier aus einem mächtigen Prophet Klang, der sehr hell und beißend klingt, einem weiteren Omnisphere-patch das über mehr Bässe verfügt und einem ergänzenden Layer der ambienter im Klang ist, zusammen. Anschließend werden sie nurmehr vereinzelt eingesetzt, um in Schüben den Druck zu erhöhen.
Die zufällig gesetzten Töne (bei der Orchester Version) von Takt 6 bis 18 werden in dieser Ausführung durch einen stetigen, gleichbleibenden Arpeggiator ersetzt.
Der filigrane Klang von Takt18 bis 24 ist ebenfalls ein Omnisphere Patch, welches dem Klang einer Geige sehr nahe kommt, und wird durch ein letztes Erklingen der tiefen Töne bei Takt 24 unterbrochen bzw. zu Ende geführt.
Erkenntnisse:
Auch wenn beide Intrumentengruppen ihre Daseinsberechtigung haben, macht es im Fall dieses Werbespots wenig Sinn, beide auf Krampf gegeneinander antreten zu lassen. Die ersten 6 Takte wirken beispielweise durch die Synthesizer viel tu technisch, während man Wälder und Bäume sieht. Hier kann das Orchester die Stimmung besser untermalen und sich weniger in den Vordergrund drängen.
Bei Takt 6, bei welchem das Produkt präsentiert wird, macht es wiederrum Sinn auf Synthesizer Klänge zurückzugreifen. Denn auch wenn die Wucht eines Orchesters hier ebenfalls geeignet wäre, vermittelt der Technische, elektronische Klang eines Synthesizers hier die Features und Eigenschaften des Produktes besser und vor allem moderner, was bei Technikprodukten natürlich wünschenswert ist.
Nachdem das Produkt gezeigt wurde, kann man natürlich im synthetischen Bereich bleiben, jedoch sollten sich diese Elemente meiner Meinung nach nicht allzu sehr aufzwingen, da bildlich wieder zur Natur gewechselt wird. Das gilt für nahezu den gesamten restlichen Spot, mit der Ausnahme des Schlusses, bei welchem die Hersteller und Logos ein letztes Mal eingeblendet werden. Hier könnte man ggf. Einen leichten Technischen Akzent hinzufügen, wenn die Wucht und Ernsthaftigkeit des Orchesters hier nicht ausreichen sollte.
Fazit:
In diesem Fall ist eine Hybridkomposition die wahrscheinlich überzeugendste Variante, da das Orchester einerseits auf die naturverbundenen Eigenschaften eingehen kann während die synthetischen Klänge die Technik untermalen und ihr Ausdruck verleihen.